Samstag, 6. April 2013

Umzug

So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen. Eine letzte Zigarette. Ein letzter Blick zurück.

Eingezogen bin ich hier im Herbst 2004. Ich hatte vorher für einige Wochen woanders ein Blog, das ich nicht einmal mehr finde. Die Frau Fragmente und die Frau Schnatterliese hatten mich hergelockt. Die hatte ich, meine ich zumindest, auf der Lesung des ersten Blogbuches in der Volksbühne kennengelernt.

In den Jahren drauf waren Blogs ziemlich wichtig für mich. Ich habe viel geschrieben, noch mehr gelesen, ich habe mit der fabelhaften Frau Wortschnittchen Lesungen ausgerichtet. Ich habe auf diesen Lesungen und auch einfach so viele, viele reizende und auch ein paar ziemlich blöde Leute kennengelernt und eine ganze Reihe Freundschaften geschlossen. Dass ich außer ein paar alten Schulfreunden nicht nur Juristen kenne, liegt maßgeblich an Blogs.

Irgendwann wurde das Blog dann ein bißchen weniger zentral. Das liegt im Wesentlichen an meinem Job. Ich habe einige Jahre nie weniger als 60 Stunden die Woche geackert. So viel ist es heute nicht mehr, aber die gewonnene Zeit fließt direkt zum F., der ja auch irgendwann mit seiner Mutter Ball spielen will, vorgelesen bekommt und Kuchen essen möchte.

Aufgeben wollte ich das Blog trotzdem nicht. Ich werde, glaube ich, immer schreiben. Mal etwas mehr, mal etwas weniger. Künftig geht es aber nicht mehr hier weiter, denn auch mir hat die großartige Frau Kitty beim Umzug geholfen.

Ich wohne jetzt hier.

Montag, 1. April 2013

Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten

Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort. Oder ein Lamm bestellt. Aber wir grillen seit zehn Jahren bei der I. und dem S., und wir werden nicht einfach damit aufhören, nur weil hier die Eiszeit ausbricht. Wir treffen also frierend wie die Schneider um kurz vor zwölf im Grunewald ein, und dann wird gegrillt. Dieses Jahr hat der M. eingekauft: Es gibt Merguez, Salsiccia, Lammfilet und Bisonsteaks, die ein bißchen wild, aber eigentlich eher zäh schmecken. Dazu essen wir Salate, Brot und Hummus.

Das Grillen ist dann eine eher mühsame Angelegenheit. Unter Verweis auf den F. ("darf nicht frieren") bleibe ich im Wohnzimmer und schaue durch die Terrassentür den Grillenden zu, die sehr, sehr lange versuchen, die Kohle zu entzünden, und dann mit Föhn und Zeitungspapier vor den gräulichen, harten Schneeresten im Garten versuchen, den Grill endlich anzuzünden. Irgendwann klappt es dann. Wenig später gibt es Fleisch.

Ich esse, als hätte ich heute noch nichts gegessen. Das fällt mir nicht schwer. Ich habe nämlich heute noch nichts gegessen, weil ich ein wenig verschlafen habe, und so stopfen der F. und ich ganz schnell sehr viel Grillgut und noch mehr Nudelsalat in uns herein. "Mamm!", schreit der F., wenn es ihm nicht schnell genug geht, und weil der das ziemlich oft macht, bekomme ich nicht so viel, wie ich eigentlich wollte.

Beim Nachtisch wird die Lage dann langsam prekär. "Mamm! Mammmm!", fordert der F. energisch noch mehr Vanillepudding und mindestens 2/3 meines Carrot Cake. Ich vertage den eigenen Kuchenverzehr auf später, ermuntere alle noch einmal, den gestern abend gebackenen Carrot Cake zu probieren und trinke schnell zwei Glas Sekt. Den zumindest muss ich nicht mit dem F. teilen.

Doch auch später sieht es schlecht mit dem Kuchen. Immer, wenn ich mich der Küche nähere, erspäht mich der F. "Mamm!", streckt er mir beide Hände entgegen. Ich werde später essen, wenn der F. schläft, beschließe ich, und irgendwann brechen wir auf. Ich habe keinen Kuchen gegessen.

In der Tasche über der Schulter des J. immerhin tragen wir zwei Stück Carrot Cake wieder nach Hause. Das eine wird der J. morgen früh essen, bevor der F. und ich aufgestanden sind. Das zweite Stück esse ich einige Stunden später, den Rücken dem F. zugekehrt und simulierend, ich sei taub, und hörte hinter mir niemanden brüllen: "Mamm! MAMM!"

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(400 gr. geraspelte Möhren, 350 gr. Zucker, 180 gr. Mehl (550), 100 gr. Haferflocken, 1 Tasse Öl, 4 Eier, 1/2 TL Salz, 2 TL Natron, 1/2 TL Zimt, 1/2 TL gemahlener, getrockneter Ingwer, Schale von 1/2 Orange, 1/4 TL geriebene Muskatnuß

Alles verrühren und 60 min bei 175° C. Auskühlen lassen, halbieren und füllen und ummanteln mit einem Frosting aus

200 gr. Frischkäse, 25 gr. Palmin, 1 Pck. Vanillezucker, 2 EL Butter und ca. 150 gr. Staubzucker.)

Samstag, 30. März 2013

Osmans Töchter

Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald Juhnke, und wie ganz Westberlin stecken auch die Westberliner Türken in einer Art Zeitblase, in der die Achtziger Jahre einfach nicht vergehen wollen. Da in diesem immerwährenden Jahr 1985 die Mauer natürlich noch steht, ziehen die Berliner Türken so gut wie nie in den Osten. Im Prenzlberg gibt es deswegen, meine ich, weniger Türken als in Nordfriesland oder auf dem Mond. Das merkt man dann auch an der Gastronomie.

Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt schon ein türkisches Restaurant im Prenzlberg gab. Das nächstgelegene mir bekannte Gasthaus war das Hasir am Hackeschen Markt. Doch selbst wenn es schon ein türkisches Restaurant oberhalb der Dönergrenze gegeben haben sollte, dann sah das vermutlich so aus, wie diese Läden, in denen man in Kreuzberg gut isst und schlecht sitzt, also so eine Kulisse aus Teppichen, Kupferkannen, Wasserpfeifen, das Ganze untermalt wahlweise mit türkischem Pop oder leierndem Ethnokitsch. 1985 - wir kommen zurück auf die Westberliner Blase - fand man das für die sog. Spezialitätenrestaurants nämlich gut und richtig.

Bei Osmans Töchtern in der Pappelallee dagegen ist es schön. Betonböden und unverputzte Mauern, Lampen aus Schraubgläser und schlichte Tische und Stühle wirken nüchtern, eine sehr zurückgenommene Eleganz, die von ganz, ganz wenigen orientalisierenden Stilelementen aufgenommen wird. Man sitzt ein wenig eng, aber angenehm. Das finden andere anscheinend auch: Um sieben ist jeder Tisch besetzt. Ohne Reservierung geht hier, schätze ich mal, nichts.

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Der Service ist schnell, herzlich und freundlich. Es erscheinen ein ordentlicher Viognier für mich und Efes für den J., und statt der ursprünglich gewählten gemischten Vorspeisen - für zwei zu viel, aber weniger gebe es nicht, sagt man uns - kommen ein Bulgursalat und gehackte, gut gewürzte Auberginen. Es ist jetzt nicht so, dass diese Vorspeisen eine noch nie dagewesene kulinarische Offenbarung bedeuten würden. Es schmeckt sehr gut, aber nicht anders als bei anderen türkischen Restaurants oder letztes Jahr im Urlaub. Dem F. immerhin scheint es großartig zu munden, er stopft sich den ganzen Brotkorb nach und nach in den Rachen, und zeigt immer wieder auf das Auberginengericht. Okay, Kleiner, denke ich, und löffele ihm das Zeug in den Mund. Der F. liebt scharfes Essen und außerdem liebt er Knoblauch.

Als die Hauptgerichte kommen, beneide ich den J. kurz um sein Essen. Er isst Hackfleischbällchen auf kleinen Brotstücken, die unter einer dicken Schicht gewürztem Joghurt verschwinden. Es sieht sehr, sehr gut aus und riecht auch phantastisch. Viel besser, finde ich, als mein gegrillter Lachs mit auf den Punkt gegartem Gemüse und Ofenkartoffeln, woran es rein gar nichts auszusetzen gibt, aber sehr türkisch mutet das Gericht nicht an. Mein Fehler: Ich hätte die Dorade nehmen sollen.

Dass der Teller des J. besser aussieht, findet auch der F. und weist meinen Lachs mit zusammengekniffenem Mund und heftigem Kopfschütteln zurück. Wieder und wieder zeigt er auf das Essen vom J. und bekommt reichlich Stücke von Fleisch, Brot und Joghurt in den Mund geschoben. Im Ergebnis haben der J. und der F. dann beide etwas weniger gegessen, als beiden lieb wäre. Eine Kinderkarte wäre hier schön oder zumindest ein Ausweichgericht wie Nudeln mit Sauce oder so, wie es bei den meisten Italienern auf der Karte steht. Beim nächsten Besuch würde ich dem F. auch ein Hauptgericht bestellen, allerdings erscheinen mir die Hauptgerichte von 15 € an aufwärts alle etwas zu teuer für eine Person, der Nudeln mit Käse völlig reichen.

Am Ende entscheiden der J. und ich uns dann doch gegen ein Dessert. Wir haben genug Süßes gegessen, versichern wir uns gegenseitig und verweisen auf die folgenden Feiertage. Wir zahlen dann so circa € 65, meine ich, und laufen langsam zurück, durch den tauenden Schnee, vorbei an der Kulturbrauerei, vorbei am November, vorbei an Anna Blume, und im Wagen liegt der F. und schläft und träumt, tja, vermutlich von Nudeln mit Sauce. Mir aber hat's gefallen.

Osmans Töchter
Pappelallee 14 (neben dem Ballhaus Ost)
10437 Berlin

Freitag, 29. März 2013

Der Turbomuffin

Wenn man den Berliner Milieuschutzfreunden glaubt, war ja früher alles besser, als die Semmel noch Schrippe hieß, und man für 60 qm 100 Reichsmark zahlte. Wir aber wissen: Das ist alles gar nicht wahr.

In Wirklichkeit - ich war dabei - waren die Bewohner Prenzlbergs keineswegs schöne und fröhliche Menschen, sondern in erheblichen Teilen ziemlich graue Gestalten, die vor den Spätkäufen der Stadt grimmig Dosenbier tranken. Die Häuser waren grau und rochen komisch, und in ganz Ostberlin gab es keine vernünftige Pâtisserie. Die Parties waren gut, das Bier kostete 2 Mark, aber wer vernünftigen Kuchen wollte, fuhr entweder in den Westen oder kaufte den guten, aber nicht sensationellen Kuchen bei Sowohlalsauch.

Das immerhin hat sich geändert. Allein im Bötzowkiez gibt es vier vernünftige Möglichkeiten des Kuchenkaufs. Die Chance, in einem Privathaushalt ordentlichen Kuchen vorgesetzt zu bekommen, ist damit eigentlich ziemlich gut, doch wenn aus den alten, schlechten Zeiten noch irgendetwas übrig geblieben ist, dann das: Man bekommt in Privathaushalten so gut wie nie Selbstgebackenes. Ich liebe aber hausgebackenen Kuchen.

Nun ist es ja mehr als verständlich, dass niemand mehr Zeit hat für eine abendfüllende Schwarzwälder Kirsch oder Bienenstich. Aber ein schneller Gugelhupf? Ein Streuselkuchen? Und wenn es für alles nicht mehr reicht, wenn der Besuch schon quasi vor der Tür steht, wenn kaum mehr was im Haus ist, und niemand Lust hat, noch einzukaufen, dann gehen doch immer noch Muffins. Und zwar die schnellsten Muffins der Welt:

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(200 ml Schlagsahne, 150 gr. Zucker, 1 Pck. Vanillezucker, 3 Eier, 200 gr. Mehl, 1 EL. Maisstärke, 1. Pck. Backpulver, Zitronenschale und Saft von 1/2 Zitrone

Alles verrühren, in Muffinförmchen füllen und bei 175° C 25 min. backen. Anschließend mit Zuckerguß von der übrigen 1/2 Zitrone überziehen und verzieren)

Ich ist ein anderer

Keine Ahnung, sage ich. Reichlich langweilig hier. Ich erlebe ja nichts, weil ich zu erkältet bin, um irgendwo hinzugehen. Ich sitze hier einfach nur herum, lese ein bißchen, schaue gelegentlich einen Film oder eine neue Folge West Wing, und spreche mit und über mein Kind. Das ist ziemlich eintönig, fürchte ich.

Auf der anderen Seite: In anderen Blogs ist im engeren Sinne auch nichts los, und die liest ja auch wer. Foodblogs zum Beispiel. Finde ich toll. Ich koche kaum was nach, zugegeben. Aber ich schwelge immer in diesen Sachen, ich male mir aus, auch mal so was mehr Modernes und Gutaussehendes zuzubereiten. Außerdem finde ich es gut, wenn Leute auswärts essen und darüber schreiben.

Elternblogs sind auch so ein Phänomen. Zwar rangiert das Ansehen des klassischen Muttiblogs noch deutlich unterhalb des Blogs von Leuten, die stricken. Auf der anderen Seite: Die Spitzen des Genres, die sind schon sehr, sehr super. Ich bin den Buddenbohmschen Kindern beispielsweise noch nie begegnet, aber sie sind mir seit mehreren Jahren überaus sympathisch.

Warum, frage ich mich, ist das eigentlich nichts für mich? Okay, meine Performance als Mutter und als Köchin ist vielleicht jeweils nicht so beispielgebend, dass man unbedingt drüber schreiben müsste. Auf der anderen Seite: Meine Performance als Normalberlinerin in den letzten Jahren war auch nicht so großartig, dass es zwingend notgetan hätte, sie auszustellen. Habe ich trotzdem gemacht und war lustig.

Insofern, meine Damen und Herren, mein Vorsatz steht fest: Von heute bis nächsten Freitag bin ich Foodbloggerin. Und die Woche drauf mache ich eine Woche Muttiblog. Mal sehen, wie sich das anfühlt.

Sonntag, 24. März 2013

Traumdeutung

In Fachbüchern träumen die Leute ja immer so etwas ganz Bedeutungsvolles. Wenn man ein hinreichend altes Buch nimmt, aus der Zeit, als man über derlei Dinge noch nicht sprach, geht es zum Beispiel immer um untenrum. Heute ist das natürlich anders, da spricht jeder über Genitalien, und niemand träumt mehr davon. Heute träumen die Leute nachts dafür vermutlich vom Büro. Ich nehme an, es gibt eine ausgefeilte Traumsymbolik, in der alles Mögliche, was man gemeinhin eher der nicht so beruflichen Sphäre zuordnet, dann doch irgendwas Professionelles meint, ähnlich wie früher Schornsteine oder Muscheln - na, Sie wissen schon.

Wer allerdings in seinem Berufsleben nichts zu verdrängen hat wie ich, träumt nachts weder verhüllt noch offen von langweiligen Meetings, menschenfresserischen Vorgesetzten, beschämenden Niederlagen oder beseligenden Siegen. In meinem Privatleben gibt es ebenfalls nichts, was im Traum aufgearbeitet werden müsste. Als verheiratete Kleinkindmutter mit einem Job, der definitiv mehr als 40 Wochenstunden erfordert, habe ich nämlich kein im engeren Sinne ernstzunehmendes Privatleben mehr. Meine Vergangenheit ist umfassend aufgearbeitet. Sie, liebe Leser, sind ja seit Jahren dabei.

Nun muss der Mensch nachts aber träumen. Das gehört irgendwie dazu, und man kann dem Unterbewusstsein schließlich nicht einfach sagen, es möge seine Sachen packen und gehen. Letzte Nacht also lag ich in tiefem Schlummer. Der F. schlief, meine Erkältung war schon mal schlimmer, es störte entsprechend eigentlich nichts, und das Unterbewusstsein legte los. Gern hätte mein Unterbewusstsein irgendetwas Spannendes produziert, aber auf einer Glatze kann auch ein gut trainiertes Unterbewusstsein keine Locken drehen, und so träumte mir schließlich, ich liefe die Bötzowstraße entlang, ich ginge ins Kino, ich säße dort neben dem J. und ich sah nach divers belangloser Reklame leicht gelangweilt im halbleeren Kino: Solaris.

Dann ging ich nach Hause und wachte auf.



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[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
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[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
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[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
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