Journal :: 22.06.
Heute nacht war die Welt vorbei. Wasser floss aus tiefen Furchen der Erde, und es regnete, als habe es schon immer geregnet und höre auch nie wieder auf. Üppig und grün, ins Riesenhafte vergrößert, wucherten Bäume, Sträucher und Gras. Feucht glänzten die Kelche der Blumen und reckten ihren roten Schlund den Wolken entgegen.
Umschlungen von Ästen und Wurzelwerk lagen Trümmer und Scherben. Mühsam stieg ich über zerfallene Mauern, zog mich an leeren Fensterrahmen hoch und lehnte für Minuten an einer Karosserie. Ein Sessel stand auf freiem Feld, zur Hälfte eingesunken, und auf der Lehnte lag ein großes, schweres Tier und sah mich an.
Überhaupt waren die Tiere zahlreich. Sie kauerten in Nischen. Sie zogen triefend nass über die geborstenen Wege, lagerten unter großen Bäumen, und es war nicht auszumachen, ob große, seltsam verformte Katzen über die Äcker streiften, oder vielleicht Bisamratten, aufgeblasene Frettchen oder gar ins Monströse vergrößerte haselnussbraune Mäuse.
Menschen aber gab es dort nicht. Einmal meinte ich in einem Baum Füße zu sehen, eine schnelle Bewegung, als flüchte dort jemand vor mir, aber als ich näher kam, hingen nur Lianen, Luftwurzeln vielleicht, von der grauen Rinde gen Boden. Erleichtert war ich ob der Leere um mich herum, denn gut ging es mir, ganz allein, heute nacht im Traum. Nass und glücklich wanderte ich durch die Reste der Welt, ließ meine Kleider liegen zwischen den Steinen, rastete auf einer grünen Bank, aus der Moose sprossen und lagerte schließlich schmerzlos im warmen, gärenden Schlamm meines Friedens nach dem Ende der Welt.