Nicht mehr jung
Nein, sage ich. Das ist es gar nicht. Wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich nicht anders aus als vor drei Jahren oder fünf. Wenn ich durch die Stadt laufe, werde ich meistens noch geduzt. Es ist bei mir nicht wie bei anderen Leuten, die sich jung fühlen, aber alt aussehen. Es ist nicht einmal der Job. Ich habe auch keine Familie und habe alles vermieden, was schwer an einem hängt. All die Sorgen, die Verantwortung und die Pflichten. Das ist es nicht.
Es ist vielleicht die Überraschungslosigkeit der letzten Jahre, in der glatt und wie auf Schienen mein Dasein durch die Wochen und Monate läuft. Es sind die flachen Amplituden. Es ist, als ob mir Leben und Welt wie warmes Wachs um den Leib geflossen sind, um nun zu erkalten, zu erstarren und mich einzukapseln, bis ich mich nicht mehr bewegen kann und mich keiner mehr hört.
Es mag der graue Schleier sein, der zwischen mir und der Stadt durch die Straßen weht. Es mag sein, dass ich nur nicht sehe, wie die Welt mit mir lacht. Es kann wohl auch sein, dass ich nur nicht vertrage, dass alles gut läuft, und mich nicht mehr spüre, wenn die Welt die Krallen einzieht und schnurrt. Vielleicht bin ich einfach nicht gut in so einem lauwarmen Glück, doch wahrscheinlich sind es nicht nur die Umstände. Nicht nur, wie alles ist. Nicht der Job, nicht das Leben, nicht die wohltemperierte Liebe, die ausgewogenen Freundschaften, die sorgfältig gepflegten Beziehungen zur Familie daheim.
Wahrscheinlich ist es wirklich das Alter. Bestimmt ist es ein bißchen Abstumpfung, ein wenig Alles-schon-dagewesen, ein Verlust an Sprungkraft, an Vitalität, an Neugierde, an Leichtsinn: An etwas, was nicht wiederkommt. Ich bin nicht mehr jung. Das wird es sein.