Vom Äffchen

Es ist dunkel. Zwischen Vorhang und Fenster klafft ein schmaler Spalt. Milchiges Licht dringt matt in den Raum, und der J. atmet so leicht und leise, als schleiche er auf Socken, auf Zehenspitzen gar durch die Wälder des Schlafs. Es ist Sonntag, noch nicht einmal sieben.

Ich liege wach. Dem letzten Traume spüre ich nach: Soeben war ich doch noch ...? Zimt, fällt mir ein. Kardamom. Silberne Karaffen. Etwas wie ein Äffchen, ein kleines, behendes Tier jedenfalls, spielt eine Rolle. Flinke, lange Arme sehe ich vor mir. Rötliches Fell. Runde, furchtsame Augen blinzeln mich an, eine Affenhand streckt sich erst aus, zieht dann zurück und schon zittert das Äffchen eine Sprung weiter im schwärzlichen Schatten am Schrank. Angst hat der Affe, springt hin und springt her, wieselt um die Lampe, hält sich an der Stuckrosette fest, am Kabel, sitzt auf den Dielen und ist aus der Tür. Gleich schreien Katzen.

Ich schließe die Augen. Warm ist es unter der Decke, es riecht nach Schlaf und nach Nacht. Schon döse ich ein, schrecke dann auf, höre Geräusche und Schritte. Das Äffchen scheint im Wohnzimmer zu springen, kratzt wohl am Schrank. Etwas scheppert, Glas vielleicht, es raschelt. Eine Jagd stelle ich mir vor. Gefleckte, gefährliche Tiere, Dampf und Dschungel. Speere und Blut.

Hinter mir aber murmelt der J. und zuckt mit den Füßen. Bestimmt ist das Äffchen in seinen Schlaf geschlüpft, auf der Flucht vor den geifernden Katzen und sitzt voller Angst in den Träumen des J. "Komm her!", locke ich das Äffchen, das - ich sehe es jetzt erst - ein Glöckchen trägt und eine grüne Marke am Hals. Es ist angemeldet und versteuert, erschrecke ich und erstarre. Jemand wird es vermissen und zeigt uns als Tierdiebe an.

Den J. will ich wachrütteln, damit er das Äffchen verjagt. Die Katzen sollen den Affen hetzen, schnell aus dem Haus muss der Affe, damit der Besitzer mich nicht mit dem Äffchen ertappt. "Das Tier ist mir zugelaufen!", beteuere ich und hebe die Finger zum Schwur. Man wird mir nicht glauben, das weiß ich genau, und der Richter scharrt bös mit den Füßen. "Verkündigungstermin wird auf acht anberaumt!", brüllt das Gericht und ich zucke. "Kaffee!", schreit das Gericht und ich laufe davon.

...

"Kaffee?", hält mir der J. einen Becher entgegen. Zwischen Vorhang und Fenster dringt noch immer nur trübes Licht in das Zimmer, und vom Äffchen ist nichts mehr zu sehen.

queen of maybe - 7. Feb. 2011, 19:55 Uhr

Schade, eigentlich.
Modeste - 20. Feb. 2011, 16:17 Uhr

Ja, aber was für ein Schreck wäre das gewesen, wenn so ein Äffchen einfach zwischen Tag und Traum hin- und herspazieren könnte.
luckystrike - 12. Feb. 2011, 12:39 Uhr

Vielleicht hätten Sie Ihrem Äffchen Zucker geben sollen?
Modeste - 20. Feb. 2011, 16:17 Uhr

Mit Zucker und Fett macht man ja nie was falsch.
Savall - 19. Feb. 2011, 14:25 Uhr

Eigentlich wollte ich nur mal schauen, ob es etwas neues gibt. Und eigentlich wollte ich diesen Text nicht kommentieren. Es gibt nämlich Texte, die ihre eigene Dignität in sich tragen und an die man nicht rühren soll. Kleine Wunder, die man als Leser nur demütig und erfreut zur Kenntnis zu nehmen hat. Mein Kommentar also: danke! Und erbarmen Sie sich bei Gelegenheit wieder ihrer Leserschaft.
Modeste - 20. Feb. 2011, 16:19 Uhr

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In letzter Zeit wieder wenig Lust am Schreiben. Ich denke dann immer, wenn das wohl interessiert, was ich so treibe. Gleichwohl, mir hat das tagebuchbloggen immer Freude gemacht, insofern geht es jetzt weiter.

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