Sonntag, 18. Mai 2008

Miese Mode

Sie, sofern Sie eine Dame sind, die nicht älter als 20 und nicht schwerer als 50 Kilo ist, dürfen sich glücklich schätzen. Bitte genießen Sie diesen Moment, der sich – abgesehen von seltenen Fällen – in Ihrem Leben nicht wiederholen wird. Dieser Sommer, mein junges Fräulein, ist der Sommer, in denen Ihnen alles steht.

Diese Unter-der-Brust-Taillen-Teile etwa, die im Fachhandel als Boho-Babydolls gehandelt und mit Röhrenhosen oder Leggings getragen werden. Wenn diese Mode das nächste mal in den Schaufenstern liegt, werden sie 15 Kilo schwerer sein, und mit einem solchen Oberteil aussehen, als seien sie schwanger. Möglicherweise bekommen Sie ihre Oberschenkel in die Hosen auch gar nicht mehr hinein.

Unter Umständen sehen Sie sogar in den Schlauch-Oberteilen gut aus, die aus so einem geriffelten, mit Gummizügen elastisch gehaltenen Material bestehen. Jeder, der dicker ist als Sie, sieht in diesen Dingern gern aus wie eine bunte Wurst, und auch die großformatigen Blumenmuster sehen nur an Ihnen richtig gut aus. Ich beispielsweise wirke in einem solchen Kleid wie eine dicke Frau in einer langen, weiten Kittelschürze.

Auch Ballerinas sehen an Ihren Füßen super aus. Na gut, Sie sind auch mindestens 1,80 Meter groß. Tatsächlich hat man, gerät man unversehens in eine Schulklasse auf Berlin-Ausflug, das Gefühl, die Evolution mache beim Längenwachstum junger Mädchen derartig unmäßige Fortschritte, dass in zehn bis zwanzig Jahren die Durchschnittsdeutsche die Zweimetergrenze durchbrechen werde.

Vielleicht haben Sie auch den ganzen Sommer nichts zu tun und liegen in der Sonne. Dann – und nur dann – werden Sie die Gelegenheit haben, eine Bräune zu erwerben, die unerlässlich ist, um Knallgelb, Hellrot oder dieses Mordspink zu tragen, welches gegenwärtig die Geschäfte ziert.

Nun, und wenn Sie nicht 20 sind, und wenn Sie schwerer sind als besagte 50 Kilo, und kürzer als 1,80 – wenn Sie also beispielsweise nur 1,67 zählen und ungezählte Kilos auf die Waage bringen, dann bleibt es Ihnen unbenommen, im zweiten und dritten Stock von P&C, wo die alten Damen zeitlos schlichte Oberbekleidung erwerben, sich von resoluten und sehr patenten Verkäuferinnen Kleidungsstücke bringen zu lassen, die zwar nicht aktuell sind, nicht besonders elegant, aber immerhin passen.

Und wenn Sie zu Hause sind, vergraben Sie alles im Schrank und hoffen auf den nächsten Sommer.



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