Die blicklosen Gärten
Wievieler fremder Menschen Fuß die Gehsteigplatten berührt haben mag, über die ich frierend die Kastanienallee entlang nach Hause laufe? Wieviele Küsse in der dunklen Toreinfahrt getauscht wurden, wessen Leiche das Treppenhaus heruntergetragen, welches Glück in den Räumen gelebt haben mag, in denen ich die Hände um eine Tasse Tee lege, um ein wenig gewärmt zu werden in dieser kalten Stadt? Wer hat vor dieser Haustür auf jemanden gewartet, der nicht kommen wollte, wer hinter jenem Fenster die Straße entlanggeschaut, welche Hoffnungen sind hinter den dunklen Scheiben eines Eckhauses gestorben – die Steine sprechen nicht zu mir, stumm bleibt der Wind, und meine Finger spüren nichts von der Erregung, der Wut, dem Glück derer, die vor mir auf diesen Straßen gelebt haben. Unberührt, gleichgültig, schaut die Stadt uns zu, die Bäume wollen nichts wissen von unseren Sehnsüchten, der getriebenen Jagd nach etwas Ungenanntem, den kurzen Schauern und einem ohnmächtigen Sinken, das wohl warten mag irgendwo, wenn nicht hier.
Die Tasse weiß nichts von dem, der mit mir Tee trank, Abende lang, um so leise, so unvermisst zu verschwinden, wie er aufgetaucht war. Die Widmung in einem schmalen Band, die von einer Reise spricht, die niemals stattfand. Das hölzerne Nilpferd, das mein Vater in Afrika kaufte. Der Sessel, in dem der Hund gern schlief, als die Polster noch weiß waren, und der Hund noch lebendig. Die Vase mit den Lilien, die auf dem Schreibtisch meiner Großmutter stand, das Bild, das mir ein Allerliebster malte, als er der Liebste noch war, und am Morgen warm und schützend neben mir erwachte. Stumm bleiben die Dinge, und nur in meiner Erinnerung knüpfen sich Fäden an die Dinge, die mit mir verschwinden werden und - von Zeit und Entfernung beschwert - schon täglich loser zu Boden hängen. Und am Ende werden die Dinge, die ich täglich in den Händen halte, vielleicht in einer anderen Wohnung zu stehen, wenn auch ich nicht mehr sein werde als bloße Materie, die sich aufgibt und zurücksinkt ins Ungeformte, wo alle Sehnsucht endet.
Die Tasse weiß nichts von dem, der mit mir Tee trank, Abende lang, um so leise, so unvermisst zu verschwinden, wie er aufgetaucht war. Die Widmung in einem schmalen Band, die von einer Reise spricht, die niemals stattfand. Das hölzerne Nilpferd, das mein Vater in Afrika kaufte. Der Sessel, in dem der Hund gern schlief, als die Polster noch weiß waren, und der Hund noch lebendig. Die Vase mit den Lilien, die auf dem Schreibtisch meiner Großmutter stand, das Bild, das mir ein Allerliebster malte, als er der Liebste noch war, und am Morgen warm und schützend neben mir erwachte. Stumm bleiben die Dinge, und nur in meiner Erinnerung knüpfen sich Fäden an die Dinge, die mit mir verschwinden werden und - von Zeit und Entfernung beschwert - schon täglich loser zu Boden hängen. Und am Ende werden die Dinge, die ich täglich in den Händen halte, vielleicht in einer anderen Wohnung zu stehen, wenn auch ich nicht mehr sein werde als bloße Materie, die sich aufgibt und zurücksinkt ins Ungeformte, wo alle Sehnsucht endet.
von: Modeste Schublade: Datum: 18. Okt. 2005, 1:16 Uhr