Für morgen (30.11.2009)
Aber wenn ich sechs wäre, und nicht 34, bliebe ich morgen einfach daheim. Wenn man mich weckt, würde ich nur blinzeln und tun, als sei ich krank, und wenn ich Haferflocken essen soll, schüttele ich den Kopf. Dann schließe ich die Augen und schlafe wieder ein.
Nicht so krank will ich wirken, dass meine Mutter zu Hause bleibt und mich mit kalten Tüchern einwickelt und Tees kocht, die nach Schweiß schmecken und nach nassem Hund. Meine Mutter soll ruhig ins Büro, und Frau F. soll kommen. Frau F. ist sehr alt und legt sich gleich auf das Sofa und schläft. Frau F. schnarcht lauter als ein Bär.
Vor meinem Bett schläft der Hund. Ab und zu wälzt er sich träge hin und her, schnappt nach Hasen und Vögeln und lauter Tieren, die es nicht gibt, und vielleicht lasse ich ihn sogar in mein Bett. Da liegen wir dann und lesen ein Buch nach dem anderen aus der Bücherei. Jede Woche holen wir mehr. Jede Woche eine ganze, volle Tasche.
Wenn Frau F. sehr tief schläft, schleiche ich in die Küche. Auf den Zehenspitzen kann ich gerade den Kühlschrank öffnen. Bis zum Käse brauche ich noch einen Stuhl. Ein ordentliches Stück vom Emmentaler schneide ich ab, fahre zweimal mit dem Löffel in die Marmelade, und vielleicht lange ich nach Aprikosen oder Kirschen im Glas. Dann lege ich mich wieder hin.
Vielleicht höre ich Schallplatten. Dem Bär Jacob ziehe ich seine Sachen an und aus. Dem Hund erzähle ich Geschichten. Langsam wandert die Sonne müde und kraftlos über den Himmel, am Badezimmer vorbei und hängt schlapp im entblätterten Nussbaum. Weiter gen Westen treibt der Wind die bleigrauen Wolken, und auf dem Fensterbrett sitzen die Spatzen und frieren.
Aus dem Bett meiner Schwester hole ich mir eine weitere Decke. Träumen würde ich von einem eigenen Pferd. Einfach weiterschlafen würde ich, wenn meine Mutter käme, so gegen vier, und blinzeln würde ich nur, legte sie mir die Hand auf die Stirn: Leicht und kühl und kein bißchen beschwerend.