Ostdeutsche Mädchen
Die Menschen in meinem Leben, die ich in meine Wohnung lasse, weisen einen eher weniger umfangreichen Alterskorridor auf – und so ist G. minor der erste Minderjährige, der jemals mein Bad benutzt. Frischgeduscht und halbbekleidet spaziert der zwölf Jahre jüngere Vetter meines weiland Tanzstundenfreundes G. maior also durch meine Wohnung.
„Das ist furchtbar nett, dass ich bei dir wohnen kann.“, bedankt sich der kleine G. und plaudert mir ein bißchen vor. Lateinlehrer Dr. D. scheint in den letzten zehn Jahren nicht unbedingt zur Altersmilde gefunden zu haben; der dicke Herr L. ist schon wieder pleite, und die Ex-Frau des Gynäkologen ist knappe vier Monate nach der Scheidung schwanger, und keiner weiß von wem.
Dann wird es ernst. Mit zerfurchter Stirn referiert G. minor den Stand seines personal Uni-Contests. Hier werden wichtige Entscheidungen getroffen, ich werde also angemessen ernst und rate dringlich von Berlin ab. Hier kann man gar nicht studieren. Bonn vielleicht, vielleicht Passau. Oder in die neuen Bundesländer? Macht sonst keiner, aber wieso nicht Jena oder Greifswald?
Der kleine G. wehrt ab. Berlin muss nicht, Bonn ist eine Möglichkeit, aber in den Osten, in den Osten geht er nicht. Denn, so der kleine G. im Tonfall einer Selbstverständlichkeit: „Im Osten gibt es keine Mädchen.“
Nach kurzer semantischer Verwirrung stellt sich heraus, dass der Mädchenbegriff sich in den betroffenen Alterskohorten irgendwann in den letzten zehn Jahren geändert haben muss. Ein Mädchen ist demnach nicht mehr nur ein weibliches Wesen so zwischen 12 und 18. Der Mädchenbegriff unterliegt weiteren positiven wie negativen Tatbestandsmerkmalen.
Mädchen, erfahre ich, sind nie tätowiert. Sie lesen weder Science-Fiction noch Bravo. Sie lackieren nie ihre Fingernägel in Rot oder Pink oder überhaupt sichtbar. Sie spielen nie Fußball. Wenn sie sich für Politik interessieren, dann für die GRÜNEN. Sie sind wahnsinnig musikalisch.
Ich verstehe. Der Mädchenbegriff hat offenbar den Bedeutungsinhalt der „höheren Tochter“ angenommen. Aber im Osten gibt es keine? Ich überlege. Kann ich mir nicht vorstellen. Gegenbeispiele sind mir aber auch nicht bekannt, denn potentielle Mädchen kenne ich ja nicht so besonders viele. An ehemaligen Mädchen kommt zwar eine ganze Menge zusammen. Allerdings kenne ich kaum Ostdeutsche. Das liegt aber an den Ostdeutschen und nicht an mir. Als ich nach hergekommen bin, haben sich mir alle denkbaren deutschen Stämme vorgestellt, aber die ostdeutschen waren nicht dabei. Und nach Brandenburg fahre ich nie aus Angst, dass die Ureinwohner gerade ihre rassereinen Wochen feiern.
G. minor, nun ganz in der Pose des jugendlichen Welterklärers erläutert die historischen Hintergründe des Mädchenverschwindens. Klingt logisch. Die SED hat also nicht nur den kulinarischen Tiefstand der Ostberliner und ihre miesen Manieren auf dem Gewissen. Mädchen müssten erst langsam nach und nach nachwachsen. Wenn aber die Mütter nie Mädchen waren, dann wird die Mädchenproduktion auch in Zukunft spärlich bleiben. Das Mädchendefizit - offenbar der letzte Ausläufer östlicher Mangelproduktion.
„Das ist furchtbar nett, dass ich bei dir wohnen kann.“, bedankt sich der kleine G. und plaudert mir ein bißchen vor. Lateinlehrer Dr. D. scheint in den letzten zehn Jahren nicht unbedingt zur Altersmilde gefunden zu haben; der dicke Herr L. ist schon wieder pleite, und die Ex-Frau des Gynäkologen ist knappe vier Monate nach der Scheidung schwanger, und keiner weiß von wem.
Dann wird es ernst. Mit zerfurchter Stirn referiert G. minor den Stand seines personal Uni-Contests. Hier werden wichtige Entscheidungen getroffen, ich werde also angemessen ernst und rate dringlich von Berlin ab. Hier kann man gar nicht studieren. Bonn vielleicht, vielleicht Passau. Oder in die neuen Bundesländer? Macht sonst keiner, aber wieso nicht Jena oder Greifswald?
Der kleine G. wehrt ab. Berlin muss nicht, Bonn ist eine Möglichkeit, aber in den Osten, in den Osten geht er nicht. Denn, so der kleine G. im Tonfall einer Selbstverständlichkeit: „Im Osten gibt es keine Mädchen.“
Nach kurzer semantischer Verwirrung stellt sich heraus, dass der Mädchenbegriff sich in den betroffenen Alterskohorten irgendwann in den letzten zehn Jahren geändert haben muss. Ein Mädchen ist demnach nicht mehr nur ein weibliches Wesen so zwischen 12 und 18. Der Mädchenbegriff unterliegt weiteren positiven wie negativen Tatbestandsmerkmalen.
Mädchen, erfahre ich, sind nie tätowiert. Sie lesen weder Science-Fiction noch Bravo. Sie lackieren nie ihre Fingernägel in Rot oder Pink oder überhaupt sichtbar. Sie spielen nie Fußball. Wenn sie sich für Politik interessieren, dann für die GRÜNEN. Sie sind wahnsinnig musikalisch.
Ich verstehe. Der Mädchenbegriff hat offenbar den Bedeutungsinhalt der „höheren Tochter“ angenommen. Aber im Osten gibt es keine? Ich überlege. Kann ich mir nicht vorstellen. Gegenbeispiele sind mir aber auch nicht bekannt, denn potentielle Mädchen kenne ich ja nicht so besonders viele. An ehemaligen Mädchen kommt zwar eine ganze Menge zusammen. Allerdings kenne ich kaum Ostdeutsche. Das liegt aber an den Ostdeutschen und nicht an mir. Als ich nach hergekommen bin, haben sich mir alle denkbaren deutschen Stämme vorgestellt, aber die ostdeutschen waren nicht dabei. Und nach Brandenburg fahre ich nie aus Angst, dass die Ureinwohner gerade ihre rassereinen Wochen feiern.
G. minor, nun ganz in der Pose des jugendlichen Welterklärers erläutert die historischen Hintergründe des Mädchenverschwindens. Klingt logisch. Die SED hat also nicht nur den kulinarischen Tiefstand der Ostberliner und ihre miesen Manieren auf dem Gewissen. Mädchen müssten erst langsam nach und nach nachwachsen. Wenn aber die Mütter nie Mädchen waren, dann wird die Mädchenproduktion auch in Zukunft spärlich bleiben. Das Mädchendefizit - offenbar der letzte Ausläufer östlicher Mangelproduktion.
von: Modeste Schublade: Datum: 3. Jan. 2005, 21:55 Uhr
Mangelware
In diesem Sinne...
MfG strudel