Ehrlichkeit

In Beziehungen, so sagt der Romantiker, sollen wir ganz wir selbst sein dürfen. Bedingungslos angenommen vom anderen, geborgen vor den kalten Winden des äußeren Lebens. Dies beinhaltet auch Ehrlichkeit, absolute Offenheit, insbesondere in Bezug auf die eigene Vergangenheit. Und so gehen die Jahre ins Land, und irgendwann schleppen wir viel Vergangenheit in amore mit uns herum. So viele Jahre hat sich der Richtige nun schon nicht blicken lassen. Und die Falschen kommen und gehen.

Aber wenn der Richtige kommt? Mr. Right, so die Mehrzahl der Diskutanden einer Debatte, die vor einigen Tagen beim Weib geführt wurde, werde die eigene Vergangenheit nicht uns zum Nachteil gereichen lassen. Er werde die Wünsche und Begierden teilen, und die Asche der früheren Leben werde kein Hindernis darstellen, eben weil er der Richtige ist.

Hinter dieser Utopie verborgen lebt der Glaube, für jede und jeden von uns gebe es diesen Richtigen, der für uns bestimmt ist. Der alle Vorzüge aufweist, die uns wichtig sind und nur die Nachteile hat, die uns nicht unüberwindlich stören. Der uns liebt, weil wir so sind, wie wir sind. Mit den scharfen Kanten und Brüchen, den Beschädigungen und Fehlern, die wir mitgebracht oder erworben haben auf dem langen Weg. Wir müssten ihn nur finden.

Ich glaube das nicht. Oder nicht mehr. Es gibt sicher mehr oder weniger passende Kombinationen. Aber diejenigen, die die Frau suchen, die wir nun einmal sind, die sind selten. Weist einer die erforderlichen 90 % Übereinstimmung mit dem gewünschten Ideal auf, ohne die das neue Paar nicht einmal den ersten Urlaub übersteht, wieso sollte er dann auch noch die erforderliche Toleranz für ein unkonventionelles Privatleben mitbringen?

Ich führe kein so mutiges Liebesleben wie das Weib. Was ich betreibe, ist mit dem häßlichen Namen der seriellen Monogamie nicht schlecht getroffen. Zurückweisung für eine Episode meiner Vergangenheit hat mich wohl auch daher erst einmal getroffen. Und es ging um eine einzige Nacht, lange bevor ich den Mann traf, der die Geschichte von Bekannten erfuhr. Er hat über dieses Wissen nicht direkt gesprochen. Aber es war deutlich zu verspüren, dass ich ihm weniger teuer war, meine Gefühle ihm weniger berücksichtigenswert erschienen, und dass er sich hütete, mehr in mir zu sehen, als die Freundin eines kalten Winters. Ich habe ihn wirklich geliebt, und die spürbare Zurückhaltung tat weh.

Vielleicht wäre er derjenige gewesen, an dessen Hand ich heute mit Kind auf dem Arm auf dem Kollwitzplatz Gemüse kaufen könnte. Vielleicht kommt der Richtige noch, mit dem ich es aushalte. Hoffentlich hält er es dann auch mit mir aus, so launisch, unzuverlässig und anstrengend, wie ich bin. Ob mein Vorleben dann noch als möglicher Stolperstein auf den Tisch gelegt werden muss, bezweifele ich. Eine Unwahrheit über mich wird dieses Schweigen nicht beinhalten. Denn ich werde mich zeigen, wie ich bin. Nicht wie ich war.
maktub - 11. Jan. 2005, 23:11 Uhr

Mr & Mrs Right have a look to the past

Liebe Modeste, jeder hat seine Theorie, jeder hat seine Geschichte. An der Geschichte des Weibs hat mich überrascht, dass sie auf der Suche nach Mr Right ist. Ihr Leben, kreisend um ihre Lust, klang so überzeugt, dass ich die Sehnsucht nach einem solchen Partner nicht vermutet hätte. Ein echter Spagat, um den ich sie nicht beneide.
Meine Theorie ist relativ einfach.
Wenn deine Vergangenheit dort ist wo sie hingehört, nämlich in der Vergangenheit, wird sie deine Gegenwart nicht belasten. Dann wird dich das, was war vielleicht interessieren, vielleicht auch nicht.
Wenn du das tust, von dem deine Intuition und dein Gefühl sagt, dass es richtig ist, wirst du ebensolche Menschen treffen.
Alles Gute
M.

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