Montag, 14. März 2005

Frau Berg nervt

„An der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur kotzt mich vor allem die Kraftlosigkeit an.“, schleudere ich zwischen Hähnchenschenkeln und Brokkoli auf den Mittagstisch. „Da fehlt es an Saft, an Energie und einfach an Aggressionen, auch an Auseinandersetzung.“ „Ganz falsch,“ hält mir der Besuch entgegen und verweist auf Sybille Berg.

Sybille Berg kann ich nicht ausstehen.

Die Karriere der Sybille Berg ist an mir, die ich ja nun nicht gerade berufsmäßig Bücher lese, jahrelang komplett vorbeigegangen. Irgendwann war ich einmal auf einer Lesung, das muss Jahre her sein, und sah der sehr dünnen Frau Berg beim Vorlesen zu. Ihre Bücher habe ich danach natürlich nicht erworben.

Wie es Sybille Berg überhaupt gelungen ist, sich die Gunst des Feuilletons zu erwerben, ist mir insbesondere schleierhaft, nachdem mir ein wohlmeinender Mensch zum Weihnachtsfest ein schwarzgebundenes Buch mit dem schönen Titel „Ende gut“ übergeben hat, dass ich nunmehr, schon fast ein Hochfest später, auch durchgelesen habe.

Die Handlung ist natürlich völlig egal: Aufgrund terroristischer Angriffe geht die Welt unter, die aufgrund von persönlichen wie beruflichen Enttäuschungen frustrierte Heldin entflieht der Katastrophe irgendwie nach Skandinavien und lebt dort am Schluss mit einem stummen Mann zusammen.

Was höre ich für ein dumpfes Gemurmel aus den verschlungenen brodelnden Tiefen des Netzes? Das sei doch ganz aufregend, irgendwie? Ja, hätte es sein können. Wenn Frau Berg die Handlung ernst genommen hätte, den Untergang der westlichen Zivilisation unter schmerzvollen Krämpfen, die Trauer um das Unwiderbringliche, den Ekel und die Befriedigung über den Hingang des Unerträglichen von mir aus, aber dieses Billigkaleidoskop von Charakteren, die zu flach sind, als dass es sie in dieser Form irgendwo auf Erden geben könnte, ist zu langweilig, als dass es den Handlungsstrang vergolden könnte. Aggressionen gegen Pappkameraden gelten nicht.

Ärgerlicher als der Inhalt fast ist die Sprache. Ekel und Überdruss als literarische Topoi sind nicht das schlechteste; eine im negativen Sinne überaus sinnliche Erfahrung bedarf aber einer adäquaten Sprache: Ich will nicht nur beschrieben haben, dass die Heldin Ekel empfindet, ich will den Ekel selber nachvollziehen können. Mokant-quengelige Äußerungen über Geschenkartikelverkäufer oder Leute, die in lebenreformorientierten Gemeinschaften hausen, brauche ich nicht. Dass solche Menschen nicht diejenigen sind, denen ich meine Nächte widmen werde, ist mir ebenso klar, wie jedem anderen bisweilen denkenden Wesen. Das hölzerne, schrille Piepsen der Sybille Berg erinnert ein wenig an das Leiden an der Welt weltenferner Schulmädchen, die die Welt aus dem Fernsehen gar nicht gut finden.


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