Samstag, 7. April 2012

05.04.2012

Ich laufe durch Berlin. Ich will den J. vom Büro abholen und laufe durch die ganze Stadt, am Alex vobei, die Linden entlang, quer durch den Tiergarten und den Kudamm herunter, an den Boutiquen vorbei, bis ich irgendwann vor der Schaubühne stehe. Ein bisschen müde bin ich, und auch die kalte Sonne hat mir Wangen gerötet, der Wind hat mein Haar zersaust.

In allen Lüften schwingt der Frühling und pustet Leichtsinn durch die Straßen. An den Zweigen schaukeln zarte, hellgrüne Tupfen, die Jacken werden hell und leicht, und die Menschen lachen, wenn sie sich begegnen, als teilten sie miteinander ein delikates, duftendes Geheimnis.

Abends bin ich müde. In der Badewanne liegend sehe ich meinen Füßen zu, diefrisch lackierten Nägel inmitten des weißen Schaums. Zum Spaß lasse ich ein paar Fläschchen schwimmen, überlege, was ich von Karen Duves Roman "Taxi" halten soll, und freue mich auf das Treffen mit Glam am nächsten Morgen, das Angrillen am Montag, und denke mir Torten und Salate aus, die ich alle zubereiten will für meine Freunde.

Donnerstag, 5. April 2012

04.04.2012

Ich befinde mich in einem Zwiespalt: Ich habe keine flachen Schuhe. Ich trage derzeit immer entweder ein paar cognacfarbene Stiefel oder Chucks, denn für längere Spaziergänge mit dem Kind eignen sich meine wunderschönen Schuhe ganz und gar nicht. Die sind nämlich nur zum Sitzen und zum Taxifahren da. Schuhe zum Laufen habe ich praktisch nicht.

Natürlich spräche all das dafür, neue Schuhe zu kaufen. Es gibt ja auch flache Schuhe, die nicht aussehen wie Klumpen. Ich bringe es aber nicht über mich, ich bin zu klein für flache Schuhe, und ich tröst mich immer damit, dass die Ballerinasaison ja demnächst beginnt. Ist ja nur noch eine Sache von Wochen. Dann bin ich aus dem Schneider. Und wenn erst mal die Sandalen ...

Aber bis dahin bleibt mir nur: Stiefel. Chucks. Oder Zähne zusammenbeißen und an etwas Schönes denken. Notfalls auch 5 km quer durch die Stadt beim Spaziergang mit ein paar Bekannten.

03.04.2012

Noch vor wenigen Jahren wusste ich ziemlich genau, welche Freunde in welcher Bar anzutreffen waren. Es gab Leute, die traf man mit großer Sicherheit Donnerstag Nacht im Cookies an. Einen Bekannten habe ich immer im Schwarzsauer angetroffen, wo wir uns jedesmal versichert haben, wir wären da nie, außer ausgerechne heute. Dann haben wir - so meine ich mich zu erinnern - Unmengen Bier getrunken und ganz, ganz viel geraucht.

Das Rauchen habe ich leider aufgegeben. In Bars bin ich gerade auch eher selten. Die Bekannten immerhin treffe ich nach wie vor mit derselben vorhersehbaren Zufälligkeit: Auf dem Markt etwa. Beim Kuchen essen. Oder in der LPG. Die LPG am Senefelder Platz ist nämlich der Ort, an dem jeder, ausnahmslos jeder, irgendwann im Laufe einer Woche einzukaufen scheint, und so stehe ich mit drei anderen Bekannten am Dienstag nachmittag irgendwo zwischen den Rollbändern, den Kassen und dem Obst und plaudere über den Urlaub der I., ein Jobangebot der L. und eine vewickelte Intrige, bei der es irgendwie auch um die B. geht, die ich aber nicht genau verstanden habe.

Um den Duchgang nicht total zu verstopfen, schieben wir unsere Kinderwagen immer ein bisschen nach links und rechts. Die Mütter mit Kindern, die schon laufen können, passen aus den Augenwinkeln auf, dass die Kinder nur Sachen essen, die schon im Wagen liegen, und irgendwann verabschieden wir uns und gehen.

Alles in allem hört man nicht weniger, als früher an irgendeinem Tresen, resümiere ich auf dem Weg zum Sushiessen. Ich treffe auch nicht weniger Leute. Nur lustiger, lustiger war's schon, damals unterwegs durch die Stadt, und ich freue mich auf die nächsten langen Nächte, sobald es wieder geht. Lange kann es nicht mehr dauern.

Aber nun gibt es erst einmal Sushi.

Dienstag, 3. April 2012

02.04.2012

An diesem Tisch sind wir uns vollkommen einig: Wir sind alle für das Betreuungsgeld. Die N., die schon auf vierzehn Wartelisten steht und unbedingt für den Oktober dieses Jahres einen Kitaplatz braucht, hält eine engagierte, kleine Rede zugunsten des Rechts jeder Mutter, ihr Kind zu Hause zu betreuen, zumal dann, wenn diese Mutter ohnehin keinen oder keinen so vergnüglichen Arbeitsplatz hat wie eine Unternehmensberaterin. Auch die B. ist ganz entschieden pro Betreuungsgeld und preist insbesondere die Aussicht auf das Fernbleiben verrohter Kindern schrecklicher Familien, die ihre leicht körperbehinderte Tochter bestimmt hänseln würden, und auch ich finde die Aussicht toll, aufgrund einer drastisch zurückgehenden Nachfrage nach Ganztagsbetreuungsplätzen nicht noch weitere Dutzende von Kitas aufsuchen zu müssen, um dort um einen Platz für Kind F. zu betteln.

Kollektiv bestellen wir noch eine Runde Tee und ein paar Kekse und erörtern die Frage, ob das Betreuungsgeld, wenn es denn kommt, auch die Kitas des Prenzlbergs entlasten würde, dessen Klientel seine ganz eigenen Probleme pflegen mag, aber so pleite, dass € 100,-- unsere Mitbewerber für eine Kinderbetreuung dazu bringen würden, zuhause zu bleiben, sind die meisten nicht. Vielleicht - so wirft die N. ein - würde aber eine generelle Aufwertung der Hausfrauenrolle die eine oder andere möglicherweise von ihrem Job ohnehin schon ein wenig deprimierte Frau motivieren, sich gesellschaftliche Anerkennung über Kindererziehung zu holen. Die frischgebackene Hausfrau behält ihr Kind dann daheim und verbringt ihre Tage fortan damit, die Wohnung zu dekorieren, Marmelade zu kochen und legt sich, wenn ihr sehr langweilig wird, ein pseudoberufliches Hobby zu wie etwa das Nähen von Quilts oder Stricken von Babysachen, die sie dann über Dawanda oder auf einer eigenen Homepage vertreibt. Ihren Kitaplatz könnten wir dann haben.

Unsere Hoffnung, so sind wir uns einig, liegt also auf der CSU. Auf keinen Fall sollen sich diejenigen durchsetzen, die innerhalb der Koalition auf verbesserte Rentenansprüche hinwirken. Wir sind alle berufsständisch oder pruvat rentenversichert. Die Rente anderer Leute interessiert keinen an diesem Kaffeehaustisch. Nein, wir brauchen Kitaplätze, und wir appellieren an die Politiker der CSU: Setzen Sie sich durch! Boxen Sie das Schnapsgeld durch die Koalition! Zeigen Sie der FDP und den von der Leyens und so weiter, was eine Harke ist, und bleiben Sie standhaft.

Aber machen Sie schnell.

Montag, 2. April 2012

01.04.2012

Wenn noch mehr Besuch kommt, dem der J. die fabelhaften Torten vom Franz Karl vorsetzen will, nehme ich nie ab. Zum Ausgleich gehen wir mit dem Besuch wenigstens etwas spazieren und sprechen ausführlich über Sport. Ich habe viel Sport getrieben, früher, berichte ich, und erzähle von Regatten, Titeln, den Clubs der Konkurrenten, und wie schade es ist, dass das heute nicht mehr geht.

Irgendwie ist mir erst die Zeit und dann der Spaß am Sport vergangen. Ganz gelegentlich nehme ich mir mal vor, mir einen Verein zu suchen, eine freie Spielgemeinschaft vielleicht, ein paar Frauen, die abends um 21.00 Uhr irgendwo Basketball mit mir spielen, aber in den letzten Jahren habe ich zuviel gearbeitet. Vielleicht ist die Gelegenheit derzeit günstig, denke ich und suche am nächsten Tag im Netz, ob sich irgendwo um die Ecke eine Gelegenheit bietet, finde aber nichts. Im Prenzlberg macht offenbar jeder Pilates oder Yoga, so sieht es aus, und ich, die ich schwitzen, laufen und spielen will: Ich habe das Nachsehen.

Sonntag, 1. April 2012

31.03.2012

In Wirklichkeit wohne ich auf dem Dorf: Wenn ich meine Loggia bepflanze, spricht mich ein paar Tage später ein Kollege an, wie hübsch das aussieht. Wenn ich auf den Markt gehe, treffe ich immer irgendwen. Auf dem Weg zum Bus winke ich der Bäckereiverkäuferin zu, und als ich das ganz frische Kind herumgefahren habe, sind die Ladenbesitzer herausgekommen und wollten das Baby sehen. Ich lebe hier gern.

Sogar bei so miesem Wetter wie gestern ist es hier schön. Eilig laufen wir durch Sprühregen und Kälte über den Markt, kaufen Appenzeller, Harzer Roller und ganz alten Gouda, ein Pfund Filet vom Wels und Pflücksalat zum Dazuessen. Eine Flasche Wein haben wir schon am Vortag abends gekauft, den trinken wir jetzt aus, und im vietnamesischen Supermarkt an der Ecke Kokosmilch und Gemüsefond für ein vegetarisches Curry. Dann sind wir wieder daheim. Draußen herrscht ein Wetter wie auf Sylt an schlechten Tagen, und den ganzen Tag will ich nicht mehr raus. Ich liege auf dem Sofa, füttere ab und zu den Kleinen und lese Ian McEwan. Amsterdam.

Vor die Tür gehe ich nicht mehr. Im Internet schaue ich ein bisschen nach Rezepten für Ostern. Wir haben Gäste, einmal Familie und einmal Freunde, und als der Kleine im Bett liegt, fange auch ich an zu gähnen.



Benutzer-Status

Du bist nicht angemeldet.

Neuzugänge

nicht schenken
Eine Gießkanne in Hundeform, ehrlich, das ist halt...
[Josef Mühlbacher - 6. Nov., 11:02 Uhr]
Umzug
So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen....
[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
wieder einmal
ein fall von größter übereinstimmung zwischen sehen...
[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
Leute an Nachbartischen hatten das erste Gericht von...
[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
Allen Gewalten zum Trotz...
Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort....
[Modeste - 1. Apr., 22:41 Uhr]
Über diesen Tip freue...
Über diesen Tip freue ich mich sehr. Als Weggezogene...
[montez - 1. Apr., 16:42 Uhr]
Osmans Töchter
Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald...
[Modeste - 30. Mär., 17:16 Uhr]
Ich wäre an sich nicht...
Ich wäre an sich nicht uninteressiert, nehme aber an,...
[Modeste - 30. Mär., 15:25 Uhr]

Komplimente und Geschenke

Last year's Modeste

Über Bücher

Suche

 

Status

Online seit 7478 Tagen

Letzte Aktualisierung:
15. Jul. 2021, 2:03 Uhr

kostenloser Counter

Bewegte Bilder
Essais
Familienalbum
Kleine Freuden
Liebe Freunde
Nora
Schnipsel
Tagebuchbloggen
Über Bücher
Über Essen
Über Liebe
Über Maschinen
Über Nichts
Über öffentliche Angelegenheiten
Über Träume
Über Übergewicht
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren