Generationenkonflikt
Als der freundliche ältere Herr, der gegen Mittag in der Rochstraße einer Frau den heruntergefallenen roten Seidenschal aufgehoben hat, haben Sie sich vielleicht gefragt, wer ich sein mag, und wer der Junge neben mir. Als ein regelmäßiger und geschätzter Leser dieses Blogs kennen Sie natürlich mich, und auch mein kleiner Cousin, heute und morgen zu Besuch in Berlin, ist Ihnen ein Begriff. „Aha,“, denken Sie nun, „so schaut das Fräulein Modeste also aus“, und weil Sie ein neugieriger Mensch sind, bedauern Sie vielleicht gerade, uns nicht gefolgt zu sein ins Zoe.
Dass Sie uns nicht nachgegangen sind, bedaure ich selbstverständlich insbesondere für Sie, denn im Zoe kann man hervorragend speisen, auch wenn man ein wenig zu steril sitzt, so in weiß und hellem Holz, ein wenig wie in der Saphire Bar, die Sie vielleicht kennen. Günstig ist es dazu, so günstig, dass ich mich jedesmal frage, wie der Laden sich rechnen kann, wenn ein Mittagessen so sechs, sieben Euro kostet, und man selbst abends für die Turnschuhe meines geschätzten kleinen Cousins viele Freunde beköstigen könnte.
„Kleines Luxusbalg,“, necke ich daher meinen Cousin, der ein wenig langatmig die Anschaffung weiterer Schuhe erörtert. Mein Cousin errötet. Dann frage ich ihn, noch bevor das Essen kommt, nach dem Verlauf seiner künstlerischen Versuche, und er beschreibt seine Vision der Malerei mit raumgreifenden Bewegungen seiner Arme. Die Bilder müssen groß sein, oder zumindest ist es die Vision.
„Kannst du dir vorstellen, in diese Richtung zu studieren?“, versuche ich ihn wieder in irdische Sphären zu ziehen. „Ach was,“, meint der Kleine, und verweist auf die fehlenden Möglichkeiten wirtschaftlichen Erfolges und das unzureichende Sozialprestige des Künstlers. Ich schaue ihn ein wenig irritiert an, und versuche mich an die Bedeutung ökonomischer Erfolgsperspektiven für meine Berufswahl zu erinnern, die ich auch in der Rückschau als eher untergeordnet bewerte. „Man muss seine Familie ja auch einmal ernähren könne.“, erläutert der Kleine und erntet einen noch irritierteren Blick über meine Orecchiette hinweg.
Auf dem Grunde des Tellers angelangt, hat mein kleiner Cousin seine persönliche Lebensplanung offenbar einigermaßen erschöpfend dargelegt. Geplant ist eine Karriere vorzugsweise in der Juristerei, die er sich inspiriert von einigen anderen Familienmitgliedern als einigermaßen unproblematisch imaginiert. Geheiratet soll werden, ein paar Kinder sollen her, und einen Hund will er haben. Auf keinen Fall, so der Kleine, soll ein Leben dabei herauskommen bar der tiefen Bindungen, versinkend in hedonistischer Leere, angefüllt mit Scheidungen, Psychotherapien und Verantwortungslosigkeit.
„Oha,“, sage ich da und ordere auf den Schreck eine Crème Brûlée. Mein Cousin spricht nun über den verfehlten Zeitgeist, Menschen, die ihren Körper als einen Rummelplatz missbrauchen, und fehlgeleitete Selbstverwirklichung als Ursache familiären Elends.
„In der Praxis sieht´s dann alles doch etwas anders aus.“, relativiere ich den konservativen Redestrom des Kleinen. Mein kleiner Cousin aber insistiert. Alles werde er anders machen, in seinem künftigen Leben fernab der Oberflächlichkeit, und werde in diesen ruhigen und sicheren Gewässern, in denen sich schon erhebliche Zeit kein ernstzunehmendes Familienmitglied mehr hat blicken lassen, wahres Glück finden.
Und auch ich, so bietet er auf der Suche nach weiteren Schuhen an, darf im Schoße seiner zukünftigen Familienidylle mein Alter verbringen.
Na dann.
Dass Sie uns nicht nachgegangen sind, bedaure ich selbstverständlich insbesondere für Sie, denn im Zoe kann man hervorragend speisen, auch wenn man ein wenig zu steril sitzt, so in weiß und hellem Holz, ein wenig wie in der Saphire Bar, die Sie vielleicht kennen. Günstig ist es dazu, so günstig, dass ich mich jedesmal frage, wie der Laden sich rechnen kann, wenn ein Mittagessen so sechs, sieben Euro kostet, und man selbst abends für die Turnschuhe meines geschätzten kleinen Cousins viele Freunde beköstigen könnte.
„Kleines Luxusbalg,“, necke ich daher meinen Cousin, der ein wenig langatmig die Anschaffung weiterer Schuhe erörtert. Mein Cousin errötet. Dann frage ich ihn, noch bevor das Essen kommt, nach dem Verlauf seiner künstlerischen Versuche, und er beschreibt seine Vision der Malerei mit raumgreifenden Bewegungen seiner Arme. Die Bilder müssen groß sein, oder zumindest ist es die Vision.
„Kannst du dir vorstellen, in diese Richtung zu studieren?“, versuche ich ihn wieder in irdische Sphären zu ziehen. „Ach was,“, meint der Kleine, und verweist auf die fehlenden Möglichkeiten wirtschaftlichen Erfolges und das unzureichende Sozialprestige des Künstlers. Ich schaue ihn ein wenig irritiert an, und versuche mich an die Bedeutung ökonomischer Erfolgsperspektiven für meine Berufswahl zu erinnern, die ich auch in der Rückschau als eher untergeordnet bewerte. „Man muss seine Familie ja auch einmal ernähren könne.“, erläutert der Kleine und erntet einen noch irritierteren Blick über meine Orecchiette hinweg.
Auf dem Grunde des Tellers angelangt, hat mein kleiner Cousin seine persönliche Lebensplanung offenbar einigermaßen erschöpfend dargelegt. Geplant ist eine Karriere vorzugsweise in der Juristerei, die er sich inspiriert von einigen anderen Familienmitgliedern als einigermaßen unproblematisch imaginiert. Geheiratet soll werden, ein paar Kinder sollen her, und einen Hund will er haben. Auf keinen Fall, so der Kleine, soll ein Leben dabei herauskommen bar der tiefen Bindungen, versinkend in hedonistischer Leere, angefüllt mit Scheidungen, Psychotherapien und Verantwortungslosigkeit.
„Oha,“, sage ich da und ordere auf den Schreck eine Crème Brûlée. Mein Cousin spricht nun über den verfehlten Zeitgeist, Menschen, die ihren Körper als einen Rummelplatz missbrauchen, und fehlgeleitete Selbstverwirklichung als Ursache familiären Elends.
„In der Praxis sieht´s dann alles doch etwas anders aus.“, relativiere ich den konservativen Redestrom des Kleinen. Mein kleiner Cousin aber insistiert. Alles werde er anders machen, in seinem künftigen Leben fernab der Oberflächlichkeit, und werde in diesen ruhigen und sicheren Gewässern, in denen sich schon erhebliche Zeit kein ernstzunehmendes Familienmitglied mehr hat blicken lassen, wahres Glück finden.
Und auch ich, so bietet er auf der Suche nach weiteren Schuhen an, darf im Schoße seiner zukünftigen Familienidylle mein Alter verbringen.
Na dann.
von: Modeste Schublade: Familienalbum Datum: 24. Mär. 2005, 15:01 Uhr
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Nehmen Sie das Angebot an! Und wenn es nur dazu diente, Ihrem Cousin jahrelang das Scheitern seiner Träume vor Augen zu führen!