Die Verwerflichkeit des Eingehens von Ehen
Ich habe es immer gewusst, und nun ist es amtlich: Hochzeiten, meine Damen und Herren, sind das Schlimmste, Hochzeiten sind unbedingt zu vermeidende Ereignisse, und nur sehr, sehr netten Leuten ist es zu verzeihen, wenn sie mitten im Mai, zur besten Reisezeit also, Hochzeit feiern.
Nehmen wir beispielsweise einmal die I. Eine zweifellos reizende Person, ein lustiger, blonder Kugelblitz, eine immer gern gesehene Erscheinung auch ihr fabelhaft freundlicher Bräutigam, indes – die Hochzeit steht in Kürze bevor, und macht bereits jetzt, zwei Monate vor dem großen Tag, nichts als Ärger.
Nichtsahnend sitze ich also letzte Woche an meinem Arbeitsplatz, jonglierend mit Hörer, Stift und Diktiergerät, rechts und links umgeben von riesigen Stapeln Papier, massiven Mittelgebirgen bestehend aus Akten, und nicht eingedenk des mir gleichwohl an sich bereits bekannten Hochzeitstermins der I., da klingelt das Telephon. „Modeste“; melde ich mich, denn es ist mein eigener Apparat, und habe die C. an der Strippe.
„Modeste, was machst du Pfingsten?“, werde ich kalt überrascht, und stammele irgendetwas, was Verfügbarkeit kommuniziert haben muss, denn die C. fährt fort. Nach Madrid könne man fahren, die Flüge seien günstig, ein Hotel auch nicht das Problem, und ich möge buchen. Die rechte Hand am Hörer, die linke auf der Tastatur, taste ich mich durch das Menü, gebe Datum und Uhrzeit ein, Namen und Kreditkartennummer, und beende das Gespräch, denn nervös wippen meine Akten auf papierenen Zehenspitzen hin und her, und erst Stunden später, knapp vor Mitternacht und vollkommen ausgesaugt von den Anforderungen des Tages, stehe ich im heimischen Korridor.
„Pfingsten fahre ich mit der C. nach Madrid.“, teile ich dem geschätzten Gefährten freudig, wenn auch erschöpft, mit und werfe meine Stiefel in die ungefähre Richtung der Schuhschränke.
„Pfingsten hast gesagt?“, gibt der J. zurück und legt sein Gesicht in Falten. Pfingsten werde nirgendwo hingefahren. „Wie jetzt?“, frage ich ein wenig unwillig, überlege, was dem geschätzten Gefährten in den Sinn gekommen sein mag und knülle meinen Mantel auf das Sofa.
„Hast du I.'s Hochzeit vergessen?“, lässt der J. die Bombe platzen. Ziemlich begossen und ein klein wenig fassungslos stehe ich im Wohnzimmer. Verdammt. „Ich will aber lieber nach Spanien!“, lasse ich mich in einen Sessel fallen und ziehe die Füße vor lauter Trotz ganz weit Richtung Kopf.
„Hilft nichts.“, weist der geschätzte Gefährte mein Ansinnen zurück und spricht mir streng zu. So etwas würde man mir nicht verzeihen, heißt es, und im Übrigen gehöre es sich einfach nicht, am Ehrentag lieber Freunde einfach abzuhauen. Das sehe ich dann auch ein, irgendwann, ein paar Stunden später.
Die J., so verabrede ich am darauf folgenden Sonntag, werde mich als Reisebegleitung vertreten. Die C. ist’s zufrieden, die Hochzeit wird mit meiner Beteiligung stattfinden, und nur ich, nur ich sitze daheim, male mir alle Schönheiten Madrids aus und zische leise vor mich hin:
Hochzeiten sind das Schlimmste.