Freitag, 11. Januar 2008

Defätismus

Nicht einmal das Vergnügen mache noch Spaß, erzählt die B.. Ablenken habe sie sich wollen von der ganze Misere, ein paar Wochen vor Weihnachten. Ausgegangen sei sie, und weil keiner mitwollte, eben allein. Im Würgeengel habe sie ganz allein einen Wodka Sour getrunken. Am Boxhagener Platz habe sie ebenso allein noch viel mehr getrunken, und mit irgendwelchen Leuten über irgendwas gesprochen. Sie könne sich nicht mehr erinnern. Quatsch halt, lacht die B., und kaut ihr Nigiri, als gelte es, jedes Reiskorn ganz, ganz fein zu zermalmen.

Schließlich saß im Lido in irgendeiner Ecke. Nach Tanzen war ihr nicht zumute. Nach noch mehr Alkohol aber auch nicht, nur ein bißchen reden wollte die B., saß herum, ließ sich ansprechen, erzählte irgendwas über Musik oder so, und hörte mit halbem Ohr jemandem zu, der neben ihr saß. Besonders deutlich sehen konnte sie ihn nicht. Zum einen war es dunkel, zum anderen war die B. schon ziemlich angetrunken, und groß interessiert hatte sie das alles nicht. Als der Fremde nach ihrer Hand griff, ließ sie sie trotzdem liegen.

„Ist das deine Wohnung?“, habe der Fremde sie am nächsten Morgen gefragt, als sie erwachte. Ziemlich nackt und sehr, sehr jung sei der Fremde durch ihre Charlottenburger Wohnung gelaufen, habe ab und zu mit dem Kopf geschüttelt, die Bilder an den Wänden angeschaut und die vielen Bücher. „Schöne Möbel hast du.“, hatte er gesagt. - „In meiner WG studiert auch eine Jura.“, hatte er ihren Schreibtisch kommentiert.

„Gefragt hat er nicht, wie ich alt ich bin.“, sagt die B. und knetet ihre Knöchel. 24 Jahre sei er alt gewesen, elf Jahre jünger als sie, teilt sie mit, und verschweigt, woher sie das weiß. Ein etwas wortkarges Frühstück sei es gewesen, und dann sei er gegangen. Nach einem zweiten Treffen hatte keiner gefragt.

„Ist das nicht trist?“, fragt die B. und sieht aus dem Fenster. Alt habe sie sich gefühlt. Alt und etwas schmutzig. Nicht wie die Prinzessin aus dem Märchen, nicht wie eine schöne, begehrte Frau, sondern wie eine fette, betrunkene Mänade. Wie die Knusperhexe, die den Hänsel abtastet, ob er schon schlachtreif sei.

Noch zwei, drei solche Affären, sagt die B., und dann gar nichts mehr, und am Ende allein in der Badewanne sterben, weil man nicht mehr rauskommt aus dem ganzen Schlamassel.

Was sie falsch gemacht hat, fragt sich die B. „Gar nichts.“, sage ich und suche nach ein paar beruhigenden Worten. - „Um so schlimmer.“, seufzt die B. und wirft einen Zehner auf den Tisch. Bis bald. Und 2008 werde auch nicht besser.

Da müsse man jetzt durch.



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