Nora taugt vielleicht nicht viel
"Was meinen Kritiker eigentlich mit Welthaltigkeit?", frage ich den J. bei Wonmi in der Fillmore Street und halte den F. so, dass er nicht an mein Essen kommt. "Keine Ahnung.", sagt der J. Wo ich das denn herhabe?
Aus der Literaturkritik, gebe ich zu und erzähle, dass ich mir gerade erst angehört habe, was die Jury zu den Klagenfurttexten gesagt habt, um zu destillieren, was eigentlich gute, also lesbare, zeitgemäße Literatur ausmacht. Ich sei, erläutere ich außerdem, nämlich eigentlich fertig mit meiner Nora, die nun acht Kapitel lang vergeblich versucht, sich einen Berliner Sommer lang zu amüsieren.
Gemessen an den Kriterien der Literaturkritik befürchte ich allerdings das Schlimmste. Nora macht nämlich keinerlei Persönlichkeitsentwicklung durch, sondern ist 33 und eigentlich soweit mit der Entwicklung fertig. Der Text weist auch nicht über das rein Private hinaus, denn was wäre privater als eine Frau, die durch die Stadt stolpert und von ein paar verunglückten Dates erzählt, und ich führe den Leser auch nicht aus der Komfortzone, wie es das mehrfach als Forderung an aktuelle Literatur gelesen habe. Auch das Große, Ganze findet bei mir schon deswegen nicht statt, weil ich keine Ahnung habe, was das ist.
Es spricht also nicht viel für die Qualität meiner Nora, gestehe ich dem J. ein wenig betrübt. Nora, fürchte ich, ist eine ziemlich triviale Gestalt, und außerdem ist Nora ziemlich kurz. Rund 100 Normseiten, das ist wirklich ziemlich wenig, und für einen echten Roman vielleicht zu kurz.
Gern wüsste ich, ob meine Nora trotz dieser Defizite etwas taugt, sage ich dem J. auf dem Heimweg, und der zuckt die Schultern. Seit er einen Romanbeginn verrissen hat und ich dann nicht weiterschreiben mochte, zeige ich ihm nämlich ziemlich ungern weitere Texte von mir. Es müsste ein Institut für sowas geben, wünsche ich mir eine Instanz herbei, der man Texte vorlegen kann, und die einem dann sagt, ob man Schrott produziert hat, oder ob sich das weiterarbeiten lohnt. "Gibt es vielleicht.", meint der J., da sind wir schon fast an der Divisadero. Kennen wir nur nicht.
Aber vielleicht kennt sie ja einer der Leser im Blog.