Montag, 27. März 2006

Samstag in den Seilen

Weil wir so kinderlos sind, dass die Deutschen demnächst aussterben werden, lassen wir uns am Samstag um drei nicht von Babies mit Möhrenbrei bespucken, sondern liegen bei der B. mit dicken Kissen im Rücken auf dem Boden herum und trinken Tee. - Weil wir so unpolitisch sind, dass es uns ganz egal ist, wer am Sonntag irgendwo Ministerpräsident wird, lachen wir ausgewogen und abwechselnd über Frank Schirrmachers Fortpflanzungsappelle und Franz Müntefering an sich, und die B. erzählt von der Schönheit ihrer Fußpflegerin, die aus Rumänien kommt, und zum Film will oder einen Deutschen heiraten, wenn das mit dem Film nicht klappt. Sehr wild, sagt die B., sei ihre Fußpflegerin, und der T. lacht.

Weil uns langweilig ist, gräbt der T. einen Stapel DVD’s um und schiebt „Jules et Jim“ in den Player, den ich liebe und immerzu schauen könnte, und Jeanne Moreau lacht in die Kamera, als würde es solche Liebe wirklich geben in einem schwarz-weißen, wunderschönen, schwerelosen Paris, aber grau und regnerisch lastet Berlin auf meinen Schultern. „Ich muss jetzt etwas Süßes essen.“, sage ich, die nur Rosinenbrot gefrühstückt hat, und die B. fährt ins Lafayette, Kuchen kaufen.

Mit den Füßen gegen die Wand gestemmt fahre ich dem T. mit einer rot-goldenen Seidenquaste durchs Gesicht, weil ich seine Grimassen mag, wenn er versucht, die Quaste wegzuwischen. Die B. verteilt nach ihrer Rückkehr eine Tarte Citron auf drei Kuchenteller und wirft uns riesige, weiße Servietten an die Brust, auf denen gestickte Hasen bunte Eier tragen, die genauso groß sind wie sie selbst.

„Ich muss los.“, stehe ich irgendwann auf, gähne, und die B. gibt mir den Film mit für später. Mit der U2 fahre ich Richtung Westen, dränge mich über den Ku’damm, die Kantstraße entlang, um am Savignyplatz meinem Vater gegenüber zu sitzen, der Truffaut nicht mag, und die Nase kraust, wie er es manchmal macht, wenn ihm etwas nicht passt. Mein Vater erzählt lauter Geschichten, ich bestelle die Karte rauf und runter, und nachts, irgendwann sehr, sehr spät, ein Essen, eine Bar und zwei Parties später, schaue ich im Bett sitzend Cathérine dabei zu, wie sie ins Wasser fährt, und heule vor mich hin wie jedesmal bei dieser Szene.



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