Montag, 22. Juni 2009

Journal :: 22.06.

Heute nacht war die Welt vorbei. Wasser floss aus tiefen Furchen der Erde, und es regnete, als habe es schon immer geregnet und höre auch nie wieder auf. Üppig und grün, ins Riesenhafte vergrößert, wucherten Bäume, Sträucher und Gras. Feucht glänzten die Kelche der Blumen und reckten ihren roten Schlund den Wolken entgegen.

Umschlungen von Ästen und Wurzelwerk lagen Trümmer und Scherben. Mühsam stieg ich über zerfallene Mauern, zog mich an leeren Fensterrahmen hoch und lehnte für Minuten an einer Karosserie. Ein Sessel stand auf freiem Feld, zur Hälfte eingesunken, und auf der Lehnte lag ein großes, schweres Tier und sah mich an.

Überhaupt waren die Tiere zahlreich. Sie kauerten in Nischen. Sie zogen triefend nass über die geborstenen Wege, lagerten unter großen Bäumen, und es war nicht auszumachen, ob große, seltsam verformte Katzen über die Äcker streiften, oder vielleicht Bisamratten, aufgeblasene Frettchen oder gar ins Monströse vergrößerte haselnussbraune Mäuse.

Menschen aber gab es dort nicht. Einmal meinte ich in einem Baum Füße zu sehen, eine schnelle Bewegung, als flüchte dort jemand vor mir, aber als ich näher kam, hingen nur Lianen, Luftwurzeln vielleicht, von der grauen Rinde gen Boden. Erleichtert war ich ob der Leere um mich herum, denn gut ging es mir, ganz allein, heute nacht im Traum. Nass und glücklich wanderte ich durch die Reste der Welt, ließ meine Kleider liegen zwischen den Steinen, rastete auf einer grünen Bank, aus der Moose sprossen und lagerte schließlich schmerzlos im warmen, gärenden Schlamm meines Friedens nach dem Ende der Welt.

Journal :: 21.06.

Die Musik ist schlecht. Kalt ist es auch. Hinter der Kollwitzstraße ballen sich dunkle Wolken zusammen, und zumindest bis zum Erscheinen des R. und der C. können der J. und ich hier auf keinen Fall weg.

Ich bin ein bißchen zu satt von der Pizza aus dem Due Forni, ein wenig müde von der langen Woche und dem gestrigen Tag. Wo ich gern wäre, kann ich gar nicht sagen, aber hier ist es nicht perfekt. Ein See wäre nicht schlecht, spiegelndes Wasser. Vielleicht das Meer.

An ein Meer aber ist gerade nicht zu denken. Höchstens an die Sintflut, denn auf einmal brechen die Wolken auf, vor der Bühne vorm Sowohl als Auch lichten sich die Reihen, der Asphalt wird schwarz und rechts und links öffnen sich Schirme.

Ein paar Minuten stehen wir zu viert unter der Markise des Anna Blume, diskutieren hin und her, was jetzt zu unternehmen wäre, und sitzen schließlich im Vina Blanca, trinken denselben Wein wie immer, wenn wir hier sitzen, und Stunden um Stunden ertränkt der Regen das Fest auf den Straßen. Schade ist das, denke ich mir, tröste mich mit einem katalanischen Dessert mit Frischkäse und Honig und vielen Nüssen und wische den Wunsch nach Meer vom Tisch, nach Reinheit und Frische und Salz, denn was nützen die Wünsche, die keiner erfüllt.



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