Donnerstag, 20. Juli 2006

Um eine zweite Sonne

Dein Büro, hell, sonnig, und benachbart die Kollegen, die du schätzt, und eine Arbeit, die du nicht missen magst. Unglücklich wärst du doch, würde dieses Band dir abgeschnitten, das klingelnde Telephon, der stete Glockenschlag der Fristen, eins – zwei – drei, ein sachliches Stakkato, und die schnellen Besprechungen, als sei all das ernst, was du tust, und es ginge nicht nur um Geld. Am Morgen früh durch den sich langsam erwärmenden Tag, die Schlagzeilen der Zeitung, und am Abend erst beruhigt sich der Puls des Tages über einem späten Glas Wein, beim Visite ma tente vor der Tür, oder irgendwo auf dem Weg, ein schnelles Essen, und die Zeit legt sich nieder, seufzt und legt den Kopf zwischen die Pfoten wie ein müdgelaufener Hund.

Dann aber gehst du nach Hause, und möchtest doch gern noch bleiben, aber in sechs Stunden klingelt der Wecker und treibt dich aus dem Schlaf. Und die C. hast du ja die ganze Woche nicht gesehen, am Wochenende ist Hochzeit außerdem, drei Stunden weit entfernt im Westen der Republik, und du hast kein Kleid. Die J. wolltest du noch anrufen, der J.² wartet auf Rückruf, und schreiben möchtest du seit Wochen, etwas Längeres vielleicht, einen Essay, eine kurze, kuriose Geschichte, und die Worte und Wendungen sitzen dir schon sperrig und schwer in der Brust, wollen heraus und würgen dir von innen den Hals. Wenn du nach Hause kommst, ist es Mitternacht, vielleicht eins, vielleicht später. Gehst du stracks nach Hause, kehrst nicht mehr ein, dann wird, so fürchtest du, nächstes Jahr keiner mehr fragen, wo du bleibst, und du fühlst dich sehr einsam daheim, weil du den Betrieb brauchst, täglich, stündlich, Geräusche, die dich umgeben, ein schnelles Wort im Vorübergehen, eine Tasse Tee, dir auf den Schreibtisch gestellt, ein Glas Wein an den gläsernen Tischen der Bar, in der du zu Hause bist. Ein wenig Klatsch, den du zwei Tage behältst, um ihn wieder zu vergessen, ein paar Sottisen, ein paar wohlfrisierte Traurigkeiten, und immer wird’s zu spät.

Zu kurz ist der Tag, zu gezählt deine Stunden, und immer, immer bist du müde. Säßest du nur da, ein paar Minuten, und schautest aus dem Fenster, die Augen fielen dir zu, aber du wirbelst, du rufst an, du läufst von der Bahn ins nächste Café und weiter, wohin dich die Telephone rufen, und wünscht dir manchmal auf dem Wege, die Sonne jeden Tages ginge zweimal auf, dreimal, für jedes Leben, das du führst ein neuer Morgen, und es verschlinge nicht dein eines Leben alle anderen, und du littest Mangel, welches Leben dies auch sei.



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