Montag, 11. Mai 2009

Journal :: 11.05

"Nichts besonderes.", würde ich sagen, wenn mich einer fragt. Morgens ins Büro gefahren mit dem Rad, ein bißchen gefroren. Mittags Häppchen gegessen, nichts Rechtes leider. Zwei Kannen Tee. Viel telefoniert.

Am Abend losgewollt, aber hängen geblieben an einem letzten Schreiben. Viel gegähnt, den ganzen Tag eigentlich, und schließlich im Dunkeln heimgekommen und vor der Tür fünf, zehn Sekunden daran gedacht, weiterzufahren, irgendwohin, und den leeren Tag mit etwas anzufüllen, was nicht auf der Stelle zerfließt, aber was sollte das sein.

Journal :: 10.05

Ich bin der Moderne so müde. Ich habe die Gehirnkunst so satt, diese Installationen, Objekte, Collagen, all diese Dinge, die auf den denkenden Betrachter angewiesen sind, um die Aura zu gewinnen, die Kunst von irgendetwas Beliebigem unterscheidet, das man in Baumärkten kauft.

Ich bin keine Intellektuelle. Ich mag nicht alles, was ich sehe, mit meinen eigenen Gedanken umkleiden. Ich mag nicht all diejenigen Dinge, die landläufig als schön gelten, vor dem abschätzigen Prädikat des "Kulinarischen" verteidigen müssen. Ich bin den Drang der Moderne über, alle sichtbaren Dinge zu spalten, zu zerlegen, die eigene Reaktion zu prüfen und fein abzuwägen, ob die Dinge sprechen, und am Ende spricht doch immer das eigene Ich, dessen Ennui so abgegriffen ist, so alt und mürbe wie die Moderne, an der es leidet.

Ich mag eure Pilzgerichte nicht mehr essen, sage ich mir und fahre am Hamburger Bahnhof vorbei. Die Galerien von Mitte interessieren mich nicht, und die Keller von Kreuzberg und Friedrichshain - geschenkt. In der Gemäldegalerie am Potsdamer Platz ziehe ich Kreise, langsam, anwachsend vor dem stummen Staunen der Jungfrau, blass, vor goldenem Grund. Die bläuliche Andacht der Heiligen. Die Veduten Italiens mit ihren unfassbaren Wassern. Die Oberflächen fahre ich entlang mit meinen Augen, spüre die Kühle Florentiner Kontore und die Risse im Stein auf der Flucht nach Ägypten. Die fröhlich-rotwangige Kälte der Niederländer. Die knisternden Stoffe, ach: die atmende, erregende Berührbarkeit längst versunkener Haut. Gerührt fahre ich auf den blauen Adern Flanderns entlang Richtung Süden, lehne die Wange in die blutenden Wunden Christi, und stehe - fremd, aber vertraut wie vor lange vermissten Verwandten - vor den verhangenen Himmeln des Rokoko, den gebrochenen Farben.

Ich bin die Moderne so über, steige ich wieder aufs Rad und fahre zur C. Eure Kunst berührt mich nicht, proklamiere ich lautlos in die Luft hinterm Leipziger Platz. Was Ihr tut, bleibt mir nicht im Gedächtnis von Häuten und strömenden Blut. Was Ihr produziert, schleppe ich nicht in das Dunkel von Nacht und von Träumen, und was immer Ihr malt, formt oder denkt, hat mit mir nichts tun.



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