Mittwoch, 1. Juli 2009

Journal :: 30.06.

Wie einfach es einmal war, sich zu verlieben. Sich auf einer Party zu küssen, am nächsten Tag miteinander Eis essen zu gehen, sich etwas zu erzählen über sich und alles, was man über die Welt weiß und denkt, und sich wieder zu trennen, wenn es sich nicht ausgehen wollte miteinander. Eine Woche traurig zu sein und dann wieder zu lachen.

Schwierig ist es geworden, sich kennenzulernen in den letzten Jahren. Soviel Vergangenheit klebt an der Haut von Leuten, die dreißig sind oder älter, und man kann sich kaum vorstellen, wie mühsam das Geschäft der Liebe sein muss, wäre man noch einmal zwanzig Jahre älter. Bis zu den Haarwurzeln steckt man in seinem Leben, seinen Ängsten, seiner Rolle, die man nicht mehr ablegen kann, man verlöre sich denn. Viel zu viel erwartet man nach wie vor von der Liebe, und die Statik einer Beziehung auszutarieren erscheint bisweilen so schwer wie die eines Hauses. Dies aber zu verfilmen scheint schwer. Dies so zu verfilmen, dass es gut aussieht, von einer leichten, nur ganz wenig schmerzlichen Melancholie fast unmöglich, und so verlasse ich die Kulturbrauerei nach Alle Anderen mit viel Hochachtung vor Maren Ade, die die Hymnen des Feuilletons, scheint mir, verdient hat.

Vordergründig handelt Alle Anderen von fast nichts. Chris (Lars Eidinger aus der Schaubühne) und Gitti (die großartige Birgit Minichmayr) machen Urlaub auf Sardinien im Haus seiner Eltern. Er ist Architekt, erfolglos und weich. Ein Mann, wie man viele kennt, die das Erwachsenwerden so lange herausgeschoben haben, bis sie über ihrer Unentschiedenheit zwischen vielen Möglichkeiten alle verpassen. Gitti dagegen, PR-Frau bei einem Musiklabel, erscheint tough. Burschikos, ein wenig zu laut, leicht ordinär, betont unkonventionell und dann doch in einem Maße auf die Liebe und Chris bezogen, das erschreckt: Bereit, sich an Erwartungen anzupassen, und dann doch nicht in der Lage, den Rollenwechsel durchzuhalten. Vibrierend vor Vitalität, die keinem anderen Zweck dient als der Liebe. Am Ende wird sie kaum einen Satz ausgesprochen haben, der nichts mit der Beziehung zwischen Chris und Gitti zu tun hat.

Es ist der erste gemeinsame Urlaub. Fast wolkenlos, verspielt und kindlich vor Sommer liegen beide im Ferienhaus. Dort, wo es brechen soll zwischen ihr und ihm, verlaufen feine, kaum sichtbare Markierungen, und erst als ein zweites Paar auftaucht, bröckelt es sichtbar, um dann mit einem hörbaren Krachen zu bersten. Ob und wie es sich wieder zusammenfügt, bleibt offen.

Das zweite Paar zu verabscheuen, liegt nahe. Er ist ein großspuriger, lauter und ungleich erfolgreicherer Kollege von Chris, in dessen Gegenwart Chris wie ein Bub erscheint, kaum männlich zu nennen. Sie ist gepflegt, feminin und konventionell, und himmelt ihren Mann auf eine durchaus etwas quälende Weise an. Man kennt derlei Paare, die man gleichzeitig verachtet und denen man sich unterlegen fühlt für Dinge, denen man doch nicht so gleichgültig gegenübersteht, wie man es gern täte.

Chris reagiert ähnlich ambivalent. Erst versucht er, die Begegnung zu vermeiden, dann lässt er sich in eine Art Kumpanei verwickeln und verrät darüber seine Freundin wie seine Mutter, die das Haus auf eine gleichermaßen komische wie mitleiderregende Weise mit Porzellankatzen und Glasvögeln eigerichtet hat. Ein wenig verachtet man diese Rückgratlosigkeit, bemitleidet Gitti für eine Weile, um dann doch ein wenig genervt zu reagieren ob ihrer theatralischen Seiten, ihrer Hyperaktivität und dieses stetigen Viel-Zuviel.

Ein wenig traurig trotz der vielen Sonne und der bisweilen komischen Sequenzen lässt der Film mich am Ende zurück: Wie schwierig doch die Liebe geworden ist. Und bisweilen: Wie unmöglich, sich so zu lieben, wie man es gern möchte, aber vielleicht (wer weiß das) gar nicht kann.

Alle Anderen
Deutschland 2009

Journal :: 29.06.

Gäbe es ein Museum menschlichen Scheiterns, die Vasa hätte einen Ehrenplatz in der Dauerausstellung. Auf der Jungfernfahrt im 17. Jahrhundert noch im Hafen gesunken und irgendwann in den Sechziger Jahren wieder ausgegraben (nein: vom Meeresgrund gehoben) steht das riesige, reich verzierte Schiff in einem Gebäude, das selbst ein bißchen aussieht wie ein Segelschiff auf Djurgarden an der Ostsee.

Eigentlich aber ist das Wetter immer noch zu schön für geschlossene Räume. Eigentlich sollte man seinen Tag auch nicht in Geschäften verbringen, doch dann laufe ich durch Östermalm, verliebe mich in eine isabellafarbene Handtasche, die ich am Ende doch nicht kaufe, kaufe dafür ein Paar Legionärssandalen, trinke Kaffee vor der Markthalle, die dann doch zur Enttäuschung wird, als wir am Ende dort sitzen, denn allzu steril, zu sauber und zu geschleckt geht es hier zu, nichts mehr von blutenden Ochsen, Gerüchen und Fischweibern. Eine riesige Delikatessenhandlung mit Bistrobetrieb gibt es hier, so sauber wie ganz Stockholm, und nicht halb so lebendig, so schmutzig und vital wie Berlin, Berlin, Berlin.

Am Abend dann wieder nach Hause.

Journal :: 28.06.

Zur Feier des Tages esse ich schon zum Frühstück Fisch. Alles, was sonst noch auf dem Buffet steht, esse ich auch. Mittags schiebe ich einen gebratenen Hering hinterher und abends gibt es große Köttbullar und noch mehr Fisch. Wegen der verzehrten Fischschwärme fühle ich mich den ganzen Tag ein wenig schwer, in meinem Magen kämpfen Heringe vergebens gegen Enzyme und reichlich Magensäure, aber gut, bestens eigentlich geht es mir trotzdem. Auf einer Fahrt durch die Schären Stockholms braten ich und der jüngst verzehrte Fisch bis auf die Knochen in der Sonne. Am Abend werde ich vorm Spiegel stehen und dort, wo der Saum meines Kleides endet, werden rote und weiße Haut aneinander stoßen.

Sehr, sehr schön sieht Stockholm vom Wasser aus aus. Ein wenig wehrt sich das zur Kritik vielleicht allzu bereite Empfinden gegen die Idylle aus roten Häuschen aus Holz mit weißen Fenstern. Gischt spritzend fahren die Schweden auf Motorbooten an dem Ausflugsschiff vorbei, Sonne und Wind streicheln die kräuselnde Ostsee, silbern blinkt es auf dem Wasser und alle Menschen sehen so zufrieden aus, als sei die ganze Welt aus Erdbeeren und Dickmilch gemacht und so perfekt, dass man es nicht aushielte, würde das Glück länger dauern als diesen Sonntag und den Montag noch dazu.



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