2008 revisited
Zugenommen oder abgenommen? Drastisch zugenommen. 3 Kilo. Und das bei meiner Größe. Je nach Tagesform nun stets schwankend zwischen dem Vorsatz, nie wieder etwas zu essen, und der Annahme, mit 33 sei das nun auch egal.
In diesem Zusammenhang: Hat hier jemand Erfahrung mit Weight Watchers online?
Haare länger oder kürzer? Gegen Ende des Sommers trotz mehrfacher Versuche einmal keinen Termin beim Ponyclub bekommen und dann woanders angerufen. Fast 70 Euro fürs Haareschneiden in Mitte bezahlt, vor Scham und Trauer über das Ergebnis fast gestorben und dann monatelang nur noch mit hochgesteckten Haaren vor die Tür gegangen.
Nachdem die Haare nachgewachsen waren, wieder nach Friedrichshain, wo Superfriseur Manuel zwischen zwei leicht angewidert abgespreizten Fingern die herausgewachsene Katastrophe begutachtete und seither versucht, zu retten, was zu retten ist.
Mehr Kohle oder weniger? Mehr.
Mehr ausgegeben oder weniger? Mehr.
Der hirnrissigste Plan? Pfingsten mit dem J. nach Heiligendamm. Das ganze, an sich sehr nette Hotel ist gesteckt voller Kleinfamilien aus Hamburg und Berlin mit ausnehmend schönen Müttern, die Wellness-Wochenenden mit der ganzen Familie offenbar massenhaft zum Muttertag geschenkt bekommen.
Alle Frauen sind dünner, gepflegter und blonder als ich. Alle Kinder sind sehr, sehr laut. Zwei Tage extrem schlechter Laune.
Die gefährlichste Unternehmung? Mit dem J. ohne Navigationshilfe auf Kreta Auto fahren.
Mehr Sport oder weniger? Nichts. Irgendwo müssen die drei Kilo ja her kommen. Morgens und abends mit dem Fahrrad ins Büro. Ansonsten fiele es gar nicht auf, fielen mir morgen die Beine ab.
Die teuerste Anschaffung? Zwei Fahrräder, diebstahlsbedingt. Und noch eine Komplettreparatur vor zwei Wochen, nachdem mir das neue Rad unter den Linden von irgendsoeinem Kretin auseinandergeschraubt worden ist: Ein neues Vorderrad. Ein neuer Sattel. Die komplette Lichtanlage. Und ein bisschen Kleinkram.
Das leckerste Essen? Oh. Das war nicht wenig. (Irgendwo müssen die drei ...) Vielleicht die Törtchen in der Werkstatt der Süße (bitte durchs Sortiment klicken!), die es fast verschmerzen lassen, dass der skandinavische Laden dichtgemacht hat, der da vorher war? Oder ganz rustikal Blutwurst mit Äpfeln und Zwiebeln? Möglicherweise im Hartmanns, wo es mir besser schmeckt als in vielen höher dekorierten Läden?
Das beeindruckendste Buch? Kein Jahr der reichen Beute, so literarisch. An Neuerscheinungen fällt mir nur des formidablen Christian Krachts Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten ein. Eine surreale, vollkommen mit schwarzen, ausgebrannten Träumen ausgeschlagene Reise in die Unterwelt, die – dies beiseite – werkimmanent zu steigern kaum mehr möglich erscheint: Christian Krachts drei Romane handeln alle von Reisen, doch wo in Faserland noch eine – zugegeben subjektiv gespiegelte – Bundesrepublik bereist wird, steht in 1979 nurmehr ein medial-mythologisch überformtes Setting zur Verfügung, das mit dem realen Persien rein gar nichts zu tun hat, und in dem neuesten Buch gibt es nur noch Traumfetzen, eine kalte, filigrane, sehr, sehr perfekte Agonie.
Ansonsten aus dem Vorjahr – bei mir kommt ja alles immer leicht verspätet an: Thomas Glavinic. Das bin doch ich. Sehr amüsant, ein Buch wie ein Baiser. Das richtige für eine fette Grippe. Vom selben Stapel, aber aus diesem Jahr: Adam Soboczynski, Die schonende Abwehr verliebter Frauen, eine lose verbundene Reihe kurzer, in der Manier eines Ratgebers scheinbar illustrativ angeführter hintergründiger Geschichten über den richtigen Gebrauch der Lüge, und älter, aber gut Nicolaus Sombart, Journal Intime, und Doderers Strudlhofstiege, die ich vor Jahren angefangen, aber erst jetzt fertiggelesen habe.
Das enttäuschendste Buch? Jonathan Littell. Die Wohlgesinnten. Und natürlich Uwe Tellkamp.
Der ergreifendste Film? Waltz with Bashir. Am meisten gelacht, wenn auch dem Genre entsprechend nicht im engeren Sinne ergriffen: Burn After Reading.
Die beste CD? Ich habe einen guten Freund, den M., welcher einmal in einer Kanzlei angestellt war. Als diese umzog und auch die Mitarbeiter angeben sollten, was sie gern an den neuen, noch kahlen Wänden sehen würden (Kunst, wie sich versteht), antwortete der M. auf die Frage nach seinen diesbezüglichen Vorlieben mit den legendären Worten: „Mich dürfen sie nicht fragen, ich hab’ keinen Geschmack.“
So ähnlich geht’s mir mit Musik ...
Die meiste Zeit verbracht mit…? Kollegen.
Die schönste Zeit verbracht mit… ? Freunden.
Vorherrschendes Gefühl 2008? Eine Zwischenzeit zu durchleben. Abgeflogen zu sein, und nicht zu wissen, wo und wann die Landung stattfindet.
2008 zum ersten Mal getan? Einen Makler beauftragt, mir eine Wohnung zu vermitteln.
2008 nach langer Zeit wieder getan? Ein Musical besucht. Vor inzwischen zwei Jahrzehnten, als meine Großmutter noch lebte, habe ich sie öfter in die Operette begleitet. Die lustige Witwe. Der Vetter aus Dingsda. Im Weißen Rössl. Da war auch das eine oder andere Musical dabei. An die West Side Story erinnere ich mich. Seither habe ich diese Kunstform 20 Jahre gemieden. Wie ich in der Komischen Oper feststellen musste: Offenbar zu Unrecht. Kiss me Kate war bezaubernd.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? Drei Kilo mehr, siehe oben.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte? Nicht einfach, seinen Doktorvater davon abzubringen, aus einer ordentlichen Diss eine viel, viel bessere Diss zu machen und zu diesem Zweck noch ein weiteres Jährchen dranzuhängen.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe? Zeit.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat? Zeit.
Der folgenreichste Satz, den jemand zu mir gesagt hat? „Sie bekommen das schon hin.“
Der folgenreichste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe? „Aber klar.“
2008 war mit 1 Wort…? In Ordnung.
Vorsätze für 2009? Reiterferien. Vielleicht am Meer, mal sehen. Schreiben, hier und anderswo, egal, ob das, was dabei rauskommt, etwas taugt. Glücklich sein. Sich und sein Leben bewohnen und nicht nur dabeisein. Intensität, wenn es das gibt. Tja, und drei Kilo abnehmen
(Via Frau Wortschnittchen und Frau Kaltmamsell)
H.H.