Wunder der Wirtschaft
Bei mir in der Straße gab es zum Beispiel bis vor kurzem ein Geschäft, in dem man Papierstreifen und andere bedruckbare Gegenstände kaufen konnte, auf denen Buchstaben und Wörter angebracht waren. JONASSILKEANDI zum Beispiel oder so ähnlich, und das alles in roten Buchstaben, die ein wenig an Kartoffeldruck erinnerten. Ich habe nie jemanden in dem Laden gesehen, und inzwischen ist er weg.
Dass sich das nicht rechnet, hätte ich dem Betreiber gleich sagen können. Genauso verhält es sich meiner Ansicht nach mit Läden, die nur künstlerisch gestaltetes Geschenkpapier verkaufen und € 3,50 für einen Bogen haben wollen. Auch Internetversandhäuser, die nur sehr wenige, aber dafür sehr originelle Produkte anbieten, rechnen sich wahrscheinlich nicht, es sei denn, es hat irgendwas mit geschlechtlichen Vorgängen zu tun, denn Geschäfte mit dieser Sphäre menschlichen Lebens lohnen sich anscheinend immer, denn sogar der Versand von SPAM muss sich ja irgendwie lohnen, sonst hätten die Spammer längst aufgehört damit, und - by the way - schon oft habe ich mich gefragt, wer das eigentlich macht.
Sitzt, so grübelt man bisweilen, tatsächlich irgendwo eine Ms Delora Graham und schickt Mails in alle Welt, damit Leute V*iagra und Valium kaufen? Gibt es Herrn Dob Curry, und irgendwelche Leute, die ihm Geld überweisen, damit er es für sie gewinnbringend anlegt? Wer verbirgt sich hinter Maximilian Murphy, und wer will ausgerechnet von ihm ein Microsoft-Product für wirklich ziemlich wenig Geld erwerben? Und was passiert, wenn man tatsächlich Geld zu einem dieser Menschen überweist? Verschwindet Mr Murphy in das bodenlose Nichts der Kundenkommunikation und verjubelt das Geld bei Mc Donalds? Oder kommt eines Tages tatsächlich ein Päckchen aus Übersee, das die männerstärkenden Tabletten, die billigen, aber originalverpackten Programme oder ein Aktenpaket enthält? Und wer um alles in der Welt ist Benni, und was für ein Diplom erhält derjenige, der mit ihm einen Vertrag abschließt und diesen erfüllt?
Und wenn sich so etwas lohnt – warum ist der Laden mit dem kreativen Kartoffeldruck eingegangen?
Ich habe einmal – mehr zum Spaß – an einem Existenzgründerseminar teilgenommen. Das war sehr merkwürdig, weil ich ja aus einer Gründung selber kam und es war zu dem Zeitpunkt, als alle, denen klar war, sie würden kein AG II nach Umsetzung der Hartz IV-Stufe erhalten, sich noch einmal schnell mit der Existenzhilfe der Agentur über die nächsten Monate ansatzweise absichern wollten.
Ich war versucht 80 % der Teilnehmer beim Mitteilen ihrer Ideen zu sagen: „Gott, lass das doch – das hat doch nie Aussicht auf Erfolg.“ Nachdem man die Teilnehmer nach zwei Tage näher kannte, hätte ich den restlichen 12 % auch sagen wollen, „mache Du Dich bitte bloß niemals selbstständig – Du bist das nicht, Du kannst das nicht. Später im Leben vielleicht, aber nicht jetzt.“ Manche Sachen sind sehr offensichtlich zum Scheitern verurteilt, aus den unterschiedlichsten Gründen. So zum Beispiel das Tauchgeschäft, das mir Tauchutensilien und Tauchkurse verkaufen wollte – in Neukölln, der Silbersteinstraße, wo es sonst nur einen Aldi, ein Netto, ein Lidl und diverse türkische Bäcker gibt. Weil Arbeitslose und Asylanwärter als erstes in Berlin tauchen lernen. Ja … Kartoffeldruck, schöne Idee, könnte ich ja auch machen … jetzt, hier, zu Hause, selber …