Mittwoch, 25. Februar 2009

Das Leben mit Troll

Leider ist es offenbar einer mir bekannten, wenn nicht sogar befreundeten Dame auch diesmal nicht gelungen, den Mann fürs Leben zu finden. Dabei ließ sich alles gut an: Man lernte sich kennen. Man gefiel sich. Man zog – keine sechs Monate ist es her – sogar zusammen und kaufte gemeinsam einen Küchenschrank, eine Waschmaschine, mehrere Garnituren Bettwäsche und lebte alles in allem recht zufrieden selbzweit. Zwar war der Herr ein wenig stubenhockerisch veranlagt, die Dame glich dies indes auf eigene Faust aus, und am Sonntagmorgen lag man glücklich gemeinsam im Bett und las in der FAS.

Das alles ist nun vorbei.

Vor einigen Tagen erwachte also die Dame des Hauses mit einem Kratzen im Hals. Das Kratzen verstärkte sich, Husten trat hierzu, die Körpertemperatur stieg an, und auf eine Krankschreibung hin blieb die Dame – wir wollen sie R. nennen – zu Hause. Zwei Tage schlief die R. eigentlich den ganzen Tag. Am dritten Tage las sie ein bisschen in herumliegenden Illustrierten, am vierten fing sie an zu telefonieren, und abends surfte sie ein bisschen im Internet. Unter anderem suchte und fand sie eine Seite, auf der eine ortsansässige Hutmacherin eigene Kreationen feilbot, die ziemlich gut aussahen und gar nicht so teuer waren, wie man es von handgemachten Hüten generell glaubt.

Am fünften Tag fand die R. diese Seite aber nicht wieder. Sie versuchte es mit ein paar verschiedenen Suchbegriffen wie „Hut kreativ Berlin“ oder so, aber die Hüte waren weg und entzogen sich ihren suchenden Blicken. Die R. war enttäuscht und schlief noch ein bisschen. Am Nachmittag aber fielen der R. die Hüte wieder ein. Erneut öffnete sie den Rechner, erneut suchte sie nach den Hüten, und dann fiel ihr ein, dass die Wege des Herrn zwar unergründlich, die Wege der Sterblichen durch das weltweite Netz aber ziemlich gut dokumentiert sind. Sie öffnete also den Verlauf.

Die Hutseite fand sie schnell. Was sie aber außerdem fand, waren zahlreiche Besuche in irgendwelchen Foren, die etwas mit Spielen und Filmen zu tun haben, und manche Foren, deren Besuch gleichermaßen verzeichnet worden war, beschäftigten sich mit eigentlich nichts., zumindest mit nichts thematisch gebundenem. Ihr das Notebook außerdem und eigentlich hauptsächlich nutzender Freund verbrachte seine Freizeit offenbar ganz gern im angeregten elektronischen Gespräch.

„Das ist doch besser als auf irgendwelchen Seiten mit n*ackten Frauen.“, gebe ich zu bedenken. Die Welt habe schon von unangenehmeren Hobbies gehört. – Indes, wird mir entgegnet, sei das noch nicht alles. Denn natürlich habe die R. die Foren unverzüglich aufgesucht und zumindest teilweise gelesen.

Ziemlich schnell fand sie ihren Freund. Der Nickname war der seines alten Plüschhasen, die Daten der jeweils kommentierten Kinobesuche stimmten, und auch die Schilderungen aus dem gemeinsamen Leben spiegelten die Realität halbwegs zutreffend wieder. Der Zurückhaltung, die sie an ihrem Freund immer als eher schätzenswert erlebt hatte, schien dieser im Netz allerdings ganz und gar nicht in derselben Weise anzuhängen: Seine Beiträge als pointiert anzusehen, wurde mir berichtet, sei schon eher euphemistisch. Auch der Begriff der Polemik bringe es noch nicht ganz auf den Punkt. Ihr Freund, so die R., sei vielmehr ein Troll. Ein Forentroll in des Wortes wahrster Bedeutung.

Und mit einem Troll wolle sie nicht ihr Leben verbringen.



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