Melancholie Modeste
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Modeste
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2013-04-06T13:40:39Z
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2000-01-01T00:00:00Z
Melancholie Modeste
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Umzug
http://modeste.twoday.net/stories/umzug/
<p align="justify">So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen. <strike>Eine letzte Zigarette.</strike> Ein letzter Blick zurück. <br />
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Eingezogen bin ich hier im Herbst 2004. Ich hatte vorher für einige Wochen woanders ein Blog, das ich nicht einmal mehr finde. Die Frau Fragmente und die Frau Schnatterliese hatten mich hergelockt. Die hatte ich, meine ich zumindest, auf der Lesung des ersten Blogbuches in der Volksbühne kennengelernt.<br />
<br />
In den Jahren drauf waren Blogs ziemlich wichtig für mich. Ich habe viel geschrieben, noch mehr gelesen, ich habe mit der fabelhaften Frau Wortschnittchen Lesungen ausgerichtet. Ich habe auf diesen Lesungen und auch einfach so viele, viele reizende und auch ein paar ziemlich blöde Leute kennengelernt und eine ganze Reihe Freundschaften geschlossen. Dass ich außer ein paar alten Schulfreunden nicht nur Juristen kenne, liegt maßgeblich an Blogs. <br />
<br />
Irgendwann wurde das Blog dann ein bißchen weniger zentral. Das liegt im Wesentlichen an meinem Job. Ich habe einige Jahre nie weniger als 60 Stunden die Woche geackert. So viel ist es heute nicht mehr, aber die gewonnene Zeit fließt direkt zum F., der ja auch irgendwann mit seiner Mutter Ball spielen will, vorgelesen bekommt und Kuchen essen möchte. <br />
<br />
Aufgeben wollte ich das Blog trotzdem nicht. Ich werde, glaube ich, immer schreiben. Mal etwas mehr, mal etwas weniger. Künftig geht es aber nicht mehr hier weiter, denn auch mir hat die <a href="http://kittykoma.de/">großartige Frau Kitty</a> beim Umzug geholfen. <br />
<br />
<a href="http://modeste.me/">Ich wohne jetzt hier.</a></p>
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2013-04-06T13:19:00Z
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Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten
http://modeste.twoday.net/stories/allen-gewalten-zum-trotz-sich-erhalten/
<p align="justify">Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort. Oder ein Lamm bestellt. Aber wir grillen seit zehn Jahren bei der I. und dem S., und wir werden nicht einfach damit aufhören, nur weil hier die Eiszeit ausbricht. Wir treffen also frierend wie die Schneider um kurz vor zwölf im Grunewald ein, und dann wird gegrillt. Dieses Jahr hat der M. eingekauft: Es gibt Merguez, Salsiccia, Lammfilet und Bisonsteaks, die ein bißchen wild, aber eigentlich eher zäh schmecken. Dazu essen wir Salate, Brot und Hummus. <br />
<br />
Das Grillen ist dann eine eher mühsame Angelegenheit. Unter Verweis auf den F. ("darf nicht frieren") bleibe ich im Wohnzimmer und schaue durch die Terrassentür den Grillenden zu, die sehr, sehr lange versuchen, die Kohle zu entzünden, und dann mit Föhn und Zeitungspapier vor den gräulichen, harten Schneeresten im Garten versuchen, den Grill endlich anzuzünden. Irgendwann klappt es dann. Wenig später gibt es Fleisch. <br />
<br />
Ich esse, als hätte ich heute noch nichts gegessen. Das fällt mir nicht schwer. Ich <i>habe </i>nämlich heute noch nichts gegessen, weil ich ein wenig verschlafen habe, und so stopfen der F. und ich ganz schnell sehr viel Grillgut und noch mehr Nudelsalat in uns herein. "Mamm!", schreit der F., wenn es ihm nicht schnell genug geht, und weil der das ziemlich oft macht, bekomme ich nicht so viel, wie ich eigentlich wollte. <br />
<br />
Beim Nachtisch wird die Lage dann langsam prekär. "Mamm! Mammmm!", fordert der F. energisch noch mehr Vanillepudding und mindestens 2/3 meines Carrot Cake. Ich vertage den eigenen Kuchenverzehr auf später, ermuntere alle noch einmal, den gestern abend gebackenen Carrot Cake zu probieren und trinke schnell zwei Glas Sekt. Den zumindest muss ich nicht mit dem F. teilen. <br />
<br />
Doch auch später sieht es schlecht mit dem Kuchen. Immer, wenn ich mich der Küche nähere, erspäht mich der F. "Mamm!", streckt er mir beide Hände entgegen. Ich werde später essen, wenn der F. schläft, beschließe ich, und irgendwann brechen wir auf. Ich habe keinen Kuchen gegessen. <br />
<br />
In der Tasche über der Schulter des J. immerhin tragen wir zwei Stück Carrot Cake wieder nach Hause. Das eine wird der J. morgen früh essen, bevor der F. und ich aufgestanden sind. Das zweite Stück esse ich einige Stunden später, den Rücken dem F. zugekehrt und simulierend, ich sei taub, und hörte hinter mir niemanden brüllen: "Mamm! MAMM!"<br />
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<img title="" height="300" alt="DSCN0836" width="400" src="http://static.twoday.net/modeste/images/DSCN0836.jpg" /><br />
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<i>(400 gr. geraspelte Möhren, 350 gr. Zucker, 180 gr. Mehl (550), 100 gr. Haferflocken, 1 Tasse Öl, 4 Eier, 1/2 TL Salz, 2 TL Natron, 1/2 TL Zimt, 1/2 TL gemahlener, getrockneter Ingwer, Schale von 1/2 Orange, 1/4 TL geriebene Muskatnuß<br />
<br />
Alles verrühren und 60 min bei 175° C. Auskühlen lassen, halbieren und füllen und ummanteln mit einem Frosting aus<br />
<br />
200 gr. Frischkäse, 25 gr. Palmin, 1 Pck. Vanillezucker, 2 EL Butter und ca. 150 gr. Staubzucker.)</i></p>
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Über Essen
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2013-04-01T20:08:00Z
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Osmans Töchter
http://modeste.twoday.net/stories/osmans-toechter/
<p align="justify">Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald Juhnke, und wie ganz Westberlin stecken auch die Westberliner Türken in einer Art Zeitblase, in der die Achtziger Jahre einfach nicht vergehen wollen. Da in diesem immerwährenden Jahr 1985 die Mauer natürlich noch steht, ziehen die Berliner Türken so gut wie nie in den Osten. Im Prenzlberg gibt es deswegen, meine ich, weniger Türken als in Nordfriesland oder auf dem Mond. Das merkt man dann auch an der Gastronomie. <br />
<br />
Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt schon ein türkisches Restaurant im Prenzlberg gab. Das nächstgelegene mir bekannte Gasthaus war das <i>Hasir</i> am Hackeschen Markt. Doch selbst wenn es schon ein türkisches Restaurant oberhalb der Dönergrenze gegeben haben sollte, dann sah das vermutlich so aus, wie diese Läden, in denen man in Kreuzberg gut isst und schlecht sitzt, also so eine Kulisse aus Teppichen, Kupferkannen, Wasserpfeifen, das Ganze untermalt wahlweise mit türkischem Pop oder leierndem Ethnokitsch. 1985 - wir kommen zurück auf die Westberliner Blase - fand man das für die sog. <i>Spezialitätenrestaurants </i>nämlich gut und richtig.<br />
<br />
Bei <i>Osmans Töchtern</i> in der Pappelallee dagegen ist es schön. Betonböden und unverputzte Mauern, Lampen aus Schraubgläser und schlichte Tische und Stühle wirken nüchtern, eine sehr zurückgenommene Eleganz, die von ganz, ganz wenigen orientalisierenden Stilelementen aufgenommen wird. Man sitzt ein wenig eng, aber angenehm. Das finden andere anscheinend auch: Um sieben ist jeder Tisch besetzt. Ohne Reservierung geht hier, schätze ich mal, nichts. <br />
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<img title="" height="400" alt="DSCN0801" width="267" src="http://static.twoday.net/modeste/images/DSCN0801.jpg" /><br />
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Der Service ist schnell, herzlich und freundlich. Es erscheinen ein ordentlicher Viognier für mich und Efes für den J., und statt der ursprünglich gewählten gemischten Vorspeisen - für zwei zu viel, aber weniger gebe es nicht, sagt man uns - kommen ein Bulgursalat und gehackte, gut gewürzte Auberginen. Es ist jetzt nicht so, dass diese Vorspeisen eine noch nie dagewesene kulinarische Offenbarung bedeuten würden. Es schmeckt sehr gut, aber nicht anders als bei anderen türkischen Restaurants oder letztes Jahr im Urlaub. Dem F. immerhin scheint es großartig zu munden, er stopft sich den ganzen Brotkorb nach und nach in den Rachen, und zeigt immer wieder auf das Auberginengericht. Okay, Kleiner, denke ich, und löffele ihm das Zeug in den Mund. Der F. liebt scharfes Essen und außerdem liebt er Knoblauch.<br />
<br />
Als die Hauptgerichte kommen, beneide ich den J. kurz um sein Essen. Er isst Hackfleischbällchen auf kleinen Brotstücken, die unter einer dicken Schicht gewürztem Joghurt verschwinden. Es sieht sehr, sehr gut aus und riecht auch phantastisch. Viel besser, finde ich, als mein gegrillter Lachs mit auf den Punkt gegartem Gemüse und Ofenkartoffeln, woran es rein gar nichts auszusetzen gibt, aber sehr türkisch mutet das Gericht nicht an. Mein Fehler: Ich hätte die Dorade nehmen sollen. <br />
<br />
Dass der Teller des J. besser aussieht, findet auch der F. und weist meinen Lachs mit zusammengekniffenem Mund und heftigem Kopfschütteln zurück. Wieder und wieder zeigt er auf das Essen vom J. und bekommt reichlich Stücke von Fleisch, Brot und Joghurt in den Mund geschoben. Im Ergebnis haben der J. und der F. dann beide etwas weniger gegessen, als beiden lieb wäre. Eine Kinderkarte wäre hier schön oder zumindest ein Ausweichgericht wie Nudeln mit Sauce oder so, wie es bei den meisten Italienern auf der Karte steht. Beim nächsten Besuch würde ich dem F. auch ein Hauptgericht bestellen, allerdings erscheinen mir die Hauptgerichte von 15 € an aufwärts alle etwas zu teuer für eine Person, der Nudeln mit Käse völlig reichen. <br />
<br />
Am Ende entscheiden der J. und ich uns dann doch gegen ein Dessert. Wir haben genug Süßes gegessen, versichern wir uns gegenseitig und verweisen auf die folgenden Feiertage. Wir zahlen dann so circa € 65, meine ich, und laufen langsam zurück, durch den tauenden Schnee, vorbei an der Kulturbrauerei, vorbei am November, vorbei an Anna Blume, und im Wagen liegt der F. und schläft und träumt, tja, vermutlich von Nudeln mit Sauce. Mir aber hat's gefallen.<br />
<i><br />
Osmans Töchter<br />
Pappelallee 14 (neben dem Ballhaus Ost)<br />
10437 Berlin</i></p>
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Über Essen
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2013-03-30T14:30:00Z
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Der Turbomuffin
http://modeste.twoday.net/stories/der-turbomuffin/
<p align="justify">Wenn man den Berliner Milieuschutzfreunden glaubt, war ja früher alles besser, als die Semmel noch Schrippe hieß, und man für 60 qm 100 Reichsmark zahlte. Wir aber wissen: Das ist alles gar nicht wahr. <br />
<br />
In Wirklichkeit - ich war dabei - waren die Bewohner Prenzlbergs keineswegs schöne und fröhliche Menschen, sondern in erheblichen Teilen ziemlich graue Gestalten, die vor den Spätkäufen der Stadt grimmig Dosenbier tranken. Die Häuser waren grau und rochen komisch, und in ganz Ostberlin gab es keine vernünftige Pâtisserie. Die Parties waren gut, das Bier kostete 2 Mark, aber wer vernünftigen Kuchen wollte, fuhr entweder in den Westen oder kaufte den guten, aber nicht sensationellen Kuchen bei <i>Sowohlalsauch</i>.<br />
<br />
Das immerhin hat sich geändert. Allein im Bötzowkiez gibt es vier vernünftige Möglichkeiten des Kuchenkaufs. Die Chance, in einem Privathaushalt ordentlichen Kuchen vorgesetzt zu bekommen, ist damit eigentlich ziemlich gut, doch wenn aus den alten, schlechten Zeiten noch irgendetwas übrig geblieben ist, dann das: Man bekommt in Privathaushalten so gut wie nie Selbstgebackenes. Ich liebe aber hausgebackenen Kuchen.<br />
<br />
Nun ist es ja mehr als verständlich, dass niemand mehr Zeit hat für eine abendfüllende Schwarzwälder Kirsch oder Bienenstich. Aber ein schneller Gugelhupf? Ein Streuselkuchen? Und wenn es für alles nicht mehr reicht, wenn der Besuch schon quasi vor der Tür steht, wenn kaum mehr was im Haus ist, und niemand Lust hat, noch einzukaufen, dann gehen doch immer noch Muffins. Und zwar die schnellsten Muffins der Welt:<br />
<br />
<img title="" height="300" alt="DSCN0805" width="400" src="http://static.twoday.net/modeste/images/DSCN0805.jpg" /><br />
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<i>(200 ml Schlagsahne, 150 gr. Zucker, 1 Pck. Vanillezucker, 3 Eier, 200 gr. Mehl, 1 EL. Maisstärke, 1. Pck. Backpulver, Zitronenschale und Saft von 1/2 Zitrone<br />
<br />
Alles verrühren, in Muffinförmchen füllen und bei 175° C 25 min. backen. Anschließend mit Zuckerguß von der übrigen 1/2 Zitrone überziehen und verzieren)</i></p>
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Über Essen
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2013-03-29T19:58:00Z
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Ich ist ein anderer
http://modeste.twoday.net/stories/ich-ist-ein-anderer/
<p align="justify">Keine Ahnung, sage ich. Reichlich langweilig hier. Ich erlebe ja nichts, weil ich zu erkältet bin, um irgendwo hinzugehen. Ich sitze hier einfach nur herum, lese ein bißchen, schaue gelegentlich einen Film oder eine neue Folge <i>West Wing</i>, und spreche mit und über mein Kind. Das ist ziemlich eintönig, fürchte ich. <br />
<br />
Auf der anderen Seite: In anderen Blogs ist im engeren Sinne auch nichts los, und die liest ja auch wer. Foodblogs zum Beispiel. Finde ich toll. Ich koche kaum was nach, zugegeben. Aber ich schwelge immer in diesen Sachen, ich male mir aus, auch mal so was mehr Modernes und Gutaussehendes zuzubereiten. Außerdem finde ich es gut, wenn Leute auswärts essen und darüber schreiben. <br />
<br />
Elternblogs sind auch so ein Phänomen. Zwar rangiert das Ansehen des klassischen Muttiblogs noch deutlich unterhalb des Blogs von Leuten, die stricken. Auf der anderen Seite: Die Spitzen des Genres, die sind schon sehr, sehr super. Ich bin den Buddenbohmschen Kindern beispielsweise noch nie begegnet, aber sie sind mir seit mehreren Jahren überaus sympathisch. <br />
<br />
Warum, frage ich mich, ist das eigentlich nichts für mich? Okay, meine Performance als Mutter und als Köchin ist vielleicht jeweils nicht so beispielgebend, dass man unbedingt drüber schreiben müsste. Auf der anderen Seite: Meine Performance als Normalberlinerin in den letzten Jahren war auch nicht so großartig, dass es zwingend notgetan hätte, sie auszustellen. Habe ich trotzdem gemacht und war lustig. <br />
<br />
Insofern, meine Damen und Herren, mein Vorsatz steht fest: Von heute bis nächsten Freitag bin ich Foodbloggerin. Und die Woche drauf mache ich eine Woche Muttiblog. Mal sehen, wie sich das anfühlt.</p>
Modeste
Copyright © 2013 Modeste
2013-03-29T16:16:00Z
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Traumdeutung
http://modeste.twoday.net/stories/traumdeutung/
<p align="justify">In Fachbüchern träumen die Leute ja immer so etwas ganz Bedeutungsvolles. Wenn man ein hinreichend altes Buch nimmt, aus der Zeit, als man über derlei Dinge noch nicht sprach, geht es zum Beispiel immer um untenrum. Heute ist das natürlich anders, da spricht jeder über Genitalien, und niemand träumt mehr davon. Heute träumen die Leute nachts dafür vermutlich vom Büro. Ich nehme an, es gibt eine ausgefeilte Traumsymbolik, in der alles Mögliche, was man gemeinhin eher der nicht so beruflichen Sphäre zuordnet, dann doch irgendwas Professionelles meint, ähnlich wie früher Schornsteine oder Muscheln - na, Sie wissen schon. <br />
<br />
Wer allerdings in seinem Berufsleben nichts zu verdrängen hat wie ich, träumt nachts weder verhüllt noch offen von langweiligen Meetings, menschenfresserischen Vorgesetzten, beschämenden Niederlagen oder beseligenden Siegen. In meinem Privatleben gibt es ebenfalls nichts, was im Traum aufgearbeitet werden müsste. Als verheiratete Kleinkindmutter mit einem Job, der definitiv mehr als 40 Wochenstunden erfordert, habe ich nämlich kein im engeren Sinne ernstzunehmendes Privatleben mehr. Meine Vergangenheit ist umfassend aufgearbeitet. Sie, liebe Leser, sind ja seit Jahren dabei.<br />
<br />
Nun muss der Mensch nachts aber träumen. Das gehört irgendwie dazu, und man kann dem Unterbewusstsein schließlich nicht einfach sagen, es möge seine Sachen packen und gehen. Letzte Nacht also lag ich in tiefem Schlummer. Der F. schlief, meine Erkältung war schon mal schlimmer, es störte entsprechend eigentlich nichts, und das Unterbewusstsein legte los. Gern hätte mein Unterbewusstsein irgendetwas Spannendes produziert, aber auf einer Glatze kann auch ein gut trainiertes Unterbewusstsein keine Locken drehen, und so träumte mir schließlich, ich liefe die Bötzowstraße entlang, ich ginge ins Kino, ich säße dort neben dem J. und ich sah nach divers belangloser Reklame leicht gelangweilt im halbleeren Kino: Solaris. <br />
<br />
Dann ging ich nach Hause und wachte auf.</p>
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Über Träume
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2013-03-24T20:04:00Z
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Erkältet
http://modeste.twoday.net/stories/erkaeltet/
<p align="justify">"Nee.", sage ich. Ich hab' mich nicht in Luft aufgelöst, nur weil ich nichts schreibe, keinen anrufe und nirgendwo auftauche. Ich bin einfach nur erkältet, und zwar so richtig erkältet, so, dass man mit Anstand eigentlich nirgendwo hingehen kann, also so brechhustenerkältet, so reibeisenheisererkältet, so erkältet, dass ich mir einen erkältungsfreien Zustand schon gar nicht mehr vorstellen kann. <br />
<br />
Gelegentlich lehne ich mich gegen die Erkältung auf. Dann fahre ich ein Wochenende an die Ostsee. Oder ich koche einen Riesentopf Hühnersuppe mit Eierstich, Zitronenschale, Grießklößchen und haufenweise Gemüse. Oder ich bleibe mal einen Sonntag im Bett. Leider nützt das alles nichts. Ich huste einfach weiter, ich huste mir die Seele aus dem Leib, und wenn es nicht endlich Sommer wird, dann, ja dann: Dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Vielleicht wandere ich dann einfach aus.</p>
Modeste
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2013-03-20T20:28:00Z
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Schneeköniging
http://modeste.twoday.net/stories/schneekoeniging/
<p align="justify">Irgendwann morgens um vier aber wache ich auf und kann nicht mehr schlafen. Ein dicker Brocken lag in meinem Traum herum, grau, grob und zerklüftet, an dem hab' mir die Füße wund gestoßen und bin aufgewacht dabei, und nun liege ich in meinem Bett, das heute nacht nicht mein Bett ist, sondern ein Hotelbett, weiß bezogen und so breit, wie ich es zu Hause auch gern hätte und nicht hab'. Gedämpft durch Fenster und Vorhänge rauscht draußen die Ostsee. <br />
<br />
Neben mir liegt mein Kind, der F., schläft und verzieht das Gesicht, als wüsste er, dass nicht alles Grün und Gold ist hinter den Fensterscheiben, und klammert sich noch etwas fester an meinen Arm, weil die Schneekönigin zurückgekehrt ist, diese Nacht, und lauert eiskalt im Schatten der Mauern, im dichten Geäst, und dort, wo die Gischt sich bricht und es weiß wird im nächtlichen Wasser. <br />
<br />
Schlaf weiter, mein Prinz, flüstere ich dem F. ins Ohr und streiche ihm sanft die Wangen. Morgen wird ein schönerer Tag als heute, und heute ist es besser als gestern. Übermorgen weht es die Schneekönigin fort, heim hinters Meer, und unter dem Eis blühen heimlich schon Märzbecher und Narzissen, der Goldregen streckt seine Arme aus, die Kirschen greifen nach den Wölkchen und der Sommer packt seinen Rucksack ein, voll Eis am Stiel und beschlagenen Gläsern im Prater, voll Fledermäusen und Schwalben, voll rauchender Grills im Volkspark, Geräuschen von Flip-Flops, Radfahren im Rock, Bikinis, Schwimmen im See und reich an Früchten und Blüten.</p>
Modeste
Copyright © 2013 Modeste
2013-03-12T19:39:00Z
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Vorbei
http://modeste.twoday.net/stories/vorbei/
<p align="justify">Wir sahen alle schon mal besser aus, schaue ich in Gedanken noch einmal in die Runde von gestern. Diese glatte Marzipanhaut hat niemand mehr am Tisch. So langsam verändern sich auch die Haare, und auch unter der Haut tut sich etwas. Nasen werden knolliger, Augen kleiner, die Haut sitzt nicht mehr so straff auf den Knochen, und nackt würde sich wohl niemand mehr gern jemandem zeigen, der einen nicht schon kennt. <br />
<br />
Ab jetzt geht es nur noch abwärts, sinkt mir ein bißchen das Herz. Ich war ja nie schön, vielleicht so gerade eben und an guten Tagen ein nettes Mädchen eben, aber selbst dies zu verlieren, <a href="http://wortschnittchen.blogger.de/stories/2208366/">nicht mehr gesehen zu werden</a>, einfach nur noch so da, totes Fleisch, das wird mich doch nicht wenig schmerzen<br />
<br />
Du wärst gern schön gewesen, seufze ich mir zu, aber dann stehe ich doch auf, koche mir Kaffee, streichle den F. wach und hole ihn aus seinem Bett, und schaue nur noch flüchtig in dem Spiegel im Flur. Vorbei ist vorbei.</p>
Modeste
Copyright © 2013 Modeste
2013-03-03T13:12:00Z
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Sturmtruppen der Reaktion
http://modeste.twoday.net/stories/sturmtruppen-der-reaktion/
<p align="justify">Im gesamten ersten Lebensjahr hatte der F. nichts. Also so gar nichts. Noch nicht einmal einen Schnupfen, Durchfall oder Koliken oder so. Wir verließen das Krankenhaus vielmehr nach ein paar Tagen mit einem selig schlummernden F. und hatten fortan nur noch anlässlich der vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen mit dem Gesundheitswesen zu tun. Da erschienen der J. oder ich dann also jeweils mit unserem Sohn auf dem Arm beim Arzt, ließen uns bestätigen, dass mit jenem alles stimmt, und dann gingen wir wieder nach Hause. <br />
<br />
Mit der Kita änderte sich das auf einen Schlag. Anfang Januar brachten wir den F. in diese an sich segensreiche Gruppeneinrichtung. Zwei Wochen später war er eingewöhnt, hatte sich also damit abgefunden, fortan seine Tage mit den Kindergartentanten und den anderen Kleinkindern der Gruppe zu verbringen, und nach circa zehn weiteren Tagen fing er an zu schniefen. Seitdem ist eigentlich immer irgendwas. Derzeit hustet der F. dermaßen gottserbärmlich, dass ich ernsthaft überlege, künftig mit Ohropax zu schlafen. Außerdem laufen ihm pro Stunde mehrere Deziliter Sekret aus der Nase. Die Bindehautentzündung von letzter Woche ist zum Glück gerade wieder weg.<br />
<br />
Nun könnte man das alles unter "Abhärtung" verbuchen. Der Mensch ist vielleicht einfach so gestrickt, dass er das Stahlbad der Infektionskatjuschas als Kleinkind erst einmal braucht, um dann um so gestärkter den Herausforderungen des Lebens entgegentreten zu können. Was aber unter dieser Prämisse keinen wirklichen Sinn ergibt: Der J. und ich schniefen auch. Wir husten alle beide den ganzen Tag wie alte Hunde. Der J. hatte sogar letzte Woche richtig Fieber und Schüttelfrost. Dabei brauchen wir doch gar keine Abhärtung mehr. Wir sind nämlich alle beide den normalen Keimen eines Berliner Alltags durchaus gewachsen, wie die letzten Jahrzehnte zeigen, die wir ja auch irgendwie überlebt haben. <br />
<br />
Hier sitzen wir nun also leicht geschwächt auf dem Sofa und rätseln über den evolutionären Sinn dieser Dauererkältung. Handelt es sich - so mutmaßen wir - vielleicht um eine Maßnahme, mit der ER, der große Beweger, verhindern will, dass Schwächlinge mit einem degenerierten Immunsystem ihr erstes Kind überleben und gar weitere Kinder zeugen, die dann auch alle so eine schlechte Immunabwehr haben wie ihre Eltern? Oder benötigt der Körper eine Auffrischung des als Kleinkind erworbenen Immunschutzes alle paar Jahrzehnte, und weil wir bis gegen Ende unseres vierten Lebensjahrzehnts mit dem Kinderkriegen gewartet haben, fällt diese Reimmuniesierung jetzt einfach mal ganz besonders heftig aus? Oder handelt es sich schlicht um ein Komplott, eine Verschwörung, eine biologische Bombe, mit der interessierte Kreise Eltern subtil bestrafen wollen, die ihre Kinder nicht mindestens bis zur Einschulung zu Hause behalten, eine Art Komplementärmaßnahme zum Betreuungsgeld also, die einerseits unsereinen dazu bringen soll, den F. aus der Kita zu nehmen, andererseits andere Leute, die uns kennen, abschrecken soll, eine Fremdbetreuung in Anspruch zu nehmen? <br />
<br />
Mehr und mehr leuchtet mir die letztgenannte Alternative ein, und so bleibt mir nur noch zu fragen: Wer genau war der Übeltäter, und wie legt man jenem das Handwerk?</p>
Modeste
Familienalbum
Copyright © 2013 Modeste
2013-02-24T20:39:00Z
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Samstagnacht
http://modeste.twoday.net/stories/samstagnacht/
<p align="justify">Der Taxifahrer ist muffig. Schweigend fährt er uns von der Greifswalder Straße nach Mitte, und als wir Ecke Chaussestraße aussteigen, bin ich fast froh, nicht mehr in der Enttäuschung zu sitzen, dass der ältere Mann für zehn Euro zu uns gekommen ist, und strecke meine Glieder. Dick, weiß und fröhlich wirbelt der Schnee über die Torstraße und glitzert im Licht der Laternen. <br />
<br />
Im <i>Toca Rouge</i> sitzen wir direkt an der Tür. Kalt ist es ab und zu, und voll, richtig voll, wie die ganze Stadt voll ist am ersten Berlinale Wochenende, und ich erzähle dem J. von dem russischen Wettbewerbsfilm, den ich am Nachmittag gesehen habe, und von der Hauptdarstellerin, die so russisch aussah wie die Mädchen, die nachts in der <i>bar tausend</i> tanzen. <br />
<br />
"Ich will in den Pauly Saal!", ziehe ich den J. nach dem Essen in die Auguststraße, und da stehen wir dann, unsere Drinks in der Hand. "Keine schönen Menschen, heute.", meint der J., und kurz überlege ich, ob wir noch in die <i>King Size Bar </i>müssen oder doch noch ins <i>Grosz</i>, schaue zu, wie das Licht sich im geschliffenen Glas der Tumbler bricht, erzähle irgendwas und lasse mir erzählen und freue mich auf den griechischen Film am Sonntag, den Abend mit der lustigen T. nächsten Donnerstag, das Essen im <i>Grill Royal </i>am letzten Berlinale Abend und stelle mir vor, wie wir aussehen, wenn man uns nicht kennt, von den Sofas, von der Bar und einfach so auf der Straße.</p>
Modeste
Über Nichts
Copyright © 2013 Modeste
2013-02-10T20:51:00Z
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Woanders. Nicht hier.
http://modeste.twoday.net/stories/woanders-nicht-hier/
<p align="justify">Gelangweilt in <i>Dierckes Schulatlas</i> herumzublättern, während vorn an der Tafel Herr F. monoton etwas über Landwirtschaft in der UdSSR schwadroniert. In Russland, höre ich, hungern die Leute, aber die Karten sind so bunt, so bunt, erzählen von Erzvorkommen und Bergen, Meeren, und wenn man nicht ganz genau hinsieht, kann man Scheiche sehe und Oasen, singende Frauen mit Krügen auf dem Kopf und melancholische, alte Indianer. <br />
<br />
Wie schön das klang: Odessa. Luxor. Ätna, Bergamo. Eriwan und Dehli. So viele Geschichten staken in den kleinen, runden Punkten. Keine der Geschichten aber kannte der Herr F., und die Karten selbst hatten noch nichts zu erzählen, damals, als es das Internet noch gar nicht gab, irgendwann so ungefähr 1985. <br />
<br />
Inzwischen ist das anders, denn zu den großartigen Dingen, die das Internet kann, gehört, dass man das machen kann: Die Frau Kitty hat eine Riesekarte eingerichtet voller Geschichten. Ich bin begeistert, befülle (gerade habe ich 2006 durchforscht und hochgeladen) und bewerbe: <a href="http://stories-and-places.com/">Hier ist es. Machen Sie mit. </a></p>
Modeste
Copyright © 2013 Modeste
2013-02-04T21:45:00Z
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So gern geraucht
http://modeste.twoday.net/stories/235550098/
<p align="justify">Die letzte Zigarette ... warten Sie: Es muss im Sommer 2011 gewesen sein. Ich saß auf dem Helmholtzplatz, vor dem <i>Vin Pearl</i>, wo man wirklich ganz gut essen kann, und trank irgendwas mit Hibiskus und Wodka. Mir gegenüber saß der U. und sprach mehrere Stunden über seinen Beruf.<br />
<br />
Es war schon ziemlich spät. Der Himmel hing schwer, warm und feucht in die Bäume. Die Erde dampfte. An den anderen Tischen saßen ein paar Paare, zwei Mädchen zeigten sich gegenseitig Bilder auf ihren Handys, und ich dachte darüber nach, was eigentlich aus den Bettlern geworden ist, die früher immer hier waren und dann irgendwann nicht mehr. <br />
<br />
Irgendwann brach ich auf. Der U. sprach immer noch, als ich aufstand, er sprach, als ich mein Rad aufschloss, und als er 50 Euro auf den Tisch warf, sprach er gleichfalls einfach weiter. <br />
<br />
"Hast du noch eine Zigarette für mich?", unterbrach ich ihn, und er nickte. Der U. rauchte eigentlich nicht, nur ab und zu und sozusagen inoffiziell, und dass er trotzdem immer Zigaretten dabei hatte, lag vermutlich an seiner Abneigung daran, irgendwelche Leute um etwas zu bitten. Mir kam das entgegen. Ich rauchte schon damals eigentlich auch nicht mehr. <br />
<br />
Ich glaube, er war schon wieder bei seinem Job, als er in seiner Tasche nach einem zerknüllten Päckchen P&S suchte, eine einzelne Zigarette aus dem zerknautschten Papier fingerte, sie sich zwischen die Lippen steckte, anzündete und ein-, zweimal langsam zog. Für vielleicht zehn Sekunden war es still. "Danke.", sagte ich, drehte mich weg und schob mein Rad langsam die Dunckerstraße abwärts Richtung Norden. <br />
<br />
Zwei Tage später wusste ich vom F. und saß überwältigt und benommen auf einer Hochzeit in Sachsen-Anhalt. Natürlich rauchte ich nicht. Auch als der F. dann da war, rauchte ich nicht eine einzige Zigarette. Ich bin Nichtraucherin, sage ich inzwischen ohne die Einschränkungen, mit denen ich früher meine späteren Niederlagen garnierte, doch gestern nacht, gestern nacht in der Küche der <a href="http://kittykoma.de">Frau Kitty</a>, angelehnt an die Küchenzeile und im Gespräch mit dem gloriosen Monsieur <a href="http://glamourdick.twoday.net">Glamourdick</a>, da war ich so nah dran: Fast schon die Rechte ausgestreckt, fast schon die Lippen geöffnet, fast schon die Lunge voll mit trägem, weißen Rauch, und dann doch. Doch nicht. Doch so nah dran. </p>
Modeste
Copyright © 2013 Modeste
2013-02-03T12:44:00Z
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Sekt
http://modeste.twoday.net/stories/sekt/
<p align="justify">"Sucht Euch was aus.", stellt der M. drei Flaschen vor uns auf. <i>Schloss Wackerbarth</i> lese ich auf der ersten, <i>Mumm</i> auf der zweiten, und den Namen der dritten Flasche habe ich vergessen. Jedenfalls war es Champagner. Champagner unterschreitet - so meine Erfahrung - nie ein trinkbares Niveau und versetzt mich eigentlich immer auf der Stelle in richtig gute Laune. Ich möchte deswegen eigentlich sehr gern von der dritten Flasche trinken, aber irgendetwas hält mich zurück. <br />
<br />
"Sei doch nicht so spießig.", zische ich mir zu, aber das hilft gar nichts. "Man trinkt doch nicht einfach so Champagner!", zischt es nämlich zurück, und dann sehe ich sie in meinen Augenwinkeln auf dem Sofa sitzen: Die weißen Haare akkurat frisiert und mit sehr viel Haarspray fixiert. Ein hellblaues Twinset mit goldfarbenen, runden Knöpfchen daran. In den Händen Strickzeug oder einen Stickrahmen oder auch nur einfach die Zeitung, sitzt meine Großmutter auf dem rosengeblümten Sofa der M. und des M., und schaut mich stirnrunzelnd an. <br />
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"Wir brauchen einen Anlass!", höre ich mich folgsam sagen, und neben mir nickt die I. Die hatte bestimmt auch eine Oma, die Champagner nicht anlasslos trank, bin ich überzeugt, und auch der M. wundert sich rein gar nicht. "Dann trinken wir eben auf die S.!", geht er auf meine innere Großmutter ein, deutet auf sein frisch geborenes Baby, und wir nicken begeistert. Ein Neugeborenes ist ein richtig guter Anlass, der auch meine Oma voll und ganz überzeugt hätte, und so füllt der M. die Gläser.<br />
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Ob es, überlege ich, solche Damen eigentlich noch gibt? In deren Kopf es eine wohlgeordnete Rangfolge gibt, zu welchen Anlässen Champagner getrunken werden darf? Die ganz genau wissen, dass zu einem 70. Geburtstag Champagner gereicht werden darf, zu einem 68. aber nur Krimsekt? Die gern morgens für den Kreislauf oder nachmittags mit Freundinnen zu Tee und Torte einen Sekt aufmachen, aber dann darf es nur <i>Mumm</i> sein oder maximal ein Winzersekt, der ungefähr die zehn Mark kosten darf, die der <i>Mumm</i> kostet? <br />
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Mit Sparsamkeit hatte das, so weit ich das beurteilen kann, noch nicht einmal etwas zu tun. Auch geschenkter Champagner durfte nicht einfach so geöffnet werden, und ich meine mich deutlich daran zu erinnern, dass eines Tages, wir waren just nach 500 km Fahrt angekommen, ein Sekt getrunken werden sollte, aber ausschließlich Krimsekt oder Champagner im Haus waren. Davon gab es bisweilen nämlich ziemlich viel, weil mein Onkel P. von dankbaren Mandanten immer wieder Champagner geschenkt bekam, aber wegen Problemen mit derlei Getränken in der Vergangenheit jenen nicht trank. Meine Großmutter öffnete angesichts dieser Lage nun aber nicht etwa die günstigste Flasche der vorhandenen Vorräte. Vielmehr zog sie sich an, nahm mich an die eine Hand, eine Einkaufstasche in die andere, und zog los.<br />
<br />
"Auf die S.!", verteilt der M. nun die Gläser, und wir trinken auf das Kind. Lebe hoch, denke ich und lächele dem schlafenden Baby zu. Alles Gute. Hab' es immer, immer gut, wünsche ich der Kleinen, Glück zuhauf und jeden Tag - wann immer Du magst - Champagner.</p>
Modeste
Copyright © 2013 Modeste
2013-01-16T21:12:00Z
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Der Möbelhändler aus Moskau
http://modeste.twoday.net/stories/der-moebelhaendler-aus-moskau/
<p align="justify">Vor einigen Jahren - ich glaube, es war 2009 - fuhr ich mit dem J. also nach Bali. <br />
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Bali ist hübsch. Die Balinesen sind ganz freundlich, es gibt ziemlich dekorative Tempel mit skurrilen, kleinen Geister- und Götterfiguren darin und darum, und es gibt einige nette Hotels. In <a href="http://www.nusaduahotel.com/">einem dieser Hotels </a>wohnten wir und lagen im Bett. Es war früh, also ungefähr zehn abends. <br />
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Draußen war es dunkel, aber laut. Es war sogar sehr laut, also sehr, sehr laut, und es wurde auch nicht leiser. Die Lärmquelle war gut zu lokalisieren. Der Krach kam vom Nachbarbalkon, auf dem offenbar eine Art Party gefeiert wurde. Man hörte Gläserklirren und laute Stimmen. "Verdammt, Russen.", ärgerte sich irgendwann der J., und dann schwiegen wir beide vielleicht zwanzig Minuten zemlich verdrossen, denn wir fahren im Urlaub ganz gern in so absolute Rentnerhotels, um uns da einmal richtig auszuschlafen. Mit feiernden Russen nebenan geht das aber nicht. <br />
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Nach einer weiteren halben Stunde hatte ich genug. Es sollte wieder leise sein. "Geh du doch mal rüber.", bat ich den J., der aufstand, sich anzog, nach draußen ging und dann stundenlang nicht wiederkam. <br />
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Für kurze Zeit machte ich mir Sorgen. Dann aber vernahm ich des J. Stimme inmitten der russischen Trinklieder. Verstimmt, aber beruhigt zog ich mir die Decke über den Kopf und schlief ein. Irgendwann nachts erschien der J. und schlief am nächsten Tag bis in den Nachmittag. <br />
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In den nächsten zehn Tagen hielten uns die Russen tagsüber am Strand Liegen frei und bestellten für uns Bier mit. Die Russen waren vier oder fünf, ungefähr in unserem Alter. Die Frauen waren blond und hübsch, die Männer eher unauffällig, und der Mittelpunkt der Gruppe war ein russischer Möbelhändler, nett und eloquent, recht gutaussehend und offensichtlich nicht arm. Als sie fuhren, tauschten wir E-Mailadressen, versprachen ein Treffen, wenn wir in Moskau oder die Russen in Berlin weilen würden, und dann ging jeder seines Weges. <br />
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Wenig später kam <i>facebook</i>. "Ich habe den Russen wiedergefunden.", verkündete der J. und zeigte mir ein Bild des russischen Möbelhändlers, wie er mit einer Freundin (seiner Freundin?) im Arm vor einem Club stand. "Aha.", sagte ich und scrollte die Bildleiste herunter. Auf jedem zweiten Bild stand der Russe in Begleitung hübscher und unwahrscheinlich aufgetakelter Frauen und strahlte in die Kamera. <br />
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In den nächsten Monaten, nein: Jahren, wurde der Russe dem J. nahezu unheimlich. In schnellem Wechsel stand und steht er auf den vielen Bildern auf seiner <i>facebook</i>-Seite neben geradezu unwahrscheinlich vielen Damen, die irgendwie aussehen, als würden sie im Fernsehballet tanzen oder fungierten als russische Glücksrad-Assistentin. "Bist du dir sicher, das er wirklich Möbelhändler ist?", fragte ich den J. mehrfach, der nicht ganz ohne Neid das offenbar verhältnismäßig glamouröse Leben seines russischen Bekannten auf <i>facebook</i> verfolgt. Der Russe, so scheint es, feiert immerzu und jedes Wochenende mit schönen Menschen exzessive Feste. <br />
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"Spricht er da über Möbel?", fragte ich den J. heute, der mir ein Bild zeigte, auf dem der Russe nun offenbar sogar im Fernsehen neben zwei lasziv posierenden Damen zum Publikum spricht. "Sieht nicht so aus.", meinte der J. stirnrunzelnd und betrachtete verständnislos die russischen Lettern über dem Bild, die den Hintergrund dieses Bildes möglicherweise näher beleuchten. Möbel waren auf dem Bild keine zu sehen.<br />
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Ich warf einen Seitenblick auf den J. Er war - er wird dies abstreiten - gelb vor Neid.</p>
Modeste
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2013-01-03T21:01:00Z
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