Einhergeweht, mein Lieber

Dass man zu schnell lebt, denke ich mir, und sehe aus dem Fenster des Taxis in den Weinbergspark hinein, dem man nicht glaubt, wie warm er werden kann, im Juli, und wie flirrend und rot in der Hitze. Dass man immer ein paar Stunden langsamer ist als man selbst. Dass das Herz stets zu Fuß einhergeschlendert kommt, und nur die Glieder fliegen und fahren so eilig durch die Welt, als sei das zu irgendwas gut: Mittwoch morgen also nach Essen. Zwei Tage am Stück im Kunstlicht gesprochen und mich selbst aufgeführt in einer mittelmäßigen Inszenierung. Das Bühnenbild etwas absurd. Donnerstag abend zurück nach Berlin.

Donnerstag um neun dann am Hauptbahnhof ins Taxi, vom Taxi heim. Umgezogen, losgelaufen, im Klub der Republik Anselm Neft zugehört und trotz Müdigkeit und Schwere gelacht. Mir vorgenommen, viel Werbung für Anselms Buch zu machen. Zu viel Sekt getrunken und darauf gewartet, dass die Verlangsamung eintritt, die mit Sekt einzuhergehen pflegt, dass sich die Muskeln endlich lockern, und die Welt weich wird und warm. Meine Ankunft in mir erwartet wie man auf Züge wartet, bisweilen, in denen Menschen sitzen, die man mag. Auf der Damentoilette gestanden und mich angesehen und mich fremd gefühlt in meiner Haut. Ich hätte vielleicht nicht viel für mich über, träfe ich mich an der Bar.

Menschen getroffen, die ich mag, und andere, die ich vielleicht mögen würde, würde ich sie kennen. Irgendetwas gesprochen und sofort alles vergessen. Viel zu spät heim und Freitag entsetzlich müde. Gekocht, zu zweit, und früh zu Bett.

Am Samstag wieder zum Tierarzt. In Mitte fast einen Hosenanzug gekauft, und dann ganz froh gewesen, dass er nicht passte. In Hosenanzügen, das weiß ich, sehe ich aus wie ein Mann. Im YamYam in Mitte gegessen. Im Deutschen Theater Nina Hoss beim Verrücktwerden zugeschaut und hingerissen gewesen von soviel Kunst. Mit dem W., dem N. und dem J. in Rutz Weinbar gesessen, einen Grauburgunder, einen Bordeaux und einen Saumagenburger bestellt, und zu Fuß durch den Schnee bis nach Hause. "Ich bin noch nicht da", gedacht. Die Stiefel ausgestopft mit Papier. Mit den Händen die Arme umfasst und gedrückt und sich gefragt, ob wohl andere Leute so ganz identisch mit sich durch die Straßen der Stadt spazieren, und ob das, was die anderen in Spiegeln sehen, von ihnen bewohnt und ausgefüllt wird, als seien sie wirklich das, wovon die Kleider scheinen und nicht irgendwo anders oder gar: Nicht ganz sie selbst.

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