Montag, 14. September 2009

Nächsten Sonntag: Eine Ratlosigkeit

Aber seien wir ehrlich: Ganz egal ist es natürlich nicht, wer nächsten Sonntag gewinnt, und die Entscheidung fällt mir schwer:

Da hätten wir zunächst einmal die CDU. Ein bißchen unangenehm, das ist wahr, ist mir bereits die kulturelle Heimat der deutschen Konservativen in einer so etwas muffigen Welt aus Schützenkönigen und Hausfrauen und Rentnern, die jede Woche ihren Rasen mähen. Was die Modernisierung der CDU angeht, traue ich dem Braten nicht so recht. Mag sein, man tut der CDU unrecht, aber ich werde das Misstrauen nicht los, dass die Ressentiments gegen die Unordnung der großen Städte, Lebensformen, die anders aussehen als Kleinfamilien mit Kombi, noch ganz dicht unter der aufpolierten Oberfläche lauern, und die CDU, kurz gesagt, für ein anderes Deutschland steht als das meine. Nun soll man Wahlentscheidungen nicht anhand ästhetischer Kriterien treffen. Doch allein schon wegen des Umstandes, dass die CDU die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken befürwortet, geht meine Stimme nächsten Sonntag wohl eher nicht an Frau Merkel.

Die FDP wähle ich nicht. Gegen die FDP spricht - neben der Frage der Kernkraftwerke - ein Grundmisstrauen. Ich habe nichts gegen einen gewissen Unernst und den Wunsch, Karrierre zu machen. In meinen Augen ist es normal, dass jemand, der Politik betreibt, regieren will. Ich habe auch nichts gegen SUV-Fahrer. Ich hege keine Abneigung gegen Zahnärzte. Die intellektuelle Unredlichkeit der FDP aber hinsichtlich der Frage, wie Gesellschaft aussehen soll, empfinde ich als unangenehm und als feige. Wer eine Klientelpolitik betreibt darf nicht sich und anderen weismachen, dies gehe ohne Opfer an anderer Stelle ab. Wer den wirtschaftlich und gesellschaftlich Erfolgreichen weitere Vorteile verschaffen will, handelt unredlich, wenn er dies moralisch auflädt. Es ist jedem normalen Menschen klar, dass Leistung nur sehr teilweise über individuellen Erfolg bestimmt. Erleichterungen für ohnehin nicht sonderlich Belastete als Leistungsprämie auszugeben, widerstrebt mir. Ich werde die FDP - so viel steht fest - nicht wählen.

Mit der SPD ist es ebenfalls nicht einfach. Ich habe an sich gar nichts gegen die SPD. Dass ihr Spitzenkandidat nicht gerade das ist, was man einen Charismatiker nennt, nun gut: Das unterscheidet ihn nicht von der Konkurrenz. Wenn die SPD Klientelpolitik betreibt (von der ich nicht profitiere), dann hat dies zumindest nicht den unangenehmen Beigeschmack wie bei anderen Parteien, hier würde eine gesellschaftliche Gruppe eine ohnehin starke Position ausnutzen, um sich weitere Vorteile zu verschaffen. Auch die Agenda 2010 hat mir einigen Respekt abgenötigt.

Indes: Die Ansichten der Sozialdemokratie über die Rolle des Staates in der Wirtschaftspolitik teile ich ganz ausgesprochen nicht. Die sozialdemokratische Bildungspolitik halte ich für ein Verhängnis. Ich glaube nicht, dass das gemeinsame Lernen Kindern nützt, und sehe Bildung - anders als weite Teile der Sozialdemokratie - nicht als ein Instrument gesellschaftlicher Veränderung. Zudem irritiert mich an der SPD der durchaus beschränkte Radius ihrer Phantasie, das Defensive eines Kampfes um Arbeitsplätze in einer industriellen Welt, die ich als gestrig empfinde, und das Würdelose, wenn die SPD versucht, auf neue Milieus zuzugehen. Ich mag auch die meisten SPD-Politiker nicht. Ich könnte mir eine SPD in der Opposition für die nächsten zwei, drei Wahlperioden gut vorstellen, wenn denn die Alternativen nicht gar so unattraktiv wären. Wählen werde ich die SPD aber schon deswegen nicht, weil ich nicht davon überzeugt bin, dass das Versprechen, mit der in meinen Augen ganz und gar unseriösen Linken nicht zu koalieren, besonders lange hält.

Mit den Grünen ist es aus diesem Grunde diesmal leider auch schwierig. Kulturell bin ich im grünen Milieu wahrscheinlich am ehesten daheim. Das grüne Personal irritiert mich relativ gesehen noch am wenigsten. Die Betonung ökologischer Fragen auch unabhängig von Nützlichkeitserwägungen halte ich für ebenso richtig wie die grüne Politik im Umgang mit Minderheiten. Was die Bildungspolitik angeht, halte ich die Grünen (sonderbarerweise - im Programm steht bekanntlich etwas anderes) für vernünftigem Zureden empfänglicher als die insgesamt durchaus etwas bildungsferne SPD. Es kann sein, dass ich nächsten Sonntag wieder bei den Grünen lande. Aber die rot-rot-grüne Option gefällt mir dermaßen gar nicht, dass ich vielleicht, möglicherweise und erstmals bei einer Bundestagswahl zu Hause bleibe. Jedoch ist dies natürlich auch keine Alternative, denn regiert, regiert wird am Ende sowieso, ob nun mit oder ohne meine Stimme.

Doch wie die Regierung auch immer aussehen wird: Ich werde nicht glücklich sein, nächsten Sonntag.



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