Die neue Freundin
Dass sie allein ins Taxi steigen würde, hatte sie sichtlich nicht erwartet, als sie M. kurz vor eins am Ärmel zupfte. Sie sei todmüde, sagte sie, und in diesem einen Moment tat mir M.´s neue Freundin leid.
„Und?“, M. sah in die Runde. Der Blickkontakt blieb vorerst einseitig: C. prüfte die Füllhöhe ihrer Bierflasche, T. las die Karte, und ich beantwortete eine SMS.
„Modeste“, M. legte mir die Hand auf den Unterarm, „Ich weiß, sie ist nicht der Typ, mit dem du dich umgibst. Was hältst du von ihr?“
„Liebst du sie sehr?“, ich lenke ab. M. lacht leicht geniert, und einen Moment weiß ich nicht, was mir lieber wäre. Ich mag es nicht, wenn sich Männer von der Frau distanzieren, mit der sie schlafen. Aber M.´s neue Freundin mag ich eindeutig auch nicht. Bestimmt ein nettes Mädchen, sage ich deshalb, und erst als M. nochmals nachfragt, platze ich heraus:
„Bist du böse, wenn ich sie abscheulich finde?“ – M. sieht gekränkt aus. Selber schuld, denke ich. Ich dränge mich zu den Waschräumen durch, und als ich wiederkomme, hat sich die Atmosphäre am Tisch deutlich abgekühlt. Es ist ohnehin laut, und so höre ich nur einige Gesprächsfetzen, als ich auf meinen Platz durchrutsche. „Proseccotussi“, höre ich, „Urlaubskrimileserin“, und dann steht M. auf und geht. Er muss sauer sein, der rücksichtsvolle, brave M. schiebt die Kellnerin harsch zur Seite und steht schon auf der Straße.
Tut mir leid, M., denke ich. Vielleicht wäre es besser gewesen, bei der Version vom netten Mädchen zu bleiben. Aber die Vorstellung, M.s´ neue Freundin allwöchentlich mit lauter Stimme und etwas vulgärer Diktion erklären zu hören, dass sie ja den ganzen Tag lesen würde, und deswegen abends lieber einen guten Film schaut...nein. Auch, dass sie ihr Fitnessstudio mag, „weil da nicht so´ne Plebs abhängt“, plant niemand am Tisch sich häufiger anzuhören. Ob M. diese Seite seiner neuen Freundin nicht wahrnimmt? Seine letzte Freundin war doch auch nicht so. Ob seine Urteilsfähigkeit gelitten hat in den letzten drei Jahren?
Ach, M., denke ich da. Armer M., die drei Jahre waren zuviel für dich. „Komm zurück!“, tippe ich deswegen ins Mobile. „Kommt her“, summt M.´s Nachricht, keine Minute später.
Als wir kommen, steht M. in T-Shirt und Pyjamahose vor der offenen Balkontür und wärmt sich die Hände an einer Schale Tee. Seine neue Freundin raucht, und was er weder T. noch mir jemals erlaubt hat – sie raucht in seiner Wohnung. Eine Menge „Marlboro Lights“-Stummel mit roten Lippenstiftspuren liegen in einem gläsernen Aschenbecher neben der Spüle.
M. sieht unglücklich aus. Mechanisch und schweigend stellt er Teekanne und Zubehör auf ein Tablett. „Ich mag dich,“ sagt C. zu ihm, und streicht ihm über Schultern und Rücken. Das war wohl falsch. M. fängt an zu weinen. Er schluchzt an C.´s Schulter, die ihn festhält wie ein Kind, das sich wehgetan hat.
Ich ertrage keine Tränen, ich stelle mich zu T. auf den Balkon. Wir rauchen und es ist kalt.
Als C. und M. aus der Küche kommen, ist es wieder gut. Oder zumindest vorbei. Dann bricht C. auf, auf sie warten daheim Freund und Katze. Auf uns wartet keiner. Wir wickeln uns in Decken ein und trinken den süßen Tee mit Sahne. M. stellt sein Notebook auf die Kommode vor dem Bett und wir schauen Helmut Berger als traurigem König zu.
Als es hell wird, schlafe ich ein.
„Und?“, M. sah in die Runde. Der Blickkontakt blieb vorerst einseitig: C. prüfte die Füllhöhe ihrer Bierflasche, T. las die Karte, und ich beantwortete eine SMS.
„Modeste“, M. legte mir die Hand auf den Unterarm, „Ich weiß, sie ist nicht der Typ, mit dem du dich umgibst. Was hältst du von ihr?“
„Liebst du sie sehr?“, ich lenke ab. M. lacht leicht geniert, und einen Moment weiß ich nicht, was mir lieber wäre. Ich mag es nicht, wenn sich Männer von der Frau distanzieren, mit der sie schlafen. Aber M.´s neue Freundin mag ich eindeutig auch nicht. Bestimmt ein nettes Mädchen, sage ich deshalb, und erst als M. nochmals nachfragt, platze ich heraus:
„Bist du böse, wenn ich sie abscheulich finde?“ – M. sieht gekränkt aus. Selber schuld, denke ich. Ich dränge mich zu den Waschräumen durch, und als ich wiederkomme, hat sich die Atmosphäre am Tisch deutlich abgekühlt. Es ist ohnehin laut, und so höre ich nur einige Gesprächsfetzen, als ich auf meinen Platz durchrutsche. „Proseccotussi“, höre ich, „Urlaubskrimileserin“, und dann steht M. auf und geht. Er muss sauer sein, der rücksichtsvolle, brave M. schiebt die Kellnerin harsch zur Seite und steht schon auf der Straße.
Tut mir leid, M., denke ich. Vielleicht wäre es besser gewesen, bei der Version vom netten Mädchen zu bleiben. Aber die Vorstellung, M.s´ neue Freundin allwöchentlich mit lauter Stimme und etwas vulgärer Diktion erklären zu hören, dass sie ja den ganzen Tag lesen würde, und deswegen abends lieber einen guten Film schaut...nein. Auch, dass sie ihr Fitnessstudio mag, „weil da nicht so´ne Plebs abhängt“, plant niemand am Tisch sich häufiger anzuhören. Ob M. diese Seite seiner neuen Freundin nicht wahrnimmt? Seine letzte Freundin war doch auch nicht so. Ob seine Urteilsfähigkeit gelitten hat in den letzten drei Jahren?
Ach, M., denke ich da. Armer M., die drei Jahre waren zuviel für dich. „Komm zurück!“, tippe ich deswegen ins Mobile. „Kommt her“, summt M.´s Nachricht, keine Minute später.
Als wir kommen, steht M. in T-Shirt und Pyjamahose vor der offenen Balkontür und wärmt sich die Hände an einer Schale Tee. Seine neue Freundin raucht, und was er weder T. noch mir jemals erlaubt hat – sie raucht in seiner Wohnung. Eine Menge „Marlboro Lights“-Stummel mit roten Lippenstiftspuren liegen in einem gläsernen Aschenbecher neben der Spüle.
M. sieht unglücklich aus. Mechanisch und schweigend stellt er Teekanne und Zubehör auf ein Tablett. „Ich mag dich,“ sagt C. zu ihm, und streicht ihm über Schultern und Rücken. Das war wohl falsch. M. fängt an zu weinen. Er schluchzt an C.´s Schulter, die ihn festhält wie ein Kind, das sich wehgetan hat.
Ich ertrage keine Tränen, ich stelle mich zu T. auf den Balkon. Wir rauchen und es ist kalt.
Als C. und M. aus der Küche kommen, ist es wieder gut. Oder zumindest vorbei. Dann bricht C. auf, auf sie warten daheim Freund und Katze. Auf uns wartet keiner. Wir wickeln uns in Decken ein und trinken den süßen Tee mit Sahne. M. stellt sein Notebook auf die Kommode vor dem Bett und wir schauen Helmut Berger als traurigem König zu.
Als es hell wird, schlafe ich ein.
von: Modeste Schublade: Datum: 16. Jan. 2005, 12:54 Uhr
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