Frau Modestes Guide zu sehr entspannter Mutterschaft (1)
"Pah!", sage ich, stopfe mir die Kissen wieder ordentlich in den Rücken und schenke Sekt nach. "Mutterschaft ist besser als ihr Ruf. Man bedenke nur einige wenige Regeln.
Zunächst: Überstürzen Sie nichts.
Ich weiß, es ist gerade modern, Studentinnen zum Kinderkriegen aufzufordern. Die hätten, so die Theorie, ja Zeit, und könnten nach dem Abschluss dann mit größeren Kindern ungestört arbeiten.
Jedesmal, wenn ich das lese, frage ich mich: Wie lang soll so ein Studium mit Kind denn eigentlich dauern? Bekommt die Studentin mit 23 ein Kind, schreibt dann (aber wo ist das Kind?) mit 24 eine Masterarbeit, fängt mit 25 an, bei Roland Berger zu arbeiten, während das Kind mit seinen zwei Jahren extrem selbständig morgens in die Kita und abends zurück radelt, während Mama von Montag bis Donnerstag beim Kunden ... da haben wir es: Ein zweijähriges Kind ist mit den meisten Karrieren komplett unvereinbar. Es mag sein, dass ein Baby und ein Studium irgendwie vereinbar sind, aber die meisten Jobs sind es nicht. Zumindest die meisten Jobs, die irgendwas mit Geld und Macht, Leidenschaft und Feuer zu tun haben. Nun muss nicht jeder so etwas machen, aber wenn einen ein Kind im Studium auf Jobs limitiert, die bestenfalls 9 to 5 stattfinden, dann ist das für viele Studiengänge keine echte Alternative. Nicht einmal für Leute, die es nicht stört, mit 23 nur mit einem höllischen Organisationsaufwand ausgehen oder verreisen zu können, und die sich zudem ganz, ganz sicher sind, dass der Mann an ihrer Seite auch in zehn Jahren noch der richtige Mann sein wird.
Was das Biologische angeht: Es ist klar. Irgendwann ist Schluss. Aber so viel Zeit, fertig studiert zu haben und soweit gekommen zu sein, dass man selbst bestimmen kann, ob das Meeting um 10.00 Uhr oder um 18.00 Uhr statfindet, so viel Zeit hat man dann doch.
Sie brauchen einen richtig gut bezahlten Job.
Fragen Sie mal eine beliebige Gruppe Studentinnen mit 20, wie sie sich ihr Leben mit 35 vorstellen. Also so beruflich. Ziemlich viele Mädchen werden ihnen sonstwas erzählen von ihrem Beruf, der irgendwas mit Menschen, Tieren oder Kunst zu tun haben soll. Mädchen werden nämlich gern Tanztherapeutin. Oder studieren Kunstgeschichte. Oder werden Pädagogin.
Meine frühere Freundin (für Kenner: Die N.) hat eine derlei beschaffenen Berufswunsch tatsächlich und mit einigem Erfolg in die Tat umsetzen können. Sie hat damit annähernd nichts verdient. Ihr Mann verdient aber sehr gut. Als die Kinder kamen, blieb deswegen logischerweise die N. daheim. Eine Halbteilung der Elternzeit konnte sich das Paar schlicht nicht leisten. Solche Paare kenne ich nun viele. In fast allen Fällen bleibt es aber auch nach dem ersten Lebensjahr bei dieser Aufteilung. Sie ist - zumindest meistens - daheim. Er arbeitet auswärts.
Das geht so einige Jahre gut. Dann aber fängt einer - manchmal auch beide - an, sich schrecklich zu langweilen. Sie ist vielleicht inzwischen Mitte 40 und hat zehn Jahre nicht oder nur ganz wenig gearbeitet und sich zudem an einen Lebensstil gewöhnt, den sie aus eigener Kraft mit ihrem Studium nie wird erwirtschaften können. In diesem Moment kann sie also nur beten: Möge er sie nie, nie verlassen, denn nach spätestens drei Jahren endet die Unterhaltspflicht, und wenn er dann nicht mehr will, kann sie sehen, wo sie bleibt. Selbst in einer Stadt wie Berlin wird es dann schwer, sich in Prenzlauer Berg oder Wannsee zu halten. Insofern lebt es sich deutlich entspannter, einen Job zu haben, der gut bezahlt wird. Die meisten dieser Jobs hören sich, wenn man mir davon erzählt, auch irgendwie spaßiger an. Zudem ist es mit einem vernünftigen Einkommen deutlich unterhaltsamer, kleine Kinder zu haben. Man kann beispielsweise lange verreisen. Oder sich einen Babysitter leisten, wann immer man ausgehen will. Außerdem ist es gut, wenn man Kindergärten oder Schulen nur danach auszuwählen braucht, ob sie einem gefallen, und man wohnen kann, wo man will.
(Reiche Väter gehen natürlich, alternativ zum Job, auch.)
Vermeiden Sie Hebammen.
Kürzlich stand in der Zeitung, dass es das völlig überzogene Bild der detschen Mutter sei, das Frauen von Kindern abhält. Ich glaube das sofort. Wer wird schon unbesorgt Mutter, wenn damit die Forderung verbunden ist, sich stracks in eine Art Heilige zu verwandeln?
Anders, als ich es erwartet hätte, hat diese Metamorphose aber nicht erst dann zu beginnen, wenn das Kind da ist. Es gibt einen Mutterschaftskult, der mehr oder weniger mit der Nidation der Eizelle einsetzt, und die Hohepriesterinnen dieses Kults sind die Hebammen, die umgeben vom rosa Licht ihrer Salzsteinlampen sofrt anfangen, die unglaublichsten Verhaltensmaßregeln aufzustellen.
So ist für eine ordentliche Hebamme eigentlich jede Form von schulmedizinischer Medikation des Teufels. Nur die Homöopathie und so Kräuterzeug seien gut. Überhaupt ist die Schulmedizin in dieser Welt ein argwöhnisch betrachteter Gegenstand. Hört man Hebammen zu, so ist ein Krankenhaus etwas Ähnliches wie ein Schlachthof. Ich kann mir nicht helfen: Ich fand es ganz okay da, aber ich nehme ja auch keine Globuli und glaube nicht daran, dass es etwas bringt, wenn man einem Sorgenpüppchen seine Ängste erzählt, damit es sie mitnimmt. Oder zwecks Drehung eines ungeborenen Kindes in eine gute Geburtsposition zwischen den Zehen einer Schwangeren Räucherstäbchen abbrennen.
Geht es nach Hebammen, so gibt es außerdem eine ganz klare Hierarchie der Gebärenden. Ganz oben thronen die Hausgeburten. Dann kommt das Geburtshaus. Frauen, die im Krankenhaus ihre Kinder bekommen, lässt man noch mit Mühe gelten. Wer aber eine PDA, also so eine lokale Betäubung für untenrum, erhält, ist eigentlich schon des Teufels und wird nie eine ordentliche Bindung zum Kind aufbauen. Auf Kaierschnittmüttern zuletzt darf man getrost herumtrampeln. Eine gute Mutter hat keinen Kaiserschnitt.
Medizinisch ist das natürlich alles Quatsch. Da Hebammen aber eher an so eine Art Mystik glauben, als an - siehe oben - Medizin, reden sie allen Müttern, die sich darauf einlassen, einen hammerharten Versagenskomplex ein. Der setzt sich dann nach der Geburt nahtlos fort: Wer sein Kind nicht zwei Jahre stillt oder Beschwerden beim Zahnen mit Paracetamol und nicht mit Bernsteinketten bekämpft, kommt in die Hölle und hat es nicht verdient, ein Kind zu haben.
Sie glauben, das sei polemisch? Stimmt, aber es ist zu annähernd 100% wahr. Hier gilt: Halten Sie sich fern.
Fortsetzung folgt
Unsere beiden Kinder sind im Geburtshaus geboren, meine Frau (kein Homöopathie-Fan) war vom Konzept überzeugt, ich war bloß aus praktischen Gründen dafür, denn wir wohnen ein paar Schritte davon entfernt. Deshalb haben wir auch den Geburtsvorbereitungskurs und die Nachsorge bei denen gemacht, so dass wir jetzt praktisch alle dortigen Hebammen kennen.
Ich war zu Beginn sehr skeptisch und befürchtete genau das, was Du in Deinem Text beschrieben hast, zumal _Geburtshaus_-Hebammen ja _ganz_ besonders schlimm sein müssten. Habe die dann aber als sehr pragmatisch und praktisch veranlagt kennengelernt. Esoterik und Mystik kam nicht vor, Homöopathie war optional (und wurde von uns dankend abgelehnt). Rivalität mit der Schulmedizin war keine erkennbar, die Zusammenarbeit mit den zuständigen Ärzten klappte problemlos. Eine Bruststill-Fundamentalistin gab es im Team, aber tja, so ist das eben.
Witzigerweise war ich bei der Vorbereitung eher abgestoßen vom parallel besuchten Infoabend im naheliegenden Krankenhaus, als sich dort das Team der Entbindungsstation vorstellte. Der ganze Abend drehte sich ausschließlich um Schmerzen und um die PDA als alternativlose Maßnahme. Und dies in einer Intensität, dass einer der Väter ohnmächtig wurde, als es um die Details der Hohlnadel ging. Der etwas schnöselige Chefarzt lästerte vor den werdenden Eltern über Hebammen (_kein_ guter Einstieg) und beendete den Abend mit einem PPT-Slide, auf dem das selbstverliebte Titelbild seines Buchs abgebildet war, das ihn mit zwei Babies im Arm zeigt.
Nun werden natürlich auch nur die Schwangeren ins Geburtshaus gelassen, wo vorher alle Untersuchungen auf wirklich gar keine Probleme hinweisen. Deshalb kaum überraschend, dass bei uns beide Geburten problemlos, entspannt und ohne PDA verlaufen sind.
Ich jedenfalls würde auf einen Arzt _und_ eine Hebamme hören, denen ich vertraue.