Lass mich schlafen

Irgend etwas stimmt nicht mit der Beleuchtung. Es ist eine Nuance zu hell, und obwohl das Essen gut, und die Einrichtung angenehm ist, schaut man immer wieder hoch, wo eine Art leuchtende Raupe unter der Decke hängt, und überlegt, ob man den schmächtigen, britischen Kellner bittet, das Licht etwas zu dämpfen. Lass mich schlafen, denkt man, den ganze Mund voller Sojasuppe, und in der Schüssel liegen die bleichen, dicken Udon-Nudeln wie wohlschmeckende Würmer.

Jetzt soll Nacht sein, denke ich, und schließe für Momente die Augen, aber der Tag hört nicht auf, obwohl es dunkel ist. Die Woche läuft weiter und weiter, und vor meinen Augen platzen lauter kleine Pop-Ups auf, in denen steht, was ich tun muss oder hätte tun müssen. Sie habe ein Meeting am Sonntag um zehn im Büro, erzählt die C. und ich beschließe, diesen Sonntag nicht zu arbeiten, sondern zu schlafen, den ganzen Tag zu schlafen, bis ich mich wieder spüren kann und an etwas denken, was nichts mit dem zu tun hat, was ich tue.

Wie man heute wohl aussieht, von außen, überlege ich später im fließenden, orangefarbenen Licht der Bar 103, und trinke in kleinen Schlucken vom Martini bianco in meinem Glas. Um mich herum erzählen sich lauter Leute laut und aufgekratzt ihre Pläne für die Nacht, um dann irgendwohin zu fahren, wo die Nacht lang sein wird, und die Bässe laut.

Ich aber schaue der C. hinterher, wie sie die Kastanienallee entlang nach Hause fährt, und lege mich ins Bett, kurz vor eins, Samstagnacht. Lass mich schlafen, denke ich noch, und versuche, die Systeme auszuschalten, die gleichwohl unerbittlich weiterrattern, seltsame und verdorbene Nachrichten in meine Träume schicken, und meine Hände zucken lassen, als müsse ich etwas tippen, jetzt gleich, noch nachts, und will doch schlafen, schlafen, schlafen.

wortschnittchen - 21. Jan. 2007, 21:43 Uhr

Liebe Frau Modeste, wie gut kann ich es Ihnen nachfühlen. Der Gedanke ans Durchhalten bringt einen dazu, sich wie ein von Outlook ferngesteuerter Roboter zu fühlen. Das einzige, was hilft: sich Termine für das eigene Wohl, die eigene Gesundheit zu setzen. Die dürfen dann auch ruhig mit einer höchsten Wichtigkeit aufpoppen.
Modeste - 21. Jan. 2007, 23:11 Uhr

Das geht gut, solange sich die Arbeit in der restlichen Zeit erledigen lässt. Wenn das nicht mehr der Fall ist, fallen nach und nach alle anderen Termine rechts und links vom Tisch, und es bleibt nur zu hoffen, dass man mit der Zeit besser wird im Balancieren, schneller, gewandter und geschickter in der Disziplin, etwas von sich zurückzubehalten.
DrNIx - 22. Jan. 2007, 9:34 Uhr

Nix Feierabend

... macht der Kopf. Es gibt immer was zu tun. Als freiberuflicher Student. Selbst wenn alles getan ist, dann ist da immer noch dieses und jenes Buch, das man mal lesen müßte um über dieses und jenes noch mehr zu wissen. Beim Einschlafen nicht an morgen denken. Nur das nicht. Das kommt früh genug.
fragmente - 22. Jan. 2007, 10:59 Uhr

Da würde ich Sie doch diesbezüglich mal was fragen wollen.
Würden Sie auf Gehalt verzichten, um dafür mehr Zeit zu haben?
Modeste - 27. Jan. 2007, 18:17 Uhr

Das, Herr DrNiX, ist dann wohl der Preis, den man zu zahlen hat für die Teilnahme am Spiel, auf die man, um Ihre Frage, Frau Fragmente zu beantworten, aber auch nicht verzichten mag, und so ist mir das Dabeisein die Erschöpfung dann wohl schlicht wert.

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