Samstag, 10. März 2012

Die Zahnbürste

Okay, haben Sie gedacht und missbilligend die weißen Sprenkel auf meinem Oberteil betrachtet. Kaum ist das Kind da, wird Madame also nachlässig, denn der evolutionäre Auftrag ist ja sozusagen erfüllt. Ganz sicher wird Madame schon Weihnachten die Achtzig-Kilo-Grenze sprengen und sich spätestens nächstes Jahr so eine formlose North-Face-Jacke kaufen, mit denen die ortsansässigen Muttis signalisieren, dass ihre s*exuell aktiven Zeiten der Vergangenheit angehören, und ihr Aussehen ihnen nun fortan egal ist. Es ist also aus mit Madame, haben Sie meine Telephonnummer schon einmal in Gedanken aus ihrem Handyadressbuch gelöscht. Madame gibt es nicht mehr, denn Mutti hat sie gefressen.

Doch so, dies anzumerken ist mir wichtig, verhält es sich nicht. Die weißen Sprenkel stehen in keinerlei Zusammenhang mit dem jüngst angeschafften Kinde F. Die weißen Sprenkel auf meinem Oberteil resultieren vielmehr aus meinem technischen Unvermögen; diesmal zutage getreten anlässlich eines neuen elektrischen Geräts: Einer neuen, weißen, erstmals elektrischen Zahnbürste. Letzte Woche online erworben, heute erstmals benutzt.

Der Hintergrund der Zahnbürstenanschaffung ist ein ernster: Vor drei Wochen bekomme ich ernsthafte Zahnschmerzen. Also so richtig, so schädelzermalmend unangenehm, und gehe am nächsten Tag zum Arzt. Der Arzt - in diesem Fall eine Ärztin - schaut mir in den Mund, macht irgendwelche Untersuchungen, entfernt eine schadhafte Füllung, und dann folgen grauenhafte Stunden, in denen die Ärztin Nerven entfernt, Karies wegbohrt, Wurzelkanäle mit einer Feile reinigt, und das alles entzündungsbedingt mit einer nicht so richtig gut funktionierenden Narkose. Ich habe gelitten.

Nun strebt der Mensch danach, Leiden zu vermeiden. Ich will also nie wieder zum Zahnarzt. Der Weg zur Vermeidung künftiger Zahnarztbesuche aber führt (gerade wenn man so miese Zähne hat wie ich) wohl nur über eine drastisch verbesserte Mundhygiene. Ich habe also Geräte bestellt. Wenige Tage später war die neue Zahnbürste da.

Ich habe bisher keinerlei Erfahrung mit diesen Dingern. Ich habe immer manuell gebürstet. Ich habe mich also mit dem neuen Gerät neugierig und ein wenig unsicher ins Badezimmer gestellt. Ich habe Zahnpasta auf den Bürstenkopf gedrückt. Ich habe den Mund geöffnet. Ich habe die Zahnbürste an meine Vorderzähne gehalten und den "On"-Knopf gedrückt. Erwartungsgemäß begann die Bürste mächtig zu rotieren, und ich schob die Bürste Zahn für Zahn durch meinen Mund.

Gut, auch mir ist aufgefallen, dass der Spiegel immer weißer wurde, aber ich dachte, dass muss so. Ich bin mit der Zahnbürste sogar noch durch die Wohnung gelaufen, und es spritzte weiß aus meinem Mund eigentlich überall hin, wo ich mich gerade aufhielt. Auch dabei dachte ich mir eigentlich nichts. Millionen Menschen nutzen elektrische Zahnbürsten, die Bedienung - so nahm ich an - müsse also einfach und eigentlich selbsterklärend gestaltet sein, und so beendete ich, ohne Verdacht zu schöpfen, irgendwann den Prozess der Zahnreinigung und verließ das Haus. Dabei, sehr verehrter Leser, haben Sie mich vermutlich gesehen.

Ihnen sind die weißen Sprenkel natürlich sofort aufgefallen. Ich allerdings lief selbstvergessen einfach so ein wenig herum, war frühstücken, unterhielt mich ein bißchen, und die sozusagen explodierte Zahnpasta wäre mir nie im Leben aufgefallen, wenn nicht mein Begleiter, der liebenswürdige J., mich auf diese Verunzierung meiner Oberbekleidung aufmerksam gemacht hätte. Zu diesem Zeitpunkt allerdings saß ich in einem Café, wo man schlecht seine Kleidung wechslen kann, denn in aller Regel hat man sonst nichts dabei.

Ich blieb also gesprenkelt. Irgendwann später habe ich mich dann umgezogen. Gleich, wenn ich wiederum die neue Bürste benutze, werde ich, wie man mir empfohlen hat, diesmal den Mund schließen. Und was Ihre Vermutung angeht, ich würde nun binnen kürzester Zeit verkommen:

Ich hoffe nicht. Ich tue mein bestes.



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