Samstag, 28. Juni 2008

Bei mir

Die Wände – wenn ich sie hätte – würde ich tapezieren. Lauter Rokokofarben würde ich nehmen. Elfenbein. Pistaziengrün, ein zartes, verschleiertes Blau. An den Fenstern aber würde ich nichts machen. Soll die Farbe vom alten, mürben Holz abblättern und läge wie Borke morgens auf dem Bord. Das Fensterglas wäre ungleichmäßig, aber nur ein bisschen, und die Welt dahinter ein wenig verzerrt.

Blumen hätte ich immer, Pfingstrosen und Lilien, in großen, runden Vasen aus Glas, oder Kelchen aus Silber. Meine Tische wären aus dunklem, ehemals glänzenden Holz, und ein paar Wasserflecken, ein bisschen Wachs vielleicht würde mich erinnern an lange vergangene Feste.

Auf einer Anrichte, so hoch, dass die Katze nicht drankommt, stünde Konfekt. Musik würde ich selten hören, vielleicht an besonders sonnigen Tagen Richard Strauß. Manchmal Wagner, aber das regte mich schon zu sehr auf. Lesen würde ich, den ganzen Tag, Bücher, die ich kenne, eingebunden in Leder oder fadenscheinigen Stoff.

Besuche empfinge ich keine. Klingelte jemand, den ich von früher kennen würde, Freunde aus anderen Tagen: Ich machte nicht auf. Vom Schlafzimmerfenster aus, verborgen hinter Hecken aus Buchsbaum, versteckt hinter kühlen, dunklen Gardinen, würde ich schauen, wer es ist, und lautlos, bewegungslos seinen Rückweg betrachten, bis die Zweige der Weiden hinter dem Haus wieder reglos über dem Wasser hängen, in dem ich nachts den Mond betrachte, der so weiß wäre wie ein Knochen und so stumm wie ich.

Essen würde ich wenig. Runde, rosa Petit Fours vielleicht. Ein wenig Quark mit frischen Aprikosen. Früchte. Kaum Fleisch. Ein bisschen dunkles Brot, süße Butter. Trinken würde ich Tee, Sherry, wenn mir danach ist. Ein kleines Glas Gewürztraminer am Abend. Am Sonntagmorgen frische Milch, die mir jemand vor die Tür stellt, den ich niemals sehe. Überhaupt ginge ich nie einkaufen, und es käme auch niemand zu mir, kein Mädchen, keine Leute, die den Gaszähler ablesen, und erst recht keine Handwerker, die kommen, und den Geruch nach Farbe hinterlassen und nach Schweiß.

Ein Telefon hätte ich nicht. Kein Internet. Keinen Computer. Das wenige, was mir einfiele, schriebe ich auf irgendwelche Zettel und würfe sie weg am Abend, wenn ich aufräume zur Nacht. Nichts würde ich hinterlassen. Niemand käme mir auf die Spur. Und wenn ich verschwinden werde, einfach davonfahren, ohne Gepäck und ohne Fahrkarte, ohne Geld sogar, würde nur die Frau, die die Milch bringt, mein Fehlen bemerken, wenn ich längst schon auf und davon wäre, bei Nacht zum Fluß hinterm Haus, wenn die Wasser schwellen, und die Lais selbst nähme mich auf, auf den Meeren zu fahren.



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