Pinguin
Übermäßiges Mitleid und generelle Tierliebe, so schrieb mir der J. letztlich ans Ende der Welt, habe ihn bewogen, in der U-Bahnlinie 2 einem dem Bankrott anheimgefallenen Zirkusdirektor zwei zahme Pinguine abzukaufen. „Was hast Du in der U 2 zu suchen?“, schrieb ich ihm zurück, und überlegte ein bißchen, ob dem J. als berüchtigtem Spontankäufer eine derartige Anschaffung wohl zuzutrauen wäre, und wie man diese gegebenenfalls, am besten legal, auch wieder los würde.
Das Zusammenleben mit den Pinguinen gestaltete sich in den Folgetagen, J.´s per E-Mail vermittelten Auskünften zufolge, recht unkompliziert. Die Pinguine würden durch J.´s Wohnung watscheln und gerade in den Abendstunden neugierig das lebhafte Treiben am Helmholtzplatz beobachten. Aus Kostengründen bekämen die Pinguine zwar im wesentlichen nur Fischstäbchen und Fischfilet à la Bordelaise von Lidl zu essen, hätten sich aber über Unterkunft und Verpflegung alles in allem sehr zufrieden geäußert. Beide Tiere seien überdies so gut wie stubenrein. – Ich atmete auf, und die Vision, mit dem wütend protestierenden J. samt zwei übelriechenden Pinguinen im Taxi zum Tierheim zu fahren, verflüchtigte sich in den reinen Sphären von J.´s üppig blühender Phantasie.
„Es ist verdammt langweilig hier.“, schrieb ich dem J. vom Ende der Welt zurück und beschwerte mich ein bißchen über Wesen und Erscheinung der anderen Teilnehmer und schloß: „Viele Grüße auch an die Pinguine, ich bin am Freitag wieder in Berlin.“ – Ich könnte dann ja bei ihm vorbeikommen, antwortete der J. und bot außer einem Blick auf die Pinguine die Zubereitung warmer Speisen an.
Als ich ankam, waren die Pinguine angeblich im Schrank. Der J. hackte Zwiebeln klein, ließ sich von den Mißhelligkeiten des Wissenschaftsbetriebes berichten und gab seiner Zufriedenheit Ausdruck, selber an derartigen Veranstaltungen nicht teilnehmen zu müssen: Wissenschaftliche wie sonstige Talente und Fähigkeiten, so der J., würden stets erhebliche Risiken bergen, und in allzuvielen Fällen habe man nichts als Scherereien damit. Glück im Winkel, predigte der kluge J., und sah auf die Uhr: Zehn Minuten für die Spaghetti.
Die Wochen gingen ins Land. Der Juni wurde warm, sehr warm, und wieder ein bißchen kühler. Unter den Bäumen im Praterbiergarten an der Kastanienallee berichtete der J. vom Schicksal seiner Pinguine: Beide Tiere würden entsetzlich schwitzen, und hätten schon mehrere seiner Hemden durch ihre Ausdünstungen verdorben, denn nach wie vor würden sich die schüchternen Tiere insbesondere in Anwesenheit Dritter in seinem Kleiderschrank aufhalten.
Bei der „Kleinen Eiszeit“ in der Stargarder Straße ein paar Tage später nahm J. gleich zwei Kugeln extra für die Pinguine, die nur wegen unverhofft auftretender Transportprobleme dann doch unverzüglich verzehrt werden mussten. Als der J. ohne Eis heimkehrte, warfen, so der geschätzte ehemalige Gefährte, die Pinguine mit Fischstäbchen nach ihm, und verweigerten nach einer weiteren Woche den Verzehr von Fischstäbchen komplett.
„Jetzt haben sie sich auch noch zerstritten,“, teilte der J. zum Wochenende mit. Wider Erwarten würden die Pinguine sogar vor Gewalttätigkeiten nicht zurückschrecken, so dass er das größere Tier, Herbert genannt, ins Badezimmer habe einsperren müssen. Der kleinere Pinguin sei nicht wenig traurig über diese Entwicklung, habe es sich in J.´s Unterwäsche bequem gemacht und versuche dort, die jüngsten Entwicklungen psychisch zu bewältigen.
Wenn du,“, so schrieb ich zurück, „die Tiere in paar Stunden allein lassen kannst, kannst du am Freitag zum Pizzaessen kommen. Der M. kommt auch“ – Der J. sagte zu und teilte mit, einen Pinguin mitzubringen.
„Wo ist denn der Pinguin?“, frug ich den J., der ein paar Bierflaschen im Eisschrank verstaute. Der J. deutete neben sich. „Darf ich vorstellen – mein Pinguin Herbert. Meine Exfreundin Modeste.“ „Setzt euch schon mal hin,“, sagte ich und schob das erste Blech ins Rohr.
„Hallo,“, grüßte der eintretende M. ein wenig später, „Wie schaut´s aus bei euch? Das riecht aber gut.“, setzte sich, und sah den Pinguin den ganzen Abend nicht einmal an, als sei er gar nicht da.
Das Zusammenleben mit den Pinguinen gestaltete sich in den Folgetagen, J.´s per E-Mail vermittelten Auskünften zufolge, recht unkompliziert. Die Pinguine würden durch J.´s Wohnung watscheln und gerade in den Abendstunden neugierig das lebhafte Treiben am Helmholtzplatz beobachten. Aus Kostengründen bekämen die Pinguine zwar im wesentlichen nur Fischstäbchen und Fischfilet à la Bordelaise von Lidl zu essen, hätten sich aber über Unterkunft und Verpflegung alles in allem sehr zufrieden geäußert. Beide Tiere seien überdies so gut wie stubenrein. – Ich atmete auf, und die Vision, mit dem wütend protestierenden J. samt zwei übelriechenden Pinguinen im Taxi zum Tierheim zu fahren, verflüchtigte sich in den reinen Sphären von J.´s üppig blühender Phantasie.
„Es ist verdammt langweilig hier.“, schrieb ich dem J. vom Ende der Welt zurück und beschwerte mich ein bißchen über Wesen und Erscheinung der anderen Teilnehmer und schloß: „Viele Grüße auch an die Pinguine, ich bin am Freitag wieder in Berlin.“ – Ich könnte dann ja bei ihm vorbeikommen, antwortete der J. und bot außer einem Blick auf die Pinguine die Zubereitung warmer Speisen an.
Als ich ankam, waren die Pinguine angeblich im Schrank. Der J. hackte Zwiebeln klein, ließ sich von den Mißhelligkeiten des Wissenschaftsbetriebes berichten und gab seiner Zufriedenheit Ausdruck, selber an derartigen Veranstaltungen nicht teilnehmen zu müssen: Wissenschaftliche wie sonstige Talente und Fähigkeiten, so der J., würden stets erhebliche Risiken bergen, und in allzuvielen Fällen habe man nichts als Scherereien damit. Glück im Winkel, predigte der kluge J., und sah auf die Uhr: Zehn Minuten für die Spaghetti.
Die Wochen gingen ins Land. Der Juni wurde warm, sehr warm, und wieder ein bißchen kühler. Unter den Bäumen im Praterbiergarten an der Kastanienallee berichtete der J. vom Schicksal seiner Pinguine: Beide Tiere würden entsetzlich schwitzen, und hätten schon mehrere seiner Hemden durch ihre Ausdünstungen verdorben, denn nach wie vor würden sich die schüchternen Tiere insbesondere in Anwesenheit Dritter in seinem Kleiderschrank aufhalten.
Bei der „Kleinen Eiszeit“ in der Stargarder Straße ein paar Tage später nahm J. gleich zwei Kugeln extra für die Pinguine, die nur wegen unverhofft auftretender Transportprobleme dann doch unverzüglich verzehrt werden mussten. Als der J. ohne Eis heimkehrte, warfen, so der geschätzte ehemalige Gefährte, die Pinguine mit Fischstäbchen nach ihm, und verweigerten nach einer weiteren Woche den Verzehr von Fischstäbchen komplett.
„Jetzt haben sie sich auch noch zerstritten,“, teilte der J. zum Wochenende mit. Wider Erwarten würden die Pinguine sogar vor Gewalttätigkeiten nicht zurückschrecken, so dass er das größere Tier, Herbert genannt, ins Badezimmer habe einsperren müssen. Der kleinere Pinguin sei nicht wenig traurig über diese Entwicklung, habe es sich in J.´s Unterwäsche bequem gemacht und versuche dort, die jüngsten Entwicklungen psychisch zu bewältigen.
Wenn du,“, so schrieb ich zurück, „die Tiere in paar Stunden allein lassen kannst, kannst du am Freitag zum Pizzaessen kommen. Der M. kommt auch“ – Der J. sagte zu und teilte mit, einen Pinguin mitzubringen.
„Wo ist denn der Pinguin?“, frug ich den J., der ein paar Bierflaschen im Eisschrank verstaute. Der J. deutete neben sich. „Darf ich vorstellen – mein Pinguin Herbert. Meine Exfreundin Modeste.“ „Setzt euch schon mal hin,“, sagte ich und schob das erste Blech ins Rohr.
„Hallo,“, grüßte der eintretende M. ein wenig später, „Wie schaut´s aus bei euch? Das riecht aber gut.“, setzte sich, und sah den Pinguin den ganzen Abend nicht einmal an, als sei er gar nicht da.
von: Modeste Schublade: Liebe Freunde Datum: 2. Jul. 2005, 11:47 Uhr