Mysterien des Alltags
Schön ist es auch im drei am Helmholtzplatz, zumindest solange man dort nichts à la carte ordert, und so bestelle auch ich mir gelegentlich Menschen, die ich gerne um mich habe, in jenes Lokal von entspannter Urbanität. Hat man aber zwar bereits einen Tee bestellt, die bestellte Freundin ist jedoch noch nicht eingetroffen, so kann man sich bisweilen in seltsamen Zwischenrealitäten wiederfinden, vor denen ich auch an dieser Stelle nur warnen kann – aber urteilen Sie selbst:
„Modeste?“, wird man von der Seite angesprochen, und sieht sich einem schlaksigen, blonden Herrn gegenüber, der einem nicht einmal vage bekannt vorkommt. „Ja?“, antwortet man deswegen und kramt in seinem unaufgeräumten Gehirn nach diesem zwar minder markanten, aber so unauffällig nun doch wieder nicht gestalteten Gesicht, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Währenddessen nimmt der Fremde auf dem Sofa gegenüber Platz und beginnt angeregt und etwas hastig von einer Silvesterfeier zu sprechen, die zu besuchen man sich ganz und gar nicht erinnern kann. Zwar wäre man um ein Haar auf jener Feier ins Jahr 2004 gelangt, aber Kreuzberg ist weit, und wenn mich mein Gedächtnis nicht völlig trügt, so war man mit Personen, die man sogar noch namentlich bezeichnen könnte, vielmehr in der Volksbühne, und ganz und gar nicht bei jener Bekannten, die unweit der Bergmannstraße ein paar Menschen an ihrem Esstisch versammelt hat. „Da war ich gar nicht.“, sage ich daher zu dem Fremden. Man müsse sich bei anderer Gelegenheit begegnet sein, denn eine Verwechslung scheint aufgrund der Namensnennung jener wohl tatsächlich gemeinsamen Bekannten ausgeschlossen.
Der Fremde beharrt. Man habe sich diese ganze Silvesternacht angeregt unterhalten, er erinnert an ein paar Anekdoten aus dem Leben von Schwesterchen, meinen damals noch geschätzten schwarzlockigen Gefährten, und den tödlichen Gin Tonic, der auf meine Unfähigkeit, Longdrinks nicht nur zu trinken, sondern auch zu mixen, zurückzuführen ist.
Wir müssten uns von anderer Gelegenheit her kennen, sage ich, die sich nunmehr ganz genau an diesen Jahreswechsel erinnern kann. Er sei doch nicht verrückt, sagt mein Gegenüber. Er wisse noch ganz genau, was auf dem Tisch gestanden habe bei jener Kreuzbergerin, die den guten Dingen aus der Küche sehr zugetan sei. Er zählt die Speisefolge auf, und ich bin mir sicher, derartige Dinge bei jener Bekannten überhaupt nie zu mir genommen zu haben.
„Das werden wir wohl nicht aufklären können.“, sage ich, und wünsche ihm noch einen schönen Abend. Nun wird der Fremde ein wenig ungehalten. Ich hätte ihn damals nicht nur nicht angerufen, was angesichts der Existenz des vormals geschätzten Gefährten zwar verständlich sei, nach dem Verlaufe dieser Silvesternacht aber nicht gerade zu erwarten gewesen wäre. Nun behaupte ich sogar, mich noch nicht einmal an ihn erinnern zu können? Er wisse nicht, was ich für ein Problem habe, aber schließlich habe er noch alle Gedanken beisammen, und wenn ich mich nicht (danke, Herr Kid) erinnern könne, was ich an so markanten Daten wie dem 31.12. getrieben habe, dann täte ich ihm rechtschaffen leid. Sprach´s, machte kehrt, und setzte sich ganz weit weg.
Wenig später, die Freundin ist unterdessen angekommen, frage ich sie, die zumindest meiner Erinnerung nach an jenem Abend mit mir in der Volksbühne getanzt hat, nach dem vorletzten Jahreswechsel. Sie überlegt lange. „Da waren wir in der Volksbühne.“, sagt sie, und ich atme auf. Also doch nicht Alzheimer. „Siehst du den Kerl da drüben?“, frage ich. „Nie gesehen.“, sagt sie.
„Modeste?“, wird man von der Seite angesprochen, und sieht sich einem schlaksigen, blonden Herrn gegenüber, der einem nicht einmal vage bekannt vorkommt. „Ja?“, antwortet man deswegen und kramt in seinem unaufgeräumten Gehirn nach diesem zwar minder markanten, aber so unauffällig nun doch wieder nicht gestalteten Gesicht, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Währenddessen nimmt der Fremde auf dem Sofa gegenüber Platz und beginnt angeregt und etwas hastig von einer Silvesterfeier zu sprechen, die zu besuchen man sich ganz und gar nicht erinnern kann. Zwar wäre man um ein Haar auf jener Feier ins Jahr 2004 gelangt, aber Kreuzberg ist weit, und wenn mich mein Gedächtnis nicht völlig trügt, so war man mit Personen, die man sogar noch namentlich bezeichnen könnte, vielmehr in der Volksbühne, und ganz und gar nicht bei jener Bekannten, die unweit der Bergmannstraße ein paar Menschen an ihrem Esstisch versammelt hat. „Da war ich gar nicht.“, sage ich daher zu dem Fremden. Man müsse sich bei anderer Gelegenheit begegnet sein, denn eine Verwechslung scheint aufgrund der Namensnennung jener wohl tatsächlich gemeinsamen Bekannten ausgeschlossen.
Der Fremde beharrt. Man habe sich diese ganze Silvesternacht angeregt unterhalten, er erinnert an ein paar Anekdoten aus dem Leben von Schwesterchen, meinen damals noch geschätzten schwarzlockigen Gefährten, und den tödlichen Gin Tonic, der auf meine Unfähigkeit, Longdrinks nicht nur zu trinken, sondern auch zu mixen, zurückzuführen ist.
Wir müssten uns von anderer Gelegenheit her kennen, sage ich, die sich nunmehr ganz genau an diesen Jahreswechsel erinnern kann. Er sei doch nicht verrückt, sagt mein Gegenüber. Er wisse noch ganz genau, was auf dem Tisch gestanden habe bei jener Kreuzbergerin, die den guten Dingen aus der Küche sehr zugetan sei. Er zählt die Speisefolge auf, und ich bin mir sicher, derartige Dinge bei jener Bekannten überhaupt nie zu mir genommen zu haben.
„Das werden wir wohl nicht aufklären können.“, sage ich, und wünsche ihm noch einen schönen Abend. Nun wird der Fremde ein wenig ungehalten. Ich hätte ihn damals nicht nur nicht angerufen, was angesichts der Existenz des vormals geschätzten Gefährten zwar verständlich sei, nach dem Verlaufe dieser Silvesternacht aber nicht gerade zu erwarten gewesen wäre. Nun behaupte ich sogar, mich noch nicht einmal an ihn erinnern zu können? Er wisse nicht, was ich für ein Problem habe, aber schließlich habe er noch alle Gedanken beisammen, und wenn ich mich nicht (danke, Herr Kid) erinnern könne, was ich an so markanten Daten wie dem 31.12. getrieben habe, dann täte ich ihm rechtschaffen leid. Sprach´s, machte kehrt, und setzte sich ganz weit weg.
Wenig später, die Freundin ist unterdessen angekommen, frage ich sie, die zumindest meiner Erinnerung nach an jenem Abend mit mir in der Volksbühne getanzt hat, nach dem vorletzten Jahreswechsel. Sie überlegt lange. „Da waren wir in der Volksbühne.“, sagt sie, und ich atme auf. Also doch nicht Alzheimer. „Siehst du den Kerl da drüben?“, frage ich. „Nie gesehen.“, sagt sie.
von: Modeste Schublade: Datum: 12. Apr. 2005, 12:20 Uhr
Was macht denn Ihre Zweitexistenz?