Mein Metafrühstück (mit Butter)
Aus purer Opposition gegen Leute, die sich von jeder Zeitungsmeldung ins Bockshorn jagen lassen, und dann kein Rindfleisch mehr essen wegen Rinderwahn oder keine Fische mehr wegen Nematoden oder so, nach dem Aufstehen erst einmal zwei Eier weichgekocht und mit Butter und Schnittlauch zerdrückt gegessen. Ziemlich eklig schaut das aus, die Spritzer orangefarbenen Dotters auf dem Porzellan, die kleinen, weißen Brocken Eiklar, und das Ganze überzogen mit glänzendem, geschmolzenen Fett.
Auch geträumt, fällt mir ein, habe ich vom Frühstücken, und eine gefüllte, runde Porzellanbutterdose mit einem Rankenrelief stand auf dem Tisch, die ich realiter leider nicht besitze, aber im Traum, erinnere ich mich, gab es sogar Croissants dazu. Überdies war ich in unterhaltsamer Gesellschaft. - Wie meistens zeigt sich also auch diesen Morgen die Realität der Welt meiner Träume als durchaus nicht gewachsen.
Für`s Blog könnte ich auch mal wieder etwas schreiben, sinniere ich über einer Scheibe buttergetränktem Toast zum Ei, und überdies, denke ich weiter, wäre es vielleicht an der Zeit, mein Blog weiterzuentwickeln und neue Leser anzusprechen, die mich bisher nicht lesen, wie sie mir gelegentlich ja mitzuteilen pflegen, denn mein Blog, so vernehme ich aus wohlunterrichteten, wenn auch abgeneigten Kreisen, sei ein wenig manieriert, zu elaboriert meine Texte, insgesamt diese ganze Veranstaltung nicht "bloggish" genug, zu wenig spontan und leider überhaupt nicht authentisch. Zu "möchtegernliterarisch" sei mein Blog, trägt man mir also, kurz gesagt, gelegentlich einmal zu, und das klingt irgendwie unentspannt.
Vielleicht, überlege ich mir, sollte ich fortan alles klein schreiben, das wirkt vielleicht irgendwie interessanter. ich könnte auch in zukunft den eindruck des unambitionierten und hochbegabt unangestrengten durch kryptische einzeiler hervorzurufen versuchen, dann denkt man vielleicht auch von mir, hinter dem kargen schatten meiner wenigen worte verberge sich ein ganzes universum an überaus originellen ideen, die mir ab und zu lässig aus dem hirn in die tastatur fielen.
"zum frühstück eiter", könnte ich etwa posten, vielleicht sogar mit bild meines eiermatsches, das ich sorgfältig präparieren würde. extra für das bild würde ich mir bei "connys container" an der ecke danziger/schönhauser einen roten plastiklöffel kaufen, weil die abbildung meiner perlmuttlöffel unweigerlich den eindruck hervorrufen würde, ich postete jenes bild überhaupt nur, um meine löffel zu zeigen. für diese demonstration würde man mich selbstverständlich verachten, und alles wäre umsonst.
überhaupt wäre es überaus wichtig, ausschließlich über konsumgüter zu schreiben, die entweder jeder besitzt oder zumindest besitzen könnte oder einmal besessen hat. so könnte ich meinethalben behaupten, den eiermatsch im traum in gesellschaft des ergee-kükens verzehrt zu haben, dessen abbild aus weichem kunststoff sich zu zeiten meiner kindheit im inneren von strümpfen des gleichnamigen österreichischen herstellers befand. Das küken würde mich natürlich vorwurfsvoll anquaken, vielleicht würde ich es mich sogar verbal anklagen lassen, weil der verzehr von eiern auf küken naturgemäß verstörend wirken muss. das würde sogar ausgleichen, dass "zum frühstück eiter", nicht so richtig originell ist, aber ich übe ja noch und in zwei wochen wäre ich dann richtig gut.
überhaupt sollte ich gebildeter wirken, wenn schon nicht gebildeter werden, aber da ist derzeit wenig zu machen. so könnte ich statt des ergee-kükens natürlich auch mit personen frühstücken, die zu kennen, ja mit denen vertraulich umzugehen, mich auf eine liebenswert verschrobene art und weise vergeistigter erscheinen lassen würde, als es meiner realität entspricht. wilhelm reich könnte ich auftreten lassen oder peter suhrkamp oder irgendeinen zweitklassigen ungarischen berufsrevolutionär der zwanziger jahre, den meine leser dann erst mal googlen müssten. vielleicht kämen auch sprechende skulpturen aus eiskalter butter vor, die unsterbliche kunstwerke darstellen würden, die entweder jeder kennt oder so gut wie keiner.
ein bißchen schräg zu erscheinen wäre wahrscheinlich ohnehin ziemlich wichtig, auch wenn ich normale leute mit korrekter kleidung und manieren eigentlich wesentlich angenehmer finde als irgendwelche freaks. als richtig knuddelig durchgeknallte person könnte ich es mir aber vielleicht sogar leisten, wieder zur korrekten Klein- und Großschreibung überzugehen, und das wäre mir schon einiges wert. Ich würde dafür behaupten, an irgendwelchen nervösen Ticks zu leiden, die selbstverständlich sehr, sehr skurril wären.
Allerdings würde man mir, kratze ich den letzten Rest Eiermatsch mit Butter aus der Tasse, diese Wandlung vielleicht nicht wirklich abnehmen. Man würde völlig zu Unrecht an eine maliziöse Parodie glauben, und wirklich reizende, von mir hochgeschätzte und überaus begabte Menschen könnten sich von mir angegriffen fühlen und auflegen, wenn ich anriefe, um das Missverständnis aufzuklären, und so beschließe ich, vielleicht besser in versteckten Winkeln des Internets ein neues Blog zu eröffnen, dessen Erfolg, so bin ich mir sicher, stupend sein wird, überwältigend geradezu und grandios.
Man wird, so male ich mir aus, meine Zweitexistenz zu Lesungen einladen unter abfälligem Verweis auf Leute, die man niemals einladen würde wegen ihrer Trivialität, also beispielsweise mich, und mich in Postings, die ich nicht verstehe, verehrungsvoll verlinken.
"Gute Butter" würde ich das Blog nennen, und das Photo vom Eiermatsch käme in den Header.