Sonntag, 22. März 2009

Zucker und Fett

Es ist ja nicht so, dass hier grundlos gejammert würde. Tatsächlich verhält es sich nämlich so:

Unter der Woche läuft alles prima. Morgens stehe ich auf und esse gar nichts. Mittags gehe ich essen. Entweder gibt es Salat. Oder es gibt Sushi. Einmal die Woche esse ich chinesisch, meistens Hühnchen mit Gemüse. Ab und zu esse ich Nudeln, gelegentlich ein Steak, und abends gehe ich wieder irgendwo essen. Wenn es hinhaut, irgendetwas Leichtes. Am Wochenende aber schlägt der Gott der fetten Speisen so richtig auf die Pauke.

Am Freitagabend also treffe ich den J.2. Jenem reizenden, mir seit vielen Jahren vertrauten Herrn schlage ich vor, japanisch zu essen. Oder Thai. Die Mails gehen vier- fünfmal hin und her. Der J.2 ist aus irgendwelchen obskuren Gründen strikt gegen den Fischverzehr, so dass die japanische Küche faktisch ausscheidet. Thai findet er ohne Angabe von Gründen doof. Am Ende sitzen wir im Jolesch, er isst Schnitzel, ich esse Tafelspitz, und dass ich die Kartoffeln stehen gelassen habe, macht den Braten dann auch nicht mehr fett, bzw.: Es macht die Mahlzeit nicht mehr magerer. Weil wir schon mal da waren, habe ich vorher Tartar von der Jacobsmuschel bestellt, mit Brunnenkressemousse aus Sahne dazu. Danach gab es Sorbet. Mit Kokosmilcheis.

Am Samstag wache ich auf und der geschätzte Gefährte J. ist krank. Wie es so zu gehen pflegt, wenn man am Vorabend vier Bier auf seit dem Frühstück nüchternen Magen trinkt, fühlt der J. sich enorm unwohl und jammert leise vor sich hin. Ein Versuch, den maladen Magen nach einem Charles Bukowskis Werk entnommenen Vorschlag mit einem hartgekochten Ei zu heilen, schlägt überaus drastisch fehl. Ich koche also magenberuhigende Kartoffeln. Dazu gibt es Gemüse. Dann kaufe ich ein.

Nachmittags besuche ich eine charmante Dame, ihren hübschen Hund und ihre reizenden Söhne. Es gibt Sekt, es gibt Torte. Es gibt Petit Fours und Hefekranz. Es gibt Schlagsahne. Ich nehme von allem, weil man die Feste feiern soll, wie sie fallen, amüsiere mich bestens und dann fahre ich heim. Zwei Stunden später kommen ein paar Gäste, weil der J. Geburtstag hatte.

Weil gerade weder der J. noch ich Zeit und Lust zum Zubereiten von Speisen haben, klingelt es absprachegemäß um sieben. Ich bin noch unterwegs, der J. öffnet die Tür, der Caterer überreicht ein paar Platten, und der J. ruft mich an. Ich steige also mitten auf der Danziger Straße vom Rad, und der J. schäumt aus dem Hörer. Es sei zu wenig. Die Platten seien fast leer. Die Tapas reichen nicht mal, so sagt er, für uns beide, und so kaufe ich auf der Stelle noch ein bisschen ein. Es gibt also auch noch Antipasti. Und Brot. Und einen Käsekuchen habe ich auch gebacken. Außerdem gibt es Wein und Sekt und Bier und Bionade.

Wie sich einige Stunden später herausstellt, reichen die Platten doch. Die eingeladenen Freunde haben dem J. zudem beim Sowohlalsauch einen Schokoladentorte gekauft, weil jener Herr gelegentlich einmal den Wunsch geäußert hat, einmal eine ganze Torte für sich allein zu haben.

Der J. verteilt die urfetten Tortenstücke dann doch. Ich esse von allem. Ich esse Torte und Albondigas. Ich esse Seranoschinken und Manchego. Ich esse Montaditos, ich esse Nüsse, ich kaue ein bisschen Tortilla, weil sie da ist, und was sonst noch so herumsteht, esse ich auch. Weil ich beim Sekttrinken gerade so schön in Fahrt bin, trinke ich einfach weiter. Gegen morgens um zwei habe ich cica 7.500 Kalorien verzehrt und getrunken. Dann gehe ich schlafen.

Morgens um zwölf wache ich auf und esse weiter. Die Platten sind ja noch da. Etwas später ruft die C. erst an, kommt dann vorbei, verlangt Torte, und als ihr Sekt angeboten wird, strahlt sie. Es gibt also Sekt.

So gegen sieben muss die C. los. Ich bin pappsatt. Leider habe ich einen Rehrücken schon vorher aufgetaut und mariniert. Den kann ich nun nicht wieder einfrieren. Schade darum wäre es auch, deswegen werfe ich den Ofen an, schäle Kartoffeln, setze Rosenkohl auf und als der Rehrücken fertig ist, schmecke ich die Sauce ab. Wildsaucen schmecken ja nur mit Fond und Wein.

Um neun kann ich unmöglich noch irgendetwas essen. Zum Sport ist es zu spät. Ich fühle mich wie diese französischen Gänse mit der großartigen Leber, bin aber sogar zum Schnattern zu satt, sitze am Rechner und surfe ein bisschen herum.

Morgen Salat, nehme ich mir vor. Und nächstes Wochenende nichts als gedünstetes Gemüse.



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