Samstag, 11. Februar 2012

Gummibänder

Wenn ich von einer Tüte - einem Gefrierbeutel etwa - das Gummiband abnehme und stopfe es in mein Glas mit den ganzen Gummibändern zurück, dann - und nur dann - denke ich bisweilen an den H.

Ansonsten habe ich wenig Anlass, an den H. zu denken. Der H. war nämlich schon zu Zeiten unserer gemeinsamen Schulzeit nicht gerade ein enger Freund. Wir waren öfter unterwegs, das schon, wir haben viel zusammen gefeiert, wie es eben so geht, wenn man miteinander zur Schule geht, aber mit 16 existieren bekanntlich nicht so arg viele Brücken zwischen Leuten, die Bücher großartig finden, und Leuten, die finden, dass der Mensch nur in Turnhallen und auf Sportplätzen er selbst sein kann.

Der H. gehörte ganz klar zur zweiten Kategorie: Er ritt und ruderte, er spielte Basketball und Tennis, er bolzte, er jagte, er tat quasi alles, wofür man Muskeln, ein gutes Auge und Ausdauer braucht. Im 19. Jahrhundert wäre er zur Armee gegangen und ein Held geworden. Im ausgehenden 20. Jahrhundert wollte er Tiermedizin studieren, was um ein Haar an seinen desaströsen schulischen Leistungen gescheitert wäre. Vom H. erzählte man sich nämlich nicht ganz ohne Grund, er sei eigentlich so eine Art Analphabet, und übertrieb dabei nur ein ganz bisschen. Das Abitur hat er dann am Ende auch nur dank einer ganz energischen Intervention seines Großvaters bekommen, der den Direktor der Schule anrief, um ihn daran zu erinnern, was die Nation in den letzten sieben Jahrhunderten der Sippe verdankte, der der H. entsproß.

Inzwischen ist der H. schon seit fünf Jahren verheiratet. Damals (das war so circa 1997) war der H. aber noch als Student mit einer Dame liiert, die ich nicht kannte, von der man mir aber viel erzählte. Die Dame war diversen Freunden nämlich als ein wenig grobschlächtig aufgefallen, und obwohl als Tochter eines Wirtschaftswundermaschinenbauunternehmers wohl situiert aufgewachsen, ein wenig sehr sparsam veranlagt; manche würden wohl auch geizig sagen, und noch andere Leute behaupteten schlicht, die Dame habe in Sachen Geld und Besitz generell einen Knall.

Dass diese Dame, obwohl von zu Hause deutlich besser ausgestattet als der H., grundsätzlich ihn zahlen ließ, fand der H. dabei vermutlich noch fast selbstverständlich. Auch der Einkauf entlang annoncierter Sonderangebote fiel wohl noch in die Kategorie eines studentischen Spleens. Die Sache mit den Gummiringen aber schlug eines Tages dem Fass den Boden aus, und das kam so:

Irgendwann so gegen Ende der Semesterferien beschloss die Freundin des H., ihre Küche aufzuräumen, und der H. sollte helfen. Der H. half gern, der H. war und ist als gutmütig und hilfsbereit bekannt. Zusammen mit der Freundin ordnete und sortierte der H. also einen ganzen Vormittag ein wüstes Konsortium aus leeren Gläsern, Tüten, halb geöffneten Gewürzpackungen und all den Dingen, die sich in Küche so finden.

Nach und nach wurde der H. nervös. Die Angewohnheit seiner Freundin etwa, alte Plastiksäcke sorgfältig Ecke auf Ecke zu falten und aufzubewahren. Wer braucht denn 25 alte Billa-Tüten? Auch die Anordnung der Gewürze nach Alphabet wirkt auf die meisten Leute unangenehm extravagant. Als aber die Freundin mehrere Gläser hervorzog, in denenGummibänder verwahrt wurden, muss es zu einer Auseinandersetzung gekommen sein, an deren Ende der H. die Wohnung der dann Ex-Freundin verließ, um nicht wiederzukommen, denn nicht nur, dass die Freundin mehrere hundert Gummibänder in diversen Gläsern nach Größe sortiert haben wollte. Nicht nur, dass auch eine Klassifizierung nach Farben stattfinden sollte, weil die Freundin wohl so eine Art System der farblichen Zuordnung der solcherart verschlossenen Tüten entwickelt hatte. Was den H. aber wirklich schockierte und erst zu Widerspruch, dann zum Streit und schließlich zum Bruch verleitete, war der Umstand, dass die Freundin ihn zwingen wollte, ein weiteres Glas anzulegen, in dem die gerissenen Gummibänder verwahrt werden sollten, welche sie aufbewahren wollte zu einem Zweck, den sie dem H. auch auf mehrfache Nachfragen nicht verriet.



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