Ungeküsst

Ein guter Teil meiner verpassten Chancen lagert in einer Teedose, in der das Warenhaus Fortnum & Mason mir vor Jahren einmal eine Portion Earl Grey verkauft hat. Die Teeblätter sind nun dahin, und statt der braunen Blätter knüllen sich seit Jahren die Zettelchen mit unangerufenen Telephonnummern junger Herren im Blech und riechen streng nach Bergamotte. Weil sich die Zahl der Interessenten in Grenzen hält, reicht eine Teedose völlig aus, mein ungelebtes Liebesleben aufzubewahren.

Hinter dieser ohnehin nicht besonders umfangreichen Sammlung von Telephonnummern, deren Inhaber gewillt waren, von Mademoiselle Modeste angerufen zu werden, bleibt die Zahl der beherzt zugreifenden Herren noch einmal deutlich zurück. Aus verständlichen Gründen halte ich keine Trophäen in Händen – besäße ich welche, wäre eine Zigarettenschachtel mit einiger Sicherheit groß genug.

Die These, wonach auch alleinstehende Frauen eher selten zur Keuschheit gezwungen sind, scheint in meinem Leben irgendwie nicht zu funktionieren. Kein nächtlicher Nachbar fällt mir auf öffentlichen Sofas um den Hals. Kein hübscher Tänzer probiert, ob ich nicht nur tanzen, sondern auch küssen kann. Auf der vorerst letzten Party meines Singlelebens saß ich irgendwann mit einem reizenden Jungen in der Küche, der mir einen feurigen Vortrag über das EU-Beihilfenzertifizierungsverfahren hielt. Vor meiner Tür bekam ich seine Nummer, und das Taxi fuhr davon. Und der niedliche Schweizer am Samstagabend aus den Kunstwerken ist auch ohne weiteren Körperkontakt entschwunden.

Tips guter Freundinnen, in deren Leben dieses spezielle Problem keine Rolle zu spielen scheint, können sich die Ratgeberinnen alle ans Knie nageln. Nonverbal habe ich einen Sprachfehler. Und zu direkten Ansprachen bin ich auch nicht fähig.

Da bleibt wohl nur Heiraten.
Don Alphonso - 31. Jan. 2005, 18:34 Uhr

Earl Grey

Vielleicht liegt es am Tee. Echte Männer trinken Assam. Ohne Zucker.
Modeste - 31. Jan. 2005, 18:40 Uhr

Die Teedose wechseln hilft?
Booldog - 31. Jan. 2005, 18:48 Uhr

Nach Sigmund Freud ein ganz klares Nein.
Modeste - 31. Jan. 2005, 19:42 Uhr

Verdammt, da haben Sie mir ja schon wieder eine kaum aufgekeimte Hoffnung zerschossen.
Booldog - 31. Jan. 2005, 20:15 Uhr

Ach was.

"Es gab eine Frau, 'ne famose,
Die hielt ihre Männer wie Lose.
'So sind sie ganz zahm,
Doch will ich es hahm,
Laß ich wirbeln sie in meiner Dose.'"

Der mußte sein.
gibsmir - 31. Jan. 2005, 19:50 Uhr

Hmm, ich als Mann denke sicher wieder zu geradlinig: Warum zur H*ll* legen sie die Nummern in der Dose ab, statt sie zu benutzen? Oder frißt Jamba ständig das Guthaben von der Prepaid-Karte auf?
Lyssa - 1. Feb. 2005, 11:46 Uhr

Darf ich vielleicht ein paar Kandidaten

abtreten? Man hat sie nämlich bekanntlich nur, wenn man sie nicht gebrauchen kann. Und da ich grad eine engere Beziehung mit meiner Winterdepression eingehe, kann ich willige Männer, die sich unter meinen kuscheligen Schwermutkapuzenpulli schlängeln wollen, so überhaupt gar nicht gebrauchen. Ich schick gleich mal eine Kartei rüber ;-)
Bandini - 1. Feb. 2005, 12:06 Uhr

Kartei Teedose

Eine Kartei scheint mir die moderne Form einer Teedose zu sein. Der Vorteil ist, dass man entsprechende Daten leichter auch an räumlich entfernte Personen übermitteln kann. Für mich bedeutet dies, dass eine Telefonnummer, die ich einer Frau sagen wir mal in Berlin gebe, dazu führen könnte, dass eine attraktive Frau aus meinem Stadtteil bei mir anruft. Ich vergebe ab sofort wieder Festnetznummern, daran ist meine Herkunft besser zu erkennen und die Nummer ist damit besser innerhalb Deutschlands verteilbar.

Da muss doch eine Geschäftsidee hinterstecken.
proll_rocker - 1. Feb. 2005, 15:10 Uhr

Männer haben einen unstillbaren Drang zu praktischer Hilfestellung. So kann auch ich nicht anders als dir ein Paar Tipps zu geben:

1. Geh ins Fitnessstudio. Aber keine Kurse besuchen, da sind nur Frauen. Richtiges Studio aussuchen; nicht dort wo die Muckibudenfraktion verkehrt (erkennbar an großflächigen Tattoos, kurzen Haaren und an Hosen, wie sie schon vor 15 Jahren von Provinz-Pimps getragen wurden), sondern gerne Studios mit etwas höherem Monatsbeitrag. Nach Probeabo fragen!

2. Kauf dir einen Hund. Größe ist egal, wenn es kein Chihuahua oder so eine chinesische Palastratte ist. Wenn Kauf inopportun, leih dir einen. Das Tierheim in deiner Nähe freut sich über Menschen, die Hunde ausführen. Nicht tagsüber gehen, da sind nur Frauen mit Hunden unterwegs. Je schöner der Hund, desto größer die Chance, angesprochen zu werden. Hundebesitzer grüßen sich!

3. Hilfeheischend durch den Baumarkt irren. Lass dir den Unterschied zwischen einem 14,4- und einem 18-V-Akkuschrauber erklären, oder den zwischen Bohrern aus HSS-Stahl oder mit Titanbeschichtung. Aber niemals Samstags, da kommt Mutti mit zum Tapetenaussuchen!

4. Meide Bioläden, Vernissagen, Volkshochschulkurse und Baggerseen. Da wird das nichts!

5. Heiraten (und Kinderkriegen) muss man wirklich mögen. Kann ein echt harter Deal werden.
kid37 - 1. Feb. 2005, 19:21 Uhr

Vernissagen sind nicht so schlecht. Da gibt es was Alkoholisches zu trinken, und manchmal kann man sich mit Gleichgesinnten hinausstehlen, wenn die Eröffnungsrede gar zu langweilig wird.
Modeste - 1. Feb. 2005, 23:11 Uhr

Dann steht man also vor der Galerie, der Gleichgesinnte ist lustig, kommt ins Erzählen und irgendwann geht man nach Haus´, hat eine Nummer für die Dose dabei und Küsschen gibt´s höchstens auf die Wangen. Versteh´ einer die Männerwelt....

Männer aus dem Baumarkt will ich nicht.

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