Nett
Nett, denke ich und schaue mir im Weinbergspark die Männer an, wie sie träge auf ihren Decken liegen, Bier oder Bionade trinken und rauchen, telephonieren oder mit kleinen Kindern spielen. Fast alle sind so circa 30. Die meisten sehen okay aus, ganz gut im besten Fall, und im schlechtesten immer noch so, dass es keine Frechheit darstellt, wenn sie das Hemd ausziehen und blinzeln halbnackt in die Sonne. Gute Sonnenbrillen haben die meisten und fast keiner hat Haare auf der Brust, weil man das gerade nicht so trägt.
Reizende Leute, denke ich mir und zünde mir eine Zigarette an. Fast alle hören ordentliche Musik, haben anständige Ansichten über die meisten Dinge im Leben, sind hinreichend klug und wissen ihre vernünftigen Ziele von den unvernünftigen zu unterscheiden. Die meisten sind ein bißchen träge. Wenn sie Frauen treffen, erklären sie sich und ihre Empfindungen, manche machen Musik daraus, einige schreiben ironische Lieder, und wenn man sie einmal trifft, nachts um drei: Sie diskutieren über Gott und die Welt und die Gesellschaft und alle diese Dinge.
Wirklich nette Jungs, gähne ich ein bißchen, weil ich schlecht geschlafen habe letzte Nacht mit zwei tobenden Katzen in der Küche, und frage mich, ob die Männer auf den Decken im Park eigentlich so sein wollen, wie sie sind, oder ob sie heimlich, ganz allein zu Hause vielleicht, davon träumen, die Muskeln spielen und die Kiefer krachen zu lassen, statt zu schreiben oder zu singen Heldentaten zu vollbringen, Frauen ohne viele Worte unanständige Anträge zu machen, und einfach aufzuhören, sich die Haare auf der Brust zu entfernen, und warum sie, falls sie das wollen, das nicht ab und zu einfach tun.
Man weiß sehr wenig über Männer, fällt mir auf, mit meinem doppelten Espresso im Pappbecher im Weinbergspark, und lächele ein wenig ins Leere, denn die netten Jungs lächeln mich nicht an, und ich weiß nicht, ob sie nicht wollen, oder ob sie es nur nicht tun, und wieso eigentlich nicht, am Donnerstag abend zwischen sieben und acht oder auch zu ganz anderen Zeiten.
Vielleicht handelt es sich um eine unbekannte Generation? Ob meine beiden hübschen und fähigen Werkstudentinnen (Mitte 20) in der Kantine immer so wenig essen, weil sie keine großen Esserinnen sind, oder weil sie Angst vor dem Dickwerden haben, weiß ich ja auch nicht.
Ich beobachte regelmäßig beim Mittagessen in der TU Mensa, dass sich die jungen Dinger, die Mädels vor allem, aber auch die jungen männlichen Studenten unglaubliche Mengen von wirklich gutem Essen auf den Teller schaufeln, in der Tradition der Unsitte von Kleinbürgern* am kalten Buffet, um dann die Hälfte auf dem Teller liegen zu lassen. Wenn nicht noch mehr. Es wird hier und da mit spitzen Spinnenfingern ein wenig gezupft und geknabbert und dann der beladene Teller auf das Laufband gestellt. Generations- und erziehungsbedingt leide ich unter der konträren Störung, meinen Teller immer leer essen zu wollen, zu sollen. Aber ich bin ja auch alt genug, um meinen Appetit langsam einzuschätzen. Mich widern diese beladenen Teller an, diese Unmengen guter Nahrungsmittel, die im Müll landen. Was kostet die Welt, man leistet sich diese regelmäßige, ja tägliche Dekadenz wie ein Status Symbol. Gruselig. Bin ich streng!
*) wobei zur Ehrenrettung des Kleinbürgers vermerkt werden muss, dass dieser zumeist über einen guten Appetit verfügt und seinen Teller ordentlich leer isst!