Donnerstag, 21. Juni 2012

Knack. Also: KNACK!

Bekanntlich gibt es ja so etwas wie ein kosmisches Gleichgewicht: Wer reich ist, soll nicht auch noch schön sein. Wer Erfolg hat, soll wenigstens Depressionen bekommen. Nicht vergleichbar existentiell, aber irgendwie ähnlich verhält es sich gerade bei mir:

Der Flug nach San Francisco war super. Sogar das Essen bei KLM war okay. Der russische Taxifahrer hat unser Appartement sofort zu einem nachzuvollziehbaren Preis gefunden. Das Appartement ist im Erdgeschoss eines hübschen, viktorianische Häuschens in Pacific Heights inmitten lauter anderer hübscher, ebnso reich verzierter viktorianischer Häuser belegen, klein und hübsch, geschmackvoll pistaziengrün gestrichen, eingerichtet mit einer charmanten Mischung aus alten, sehr gepflegten Möbeln, ein wenig IKEA, sparsam dekoriert mit ein paar Orchideen und Blechspielzeug, und die Küche ist komplett. Das WLAN funktioniert auch. Das Bett ist nicht zu weich, der Garten nett angelegt mit Tischen und Stühlen in der Morgensonne, und wenn man die Straße abwärts läuft kommt man über die Fillmore Street und vorbei an Chinatown direkt ans Meer. Das ist perfekt. Das war zuviel. Das konnte nicht so bleiben, denn das kosmische Gleichgewicht ... Sie wissen schon.

Ich sitze also in diesem perfekten Setting morgens am Tisch, esse griechischen Joghurt mit Mango, bestreiche mir ein Sourdough Brot mit Hummus, schneide mir eine Scheibe TRüffelkäse ab, und dann macht es: Knack. Also besser so: KNACK. Mit mindestens 36 pt.

Entgegen erster Annahmen ist das kein Erdbeben. Auch mein Schädel ist noch ganz. Außer mir hat auch keiner dieses entsetzliche Geräusch gehört, wie ein Blick auf den J. und den F. zeigt, die beide vergnügt und ruhig herumsitzen bzw. -liegen, als habe es das grässliche Geräusch nie gegeben. Gleichzeitig wird es warm und salzig in meinem Mund. Ich fühle vosichtig nach: Hier ist etwas gebrochen. Der Zahn ist durch. Nach mehrfacher, monatelanger Wurzelbehandlung. Der Zahn ist mitten durchgebrochen.

Zwei Stunden später immerhin sitze ich beim Arzt. Der Arzt sitzt in einem Bungalow auf dem Dach eines Einkaufszentrums. Der Arzt erweist sich letztlich als eine Ärztin, eine Russin mit rrrollendem Rrrr, die mir verkündet, der Zahn sei brrroken, er müsse extrrracted werden, denn für eine Rettung des Zahns sei nicht mehr genug Zahnsubstanz da. Ich könne das mit einer provisorischen Füllung überbrücken lassen und in Berrrrlin meinen Zahnarzt aufsuchen. Oder sie reiße mir den Zahn an Ort und Stelle raus.

Ich habe genug. Ich nicke. Ich verlasse den Bungalow auf dem Einkaufscenter eine Stunde später also wieder ohne Zahn und wanke nach Hause.

Zwie Stunden später scheint der Kosmos zufrieden zu sein. Alles ist wieder im Gleichgewicht und schaukelt fröhlich durch den Tag. Die Backe ist nicht geschwollen, es schmerzt nichts, nur das Kauen ist ein bißchen schwierig, und so bestelle ich einen langen, langen Fußmarsch die Bush Street herunter, die Fillmore Street abwärts und die dann quer durch Chinatown in einem Restaurant statt der ersehnten Ente ein auch sehr, sehr gutes Mapo Tofu und eine Eierblumensuppe, esse auch in der Bakery, in der wir später sitzen, kein Gebäck, und betaste erst abends mit der Zunge vorsichtig die Stelle, wo der Zahn saß. Ein bißchen empfindlich, aber nicht schmerzhaft. Der Kosmos war gnädig.

Der Tag war es wert.



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