Dienstag, 17. April 2012

14.04.2012

Ich mag die Party. Ich sitze auf dem Sofa, Kind F. auf meinem Bauch, und esse hintereinander drei Schälchen der besten Gulaschsuppe der Welt und sehr, sehr viele Chips und Erdnußflips und fliegende Untertassen mit Brausepulver drin.

Ich bin ein bisschen erschöpft, weil der J. und ich acht Kilometer durch die Stadt gelaufen sind, zum Teil zum Spaß und zum Teil wegen des Plans, nun endlich abzunehmen. Für diese Woche wird daraus allerdings nichts: Ich habe schon mindestens 2.000 Kalorien verdrückt, seit ich hier angekommen bin.

Mir geht es gut, denke ich und strecke mich ein bisschen aus. Heute abend ganz besonders, aber auch sonst so, ganz generell, und ich lächele den Mond über Friedrichshain an, der breit und gütig zuräcklacht, drei Stunden später auf dem Heimweg.

Montag, 16. April 2012

13.04.2012

Ich stehe vor dem Spiegel und fühle mich schrecklich. Im Spiegel: Eine Skulptur aus Schmalz. "Dicke Frau" heißt das Ausstellungsstück. Entstehungsjahr: 2012.

Ganz geknickt ziehe ich meine Interimsjeans an und werfe mir ein weites T-Shirt über. Ich verstehe das nicht: Ich müsste abnehmen. Ich esse doch viel weniger als in meiner gnadelos verfressenen Schwangerschaft. Ich stille, da verbraucht man doch auch Kalorien. Ich nehme aber nicht ab.

Bis zu drei Kilo pro Monat würde man mehr oder weniger von selbst abnehmen, habe ich irgendwo läuten hören. Bei mir allerdings scheint das nicht hinzuhauen. Knallhart und unerbittlich klammert sich mein Körper an sein Fett. So, soviel steht fest, kann ich eigentlich nirgendwo hingehen, es sei denn, es wäre mir egal, was andere Leute dann denken.

Irgendein Bekannter hat mir vor Jahren einmal gestanden, dass ihm in Gegenwart dicker Frauen vor lauter Ekel das Essen nicht schmeckt, fällt mir ein, und obwohl mir das Unangemessene dieser Reaktion deutlich vor Augen steht, fühle ich mich augenblicklich schuldig.

Nun, so beschließe ich, werden andere Saiten aufgezogen. Ab jetzt gehe ich jede Woche 50 km spazieren. Ich trinke nur noch Wasser und ungesüßten Tee. Und wenn ich in den nächsten vier Wochen nicht ernsthaft abnehme, dann, ja dann, dann esse ich wochenlan nur noch Gemüse. Gemüse. Und vielleicht ein ganz bißchen Quark.

Sonntag, 15. April 2012

12.04.2012

Auf dem Rückweg nach Berlin döse ich ein. Unter mir rattern die Schienen, und die Landschaft hinter dem Fenster ist flach und grün und wird selbst durch den Frühling kaum verzaubert. Hier hausen keine Heckenelfen. Hier ist kein Waldgeist zu Hause. Hier werden nur Rüben angebaut, Weizen oder Mais.

Auf meinem Bauch liegt das Kind und schläft, in meiner Cicero steht irgendwie nichts drin, und die Balken im Display meines Telephons sind so klein und schwach, dass sie kein Gespräch tragen würden. Es reicht nicht mal für facebook oder ein paar Mails an Freunde.

Dass Deutschland zum allergrößten Teil aus solchen leeren Räumen besteht, fällt mir ein, halb schon schlafend auf der Fahrt vorbei an ein paar einzelnen Häusern mit Silos und Scheunen und Traktoren auf dem Hof. Dass ich nie verstanden habe, was die Leute hier eigentlich den ganzen Tag machen, wenn es gar nichts gibt, nicht einmal ein lausiges Kino oder ein einziges nettes Café. Dass ich es ganz und gar verstehe, wenn hier weder ein Arzt wohnen will noch ein Lehrer, und dass ich heilfroh bin, dass ich hier nur Passant bin, vorbeigetragen im ICE, auf der Fahrt von einer Stadt zu einer anderen, und ich freue mich auf den Abend mit dem M.2, der mir von seiner Reise durch Indien erzählen wird in einem Restaurant in Mitte.

Dienstag, 10. April 2012

Gefällt mir das?

Gibt es eigentlich irgendeine Möglichkeit, hier eine Art "Gefällt mir"-Button oder so anzubringen?

08.04.2012

Solange man kinderlos durch Berlin eiert, hat man - mit wenigen Ausnahmen - seine Ruhe. Dann aber geht es los. Denn das Kind gehört nicht nur zum J. und zu mir. Mindestens im selben Maße, so meinen wenigstens die Großeltern, gehört ein Kind auch zu ihnen. Ab sofort fallen deswegen alle Schranken der Zurückhaltung. Die Mutter des J. lädt sich die also fortan selbst ein.

Irgendwelche Programmpunkte, Museen oder ähnliche Attraktionen, sind überflüssig. Die größte Atraktion, die Berlin zu bieten hat, liegt ganz offensichtlich auf dem Boden auf einer karierten Krabbeldecke und schaut konzentriert an die Decke. Für die Mutter des J. reicht das vollkommen aus. Stundenlang betrachtet sie das Kind, zupft am Kind, herzt das Kind und lächelt dem Kind zu, das ab und zu gnädig zurücklächelt. Irgendwann zwischen den unterschiedlichen Akten der Anbetung gibt es erst Kuchen und später etwas Warmes. Was und wie ist den Eltern des J. sichtlich egal.

Die Intensität der Anbetung würde vermutlich jeden verrückt machen. Kind F. ist ein recht entspanntes Kind, aber irgendwann zeigt auch Kind F. Ermüdungserscheinungen. Der J. schützt eine Erkältung vor und legt sich eine Stunde zu Bett, und ich bete unhörbare Mantren des Inhalts, dass das ja hoffentlich nicht lange so bleibt und die Mutter des J. ja heute abend wieder abreist.

Als sie weg sind, atme ich erst einmal durch. Kind F. wird heute deutlich schwerer in den Schlaf finden als sonst. Dafür ist der J. nach Abreise seiner Mutter wieder gesundet, sitzt auf dem Sofa, liest Zeitung und behauptet, seine Mutter sei in ihrer Begeisterung doch eigentlich süß.

Sonntag, 8. April 2012

07.04.2012

Eigentlich sollte ich auf der Stelle jede Nahrungsaufnahme einstellen, um irgendwann, möglichst vor Beginn der Bikinisaison, wieder in den Spiegel schauen zu können, ohne zu weinen. Dann aber lande ich doch im Mami Camilla und esse erst eine Antipastiplatte und dann Cannelloni. Ich werde platzen, soviel steht mal fest.

Nach Hause zurückgekehrt, backe ich auch noch eine Torte. Morgen kommen die Eltern des J. Ich erwarte größere Anstrengungen, dann will ich wenigstens gut essen, und so backe ich einen Biskuitboden, verrühre Quark, Ricotta, Schlagsahne und Früchte, und plaudere ein bisschen mit dem J., der im Wohnzimmer auf dem Sofa liegt, Kind F. auf dem Bauch.

Spät abends liege ich im Bett. Neben mir schnarchen der J. und der F., und nach 20 Seiten William Boyd fallen mir die Augen zu. Ich träume von einem Betriebsausflug und von meiner Großmutter. Ich habe meine Großmutter sehr geliebt und - das fällt mir beim Aufwachen ein - Ich hätte ihr gern Kind F. gezeigt.

06.04.2012

Auf der Oberbaumbrücke ist es kalt. Hell, fast metallisch glänzt die Spree Richtung Osten, haufenweise hübsche Italiener laufen zwischen Friedrichshain und Kreuzberg hin und her, und ich schiebe die ganze Strecke bis nach Prenzlberg zu Fuß und lasse die Gedanken laufen. Ich bin um 16.30 Uhr mit dem R. und der I. zum Kuchen essen verabredet, noch habe ich also Zeit.

Alles in allem bin ich recht zufrieden. Es geht gerade auch ganz gut voran mit der Frau, die ich mir ausgedacht habe, und ich überlege, wie sie eigentlich aussieht, und was sie heute täte. In den acht Episoden, die es werden sollen am Schluss, kommt das nämlich nicht mehr vor, denn die enden im September 2011.

Hinter mir liegt ein langer Spaziergang mit Kaffee zum Schluss mit Herrn Glam, flamboyant wie immer, einen wunderschönen Shawl um den Hals. Vielleicht, so fällt es mir ein, sollte auch Glam in den Geschichten über Nora auftauchen, und ich überlege kurz, wie ich ihn beschreiben würde für einen Leser, der ihn nicht kennt. Eine radikale, eine Kreuzberger Eleganz, fällt mir dazu ein, und eine ein wenig unzeitgemäße Vokabel, die sein Wesen, wie ich meine, am besten beschreibt: Glam besitzt Anmut.



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