In die anderen Leben hinüber
„Und?“, fragt der T., „Ein neuer Mann am Frühstückstisch?“, und bohrt seine Gabel in sein Stück Mohnkuchen. Ich erläutere das auf einem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage beruhende erotische Vakuum, in das ich irgendwie geraten sein muss, und beklage ein bißchen die irritierende Tatsache, dass nette Herren meiner Umgebung noch nicht einmal versuchen, ein bißchen zudringlich zu werden. „Kann ich kaum glauben.“, sagt der T., und der O. nickt ein bißchen zerstreut und schaut der missmutigen Kellnerin zu, die halbherzig ein bißchen an der Espressomaschine herumwischt. „Danke, danke.“, sage ich, ein bißchen gereizt, obwohl der T. für die ganze Malaise eines nicht nur in dieser Beziehung völlig ereignislosen Sommers selbstverständlich nicht das geringste kann.
„Wenn sich bis Weihnachten keiner findet, finde ich dir die Telephonnummer vom S. heraus.“, wechselt der T. den Ton, und bricht in lautes, etwas schrilles Gelächter aus. Der S., so erklärt er dem O., der diese ziemlich lange zurückliegende Episode meines Lebens nicht mitbekommen hat, sei ein völlig indiskutables Geschöpf gewesen. Ein Studienversager zweifelhafter Herkunft und versehen mit dermaßen schiefen Zähnen, dass der T. habe gar nicht hinschauen können. Die liebe Modeste, so erläutert der T. weiter, habe in dieser Hinsicht ab und zu Anfälle einer nur schwer nachvollziehbaren Exzentrik.
Für einen kurzen Moment überlege ich, meine Teetasse einfach an die Wand zu feuern und das Café zu verlassen. „In den S. war ich mal mächtig verliebt.“, sage ich statt dessen mit aller Selbstbeherrschung, die ich besitze, und versuche, das Thema zu wechseln. „Hat der S. nicht sogar geheiratet?“, unterbricht der T. meinen Sermon über Venedig, und macht sich ein bißchen lustig über die Frau, die diesen lang verflossenen Exfreund geheiratet habe, und die keiner von uns jemals gesehen hat. Ob die Dame tatsächlich, wie man mir berichtet hat, der Profession einer Sachbearbeiterin in der Kommunalverwaltung nachgeht, oder ob der Begriff der Sachbearbeiterin lediglich als eine Art Gattungsbezeichnung verwendet wurde - Anlass für den bohrenden Spott des T. bietet die völlig unbekannte Frau offenbar genug, und ich unterbreche seinen Redefluss mit der Mitteilung, ich müsse jetzt weiterarbeiten und deswegen nach Hause.
„In deinen Memoiren kannst du den ja einfach streichen. Und den G. gleich dazu.“, schließt der T. die Ausführungen über meine missliebigen Exfreunde fröhlich ab, und zieht mit der Ermahnung, derartige faux-pas der Partnerwahl künftig zu vermeiden, seine Jacke über.
„Über den S. schreibe ich bestimmt noch einmal.“, sage ich, verabschiede mich und überlege zwischen Café und Wohnung, wie der S. eigentlich aussah, wie seine Stimme klang, und warum ich ihn einfach vergessen habe, am Ende, als ein anderer auftauchte, und der S. schlagartig aufhörte zu leuchten. Dass ich ihn nicht anrief, ihn an seinem Geburtstag mit ein paar Sätzen verabschiedete und ihn nicht in der Klinik besuchte, in der man ihn dann wieder auf die Beine zu stellen versuchte.
Dass ich kein Recht habe, mich über den T. zu ärgern, denke ich, in der offenen Wohnungstür. Dass der T., was auch immer er sagen wird, den S. nicht verletzen kann, so wie ich den S. verletzt haben muss. Dass die Verletzungen aus Gleichgültigkeit denen aus Boshaftigkeit vielleicht gleichstehen am Ende, und zu den Schulden, die ich dem Schicksal bezahlen werde irgendwann, auch diese Schuld gehört, leichten Herzens und leichter Hände, wie alle anderen auch.
„Wenn sich bis Weihnachten keiner findet, finde ich dir die Telephonnummer vom S. heraus.“, wechselt der T. den Ton, und bricht in lautes, etwas schrilles Gelächter aus. Der S., so erklärt er dem O., der diese ziemlich lange zurückliegende Episode meines Lebens nicht mitbekommen hat, sei ein völlig indiskutables Geschöpf gewesen. Ein Studienversager zweifelhafter Herkunft und versehen mit dermaßen schiefen Zähnen, dass der T. habe gar nicht hinschauen können. Die liebe Modeste, so erläutert der T. weiter, habe in dieser Hinsicht ab und zu Anfälle einer nur schwer nachvollziehbaren Exzentrik.
Für einen kurzen Moment überlege ich, meine Teetasse einfach an die Wand zu feuern und das Café zu verlassen. „In den S. war ich mal mächtig verliebt.“, sage ich statt dessen mit aller Selbstbeherrschung, die ich besitze, und versuche, das Thema zu wechseln. „Hat der S. nicht sogar geheiratet?“, unterbricht der T. meinen Sermon über Venedig, und macht sich ein bißchen lustig über die Frau, die diesen lang verflossenen Exfreund geheiratet habe, und die keiner von uns jemals gesehen hat. Ob die Dame tatsächlich, wie man mir berichtet hat, der Profession einer Sachbearbeiterin in der Kommunalverwaltung nachgeht, oder ob der Begriff der Sachbearbeiterin lediglich als eine Art Gattungsbezeichnung verwendet wurde - Anlass für den bohrenden Spott des T. bietet die völlig unbekannte Frau offenbar genug, und ich unterbreche seinen Redefluss mit der Mitteilung, ich müsse jetzt weiterarbeiten und deswegen nach Hause.
„In deinen Memoiren kannst du den ja einfach streichen. Und den G. gleich dazu.“, schließt der T. die Ausführungen über meine missliebigen Exfreunde fröhlich ab, und zieht mit der Ermahnung, derartige faux-pas der Partnerwahl künftig zu vermeiden, seine Jacke über.
„Über den S. schreibe ich bestimmt noch einmal.“, sage ich, verabschiede mich und überlege zwischen Café und Wohnung, wie der S. eigentlich aussah, wie seine Stimme klang, und warum ich ihn einfach vergessen habe, am Ende, als ein anderer auftauchte, und der S. schlagartig aufhörte zu leuchten. Dass ich ihn nicht anrief, ihn an seinem Geburtstag mit ein paar Sätzen verabschiedete und ihn nicht in der Klinik besuchte, in der man ihn dann wieder auf die Beine zu stellen versuchte.
Dass ich kein Recht habe, mich über den T. zu ärgern, denke ich, in der offenen Wohnungstür. Dass der T., was auch immer er sagen wird, den S. nicht verletzen kann, so wie ich den S. verletzt haben muss. Dass die Verletzungen aus Gleichgültigkeit denen aus Boshaftigkeit vielleicht gleichstehen am Ende, und zu den Schulden, die ich dem Schicksal bezahlen werde irgendwann, auch diese Schuld gehört, leichten Herzens und leichter Hände, wie alle anderen auch.
von: Modeste Schublade: Über Liebe Datum: 11. Aug. 2005, 12:15 Uhr
Die Hölle der Sitzengelassenen und Verschmähten
der fliegenden Messer. Ich habe da ja auch ein paar Sünden hinter mir,
die aber schon eher unter die Rubrik "verpeilt" fallen (nicht gemerkt,
was diese und jene tatsächlich für mich empfand). Nicht nur verletzend
für andere, sondern auch saudumm für mich selber. Gäbe es im Leben doch
eine Repeat-Taste...
Midleidsbeziehung nein, aber vielleicht "Mitgefühl-Verbundenheit". Gestaltet den Ablösungsprozeß m.E. "nachhaltiger" und hinterläßt weniger torkelnde Zombies auf dem Weg, spart so möglicherweise die Notwendigkeit eines ständig durchgeladenen und besetzten Heck-MGs.
(Dem Schachgenie Bobby Fischer sagt man die exzentrische Eigenheit nach, beim Nachspielen von Partien immer gern lustige Comiclaute wie "BOING!" von sich zu geben, wenn Figuren geschlagen werden, und so erging es mir beim Lesen mit einigen Deiner abgehandelten Herren.
Nett ist das nicht, das gebe ich gerne zu. :-/ )
(Searles ist übrigens nicht zuletzt wegen des Real-World-Faktors spannender als jede Fiktion, wenn er das Ringen mit Patientinnen beschreibt, die ihn, den Psychoanalytiker, an die Grenzen seiner eigenen mentalen Gesundheit treiben, und mehr als einmal fast darüber hinaus.)
Nein, ganz im Ernst - die absichtliche femme fatale wollte ich auch nicht unterstellen. Es gibt da eine fatale psychologische Wechselwirkung, die einen bestimmten Typus Mann und einen bestimmten Typus Frau zusammenbringt. Manche Frauen, die ein hohes Maß an Intensität verkörpern, sind für diese Sorte Mann die Verheißung, billig an etwas zu kommen, was sich nur sehr mühsam - oder manchmal gar nicht - erarbeiten läßt. Beispiel: muttergeschädigte Herren der Schöpfung, die hoffen, mit einer starken Frau sozusagen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu können. Da dieses Etwas - nennen wir es eine geborgte Intensität oder Grandiosität - eben nur geliehen ist, wird der Verlust desselben, der mit dem Verlust der Frau einhergeht, umso schmerzhafter empfunden. Wie gesagt, ich habe mich mit diesem Effekt länger beschäftigt. (Stichwort: Asthmatiker vs. Asthmatiker-Mütter...)
Da ist er wieder, der "Pluto-Archetyp" - Motten und Licht. Ich fürchte, Opfer lassen sich da gar nicht vermeiden, also keine allzugroßen Schuldgefühle hegen. (Der Jungsche "Schatten"-Begriff fällt mir dabei auch noch ein, aber das wird jetzt, fürchte ich, zu theoretisch...)
Es gibt Frauen, bei denen die Stärke - ohne Anführungszeichen - etwas ausmacht, das man als Verzichtstärke bezeichnen könnte, meistens durch einen starken und/oder sehr ambivalenten Vater vermittelt, der entweder als fürsorglich und als immer verfügbarer "Rückzugsort" empfunden wird oder aber als übermächtig, und der einmal in einem inneren Kampf auf Leben und Tod niedergerungen wurde. (Eine Frau z.B., die über diese "Stärke" verfügte, hatte einen Vater, den sie nie weinen sah und mit dem sie sich teils gewalttätige Auseinandersetzungen lieferte.)
Mit diesem überzeugenden "ich brauche dich nicht!" kann jedes psychologische Armdrücken mit jedem erdenklichen Herren gewonnen werden (es sei denn, er verfügt über eine analoge Konstellation, dann ist er ebenbürtig).
Was Intensität angeht, ist es eben immer ungefährlicher, die Kontrolle über seinen Endorphinkonsum in der eigenen Hand zu behalten. ;-)