Wie man jemand anders wird (24.11.2009)
Nehmen wir beispielsweise meine Freundin C. Die C. ist sehr klug, sehr schnell, sehr charmant, wenn sie möchte, und zu alledem sieht sie auch noch gut aus. Meine Freundin C. ist ziemlich super. Derzeit wohnt sie in Brüssel, arbeitet wie ein Pferd 15 Stunden am Tag, aber ob und was sie davon haben wird, ist noch völlig offen. Die C. lebt nicht schlecht, aber verdient jeden Euro, den sie ausgibt, selbst.
Auf der anderen Seite der Anstrengungsskala sitzt meine Freundin A. in einem sehr bequemen Feuteuil. Morgen früh wird sie ungefähr drei Stunden länger schlafen als die C., dann wird sie frühstücken, und während die Putzfrau kommt, geht sie spazieren. Oder nein, morgen ist Mittwoch. Am Mittwoch hat die A. Gesangstunden. Das alles finanziert ihr Mann. Weil die A. ihn sonst nicht geheiratet hätte, gibt es keinen Ehevertrag.
Natürlich ist das alles von schreiender Ungerechtigkeit. Die C. ist nicht nur viel klüger als die A., sie sieht auch noch besser aus (finde ich), und doch ist keineswegs absehbar, dass sich die Verhältnisse eines Tages verkehren. Ganz im Gegenteil: Es spricht Einiges dafür, dass der Schreibtisch der C. sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter füllen wird. Dabei werden die Belange, um die es geht, vermutlich immer wichtiger. Die A. aber wird während dessen zu Hause herumsitzen und das Haus einrichten, einkaufen, sich mit Freundinnen im Café treffen, und ansonsten tut sie vermutlich auch künftig wenig. Befragt, ob sie sich nicht langweilt, antwortet sie wohl auch künftig mit einem erstaunten "nein".
Mir persönlich gefällt das Lebensmodell der A. eigentlich ganz gut. Ich würde sehr gern morgen ausschlafen. Ich sitze auch gern im Café. Gleichwohl arbeite ich ähnlich viel wie die C., und bin vor einer halben Stunde nicht aus einer Bar, sondern aus dem Büro gekommen. Die Frage, die sich mir nun stellt, ist angesichts dessen vermutlich rein rhetorisch, aber nicht weniger drängend: Wie wird man jemand anders? Und wenn dies - erwartungsgemäß - nicht möglich sein sollte: Auf welchen Umstand geht es zurück, dass die Umstände aussehen, wie sie aussehen, und ist da wirklich nichts zu machen?
Um über diese Fragen ernsthaft nachzudenken, habe ich aber keine Zeit.
@elke66
ich sag gern: bleib wie du bist und werde jeden tag ein bisschen anders.
in "bleib wie du bist" sehe ich nicht ausschließlich ein kompliment, sondern auch einen hemmschuh, nämlich "entwickle dich nicht weiter, vor allem nicht in eine richtung, die mir vielleicht aus irgendwelchen gründen nicht so gefallen könnte."
zum ursprünglichen blogeintrag.
die a. lebt ihr leben, die c. lebt ihres, sie, verehrte modeste leben ihres und ich meines. ich hätte vermutlich auch gern das geld der a. und würde auch gerne öfter ausschlafen können. ich würde mich nicht wohlfühlen damit, dass ein mann mir das alles finanziert. ich bin es gewohnt zu kämpfen, und wogegen oder vor allem wofür sollte ich kämpfen, wenn mir vieles in den schoß fällt.
ich stell es mir für ein paar wochen ganz schön vor, den tag im kaffeehaus zu beginnen und in einer bar zu beenden, und dazwischen ein wenig zu shoppen, aber es würde mich nicht auf dauer erfüllen. Da schlag ich mich lieber mit Klienten, Kollegen, Vorgesetzten herum, da tu ich lieber etwas, das in meinen Augen Sinn hat.
Aber jedem und jeder das seine/ihre.
Möge die A. glücklich sein, wie sie ist. Und Sie auch, Verehrteste.