Montag, 17. Oktober 2005

Auf einer Insel schlafen

Wann habe ich eigentlich das letzte Mal ausgeschlafen, überlege ich, einen sehr netten Nachmittag später, und schaue auf der Tafel im Hamburger Hauptbahnhof nach dem nächsten Zug in die norddeutsche Kleinstadt, in die ich weiterfahren soll, und wo man auf mich wartet. Den einen Zug habe ich knapp verpasst, der nächste Zug fährt erst um zehn, und so kaufe ich mir bei Gosch ein Fischbrötchen und greife zum Telephon. Die V. ist gar nicht in Hamburg, höre ich, sondern bevölkert eine Münchener Party, die im Hintergrund geräuschvoll vor sich hin scheppert. Die F. sitzt mit ungezählten Leuten in einem Restaurant in Hamburg herum, ich solle mir ein Taxi nehmen und kommen, brüllt die F. gegen die Hintergrundgeräusche an, aber ich bin so müde, ich mag gar nicht mehr sprechen, ich bin seit Tagen unterwegs, und so verabrede ich mich für ein Wochenende, an dem ich, stelle ich nach dem Auflegen fest, gar nicht in Berlin bin, und versuche mein Glück bei der B.².

„Das ist schön, dass du anrufst.“, sagt die B.², und sagt zum Glück kein Wort von „warum hast du dich nicht gemeldet, wenn du schon einmal da bist“, oder „von dir habe ich ja ewig nichts gehört“. Im Hintergrund ist es ruhig, ich mag gerade gar nicht mehr weiterfahren, und die B.² erklärt mir den Weg mit der U 3 bis zu ihr, und verspricht, sich meiner völligen Orientierungslosigkeit erinnernd, mich an der U-Bahn abzuholen. Mit einer Tüte Schokolade und meiner Tasche überm Arm fahre ich der B.² entgegen, schon in der U-Bahn fallen mir fast die Augen zu, und auf dem Bahnsteig umarmt mich die B.². Zwischen alten, hohen Bäumen laufen wir die Straße herunter, es gibt Wein und die B.² schmiert mir Brote, erzählt ein bißchen von Chorkonzerten und der Kirchengemeinde und zeigt mir Photos, auf denen sehr wenig Leute zu sehen sind und sehr viel Landschaft, Städte, die leer wirken und wie die Straßen, in denen man im Traum ohne Ziel und Eile die Fassaden entlang flaniert. „Schlaf dich erst einmal aus.“, sagt die B.², schickt mich Zähneputzen, löscht die Kerzen und lässt mich allein.

„Viel Spaß.“, wünscht die B.² sehr, sehr früh am nächsten Morgen, bietet zum dritten Mal einen Schal an, schiebt mir ein Butterbrot in die Tasche und setzt mich in die U-Bahn, die mich zum Hauptbahnhof bringt und dann weiter zurück an die Ufer des steten Stroms von Stimmen, Bewegung und Geräuschen.


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