Samstag, 2. Mai 2009

Journal :: 02.05.

10.15 Uhr. Pilates

Ich glaube nicht an innere Werte, aber an innenliegende Muskulatur. Zumindest bei anderen. Weil aber auch ich dieses Jahr - endlich, nur einmal, nur einen Sommer - einen Bikini tragen will, stehe ich um 9.00 Uhr auf, dusche, packe meine frisch erworbenen Sportsachen in eine große Tasche und fahre los. Um 10.15 geht es los.

Außer mir ist noch ein weiterer Kursteilnehmer erschienen, der Pilates wohl schon etwas länger macht. Er schnauft furchterregend. Muss man das so machen, frage ich mich? Mache ich etwas falsch? Indes korrigiert der Trainer die ganze Zeit meine Körperhaltung, schiebt Knie, Arme, Schultern und Hüften hin und her, weil ich nicht so schnell nachkomme mit den Anweisungen, aber zu meiner Atmung sagt er nichts.

Der Anstrengungsgrad ist etwas enttäuschend. Ich hatte mir ein wenig mehr Fettverbrennung vorgestellt, aber komme nicht ein einziges Mal außer Atem. Da muss wohl doch gelaufen werden oder Rad gefahren, denke ich mir, und ziehe ein weiteres Mal die Knie nach oben, die Schultern nach unten, die Hände nach vorn, und dann ist es vorbei. Nächsten Samstag wieder.

11.30 Uhr. Kollwitzmarkt


"Zwei Pfund Spargel und zwei Pfund von den Frühkartoffeln bitte!" brülle ich an einem Kleinkind vorbei über einen Brokkoliberg. 10 Euro soll das Ganze kosten. Tomaten habe ich noch, Hüftsteaks werden gekauft, Maishähnchen, Salat, Gurken, ein Großeinkauf bei Butter Lindner und dann nach Hause. Nichts wie weg hier. Zunehmend füllt sich der Markt, wenn das überhaupt noch möglich sein sollte, mit schlendernden Menschen, die umhergehen, winzige Mengen kaltgepresster Öle erwerben, sich nicht entscheiden können zwischen dem Pata Negra und dem Serrano-Schinken, und ihre Kinder fest an der Hand durch das Gedränge bugsieren.

Neben mir in der Butter-Lindner-Schlange diskutieren zwei Frauen, ob S*x mit dem Prozessvertreter einer Partei ein Befangenheitsgrund für eine Richterin sei. Ein großer, hübscher Vierzigjähriger zwinkert mir zu, und ich überlege, ob ich den Mann von irgendwoher kenne. Ich erkenne Anzugträger in Jeans oft nicht wieder. Verlegen lächele ich zurück.

Bei Lautz angekommen starre ich ganz fest auf die andere Seite. Ich kann unmöglich Kuchen essen, denn dann werde ich demnächst platzen, präge ich mir ein. Auch den Lakritzverkäufer lasse ich links liegen, kette schnell mein Fahrrad los und fahre weiter. Drei Flaschen Wein lasse ich mir einpacken, zwei habe ich noch, Bier kommt. Das müsste reichen.

"Da bist du ja.", sagt der J. und trägt fröhlich und frisch geduscht den träge blinzelnden Kater durch die Wohnung.

19.00 Uhr: Spargel

Mit dem Sparschäler in der Hand auf dem Sofa. Spargel schälen, ein bißchen plaudern. Sich fragen, ob man eigentlich fünf oder zehn Leute zum Wein eingeladen hat, und sich dann sagen, das sei doch auch egal. Es werde schon reichen.

Dem J. gegenüber sitzen, Spargel essen, sich über die schlechten Hüftsteaks ärgern, die irgendwie zäh sind, ganz und gar unzerkaubar, und am Ende noch zwei, drei Kartoffeln aus dem Topf essen, mit Hollandaise und grobem Salz dazu.

1.42 Uhr: Zu Bett

Gäste zum Digestif. Einfach im Sessel sitzen, erst Bionade, dann Sekt und schließlich Rotwein trinken, ab und zu etwas sagen, und sich wohl fühlen, weil man umgeben ist von angenehmen Menschen. Am Ende mit dem J. im Wohmzimmer, ihn fragen, ob man noch irgendwohin will, ausgehen, tanzen vielleicht, wie ursprünglich erwogen, und als er abwinkt, zu Bett gehen, weil es allein keine Freude macht, nun ein Taxi zu rufen, vor Türen zu stehen, den Anschluss zu finden an eine fremde Stimmung, ein anderes Tempo, und stattdessen im Bett liegen, den Rechner auf den Knien, und mit den Katzen zu sprechen, als verstünden sie, worum es geht.

Journal :: 01.05.

Weil mir gestern abend um halb neun der Fahrradsattel abkippt, schreibe ich um zwanzig vor neun eine Mail an alle. Weil mir zehn vor neun ein Kollege einen Inbusschlüssel bringt, kann ich um fünf nach neun tatsächlich aufbrechen, aber da bin ich schon fünf Minuten zu spät. Weil ich nicht weiß, wer schon eingetroffen ist im Mao Thai, fahre ich direkt los, um die Reservierung nicht zu verlieren, und mache keinen Zwischenstopp mehr in der LPG. Heute morgen ist also nichts zu essen im Haus. Nicht einmal Brot und Milch. Gefrühstückt wird deswegen auswärts. Auf der Holzterrasse des Café Fleury sitzen der J. und ich unter Straßenbäumen, alle Welt und wir tragen riesige Sonnenbrillen, es gibt Joghurt und Obst und Baguette und Café au lait für den J. und schwarzen Kaffee für mich.

Weil die Nachbarn alle total laut sprechen, und ab und zu rattert die Tram vorbei, muss ich selber noch viel lauter sprechen, damit die C. am Telephon mich versteht. Nervös und etwas unglücklich schaut der J. betreten umher. Er hasse es, zischt er mir in eine Gesprächspause, wenn Leute öffentlich laut telephonieren. Indes sei das nicht zu ändern, zische ich zurück. Die C., höre ich, fährt noch heute nach Dessau und kommt erst Sonntag zurück.

Der J. und ich spazieren ein bißchen herum, sehen den Ausflugsschiffen zu, und kaufen an der Museumsinsel ein paar alte Inselbändchen. Mitte ist schwarz vor Menschen, vorm Pergamon-Museum stehen die Busse aus der Provinz in einer langen Reihe, und aufgeregte Menschen in der seltsamen Kluft, die manche Menschen tragen, wenn sie woanders sind, schießen viele, viele Photos. Auf der Spreepromenade am Bode-Museum, wo sich bis letzten Sommer die Strandbar Mitte befand, stehen nun Tische und Stühle. Sand scheint es nicht mehr zu geben.

Weil es vier Stunden später immer noch nichts zu essen gibt, taue ich auf, was in der Tiefkühltruhe ist. Es soll also Fischcurry geben, Heilbutt, Spinat, Möhren und Reis. Leider gibt es weder Kokosmilch noch Joghurt, ich vermische Madras-Curry, Tomatenmark, Apfelmus und Gemüsebrühe für eine Sauce, die scheußlich schmeckt. Der Heilbutt wirkt schleimig. Nach dem Essen sehe ich den J. auf dem Sofa im Arbeitszimmer liegen und auf den Speisekarten von Restaurants Menüs zusammenstellen, die er bestellen würde, wäre er da. Der J., vernehme ich, möchte gern ins Vau. "Dreierlei vom Lamm", höre ich noch, als ich den Raum verlasse.

Im Lassunsfreundebleiben gegen zehn trinke ich eine Weinschorle. "Willst du noch irgendwohin?", frage ich den J., der verneint. Statt auszugehen sehen wir daher eine DVD, Margaret Rutherford spielt Miss Marple, und ich fühle mich gut, aber sehr, sehr alt. Der Kühlschrank ist immer noch leer.

Man wird frühstücken gehen müssen, morgen früh.



Benutzer-Status

Du bist nicht angemeldet.

Neuzugänge

nicht schenken
Eine Gießkanne in Hundeform, ehrlich, das ist halt...
[Josef Mühlbacher - 6. Nov., 11:02 Uhr]
Umzug
So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen....
[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
wieder einmal
ein fall von größter übereinstimmung zwischen sehen...
[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
Leute an Nachbartischen hatten das erste Gericht von...
[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
Allen Gewalten zum Trotz...
Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort....
[Modeste - 1. Apr., 22:41 Uhr]
Über diesen Tip freue...
Über diesen Tip freue ich mich sehr. Als Weggezogene...
[montez - 1. Apr., 16:42 Uhr]
Osmans Töchter
Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald...
[Modeste - 30. Mär., 17:16 Uhr]
Ich wäre an sich nicht...
Ich wäre an sich nicht uninteressiert, nehme aber an,...
[Modeste - 30. Mär., 15:25 Uhr]

Komplimente und Geschenke

Last year's Modeste

Über Bücher

Suche

 

Status

Online seit 7140 Tagen

Letzte Aktualisierung:
15. Jul. 2021, 2:03 Uhr

kostenloser Counter

Bewegte Bilder
Essais
Familienalbum
Kleine Freuden
Liebe Freunde
Nora
Schnipsel
Tagebuchbloggen
Über Bücher
Über Essen
Über Liebe
Über Maschinen
Über Nichts
Über öffentliche Angelegenheiten
Über Träume
Über Übergewicht
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren