Die A. heiratet
„Huhu, Modeste!“, jubelt die A. aus dem Hörer und teilt ungeheuerliche Neuigkeiten mit: Sie werde heiraten
„Herzlichen Glückwunsch!“, jubele ich höflich zurück, die ich zur Ehe ein ähnliches Verhältnis hege wie zum Berufsbeamtentum, und ebenso, wie ich so gut wie jedem Beamten automatisch eine Art Sicherheitsneurose unterstelle, habe ich den Sinn der Ehe, zumal der kinderlosen Ehe, nie recht nachvollziehen können.
„Das ist ja eine recht plötzliche Entwicklung.“, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt, und die A. erzählt mir folgende Geschichte:
Vor einigen Monaten, so ungefähr Ende Januar, begab es sich, dass die A. irgendwo in Mitte einen gutgewachsenen Knaben auflas, Bildhauer, 30 Jahre alt, und ihn in der Folgezeit verhältnismäßig häufig in seiner Wohnung besuchte. Er habe sogar Vorstudien betrieben, um das Antlitz der A. in Metall zu gießen, man ging essen, trinken, und verstand sich insgesamt prächtig.
Leider fand der Lebensgefährte der A. den Bildhauer nicht in derselben Weise sympathisch wie die A. selbst. Ein gemeinsames Essen im Kreuberger Cochon Bourgeois hatte nicht den von A. erhofften Effekt einer frendschaftlichen Annäherung zwischen ihrem Freund und dem Bildhauer, die sich offenbar gegenseitig von Herzen widerlich fanden, und eines Tages, so die A., sei ihrem Freund die Hutschnur gerissen. „Und da hat er mir einen Heiratsantrag gemacht!“, fährt sie fort. Sie habe sofort angenommen.
„Und was passiert jetzt?“, frage ich und gieße mir eine weitere Tasse Tee ein. „Was soll da schon passieren?“, fragt die A. zurück. Man werde heiraten, so richtig mit Pfarrer und Kirche in Baden-Baden, für die Berliner gebe es einen schönen Empfang, und den Bildhauer, den Bildhauer werde sie auch einladen.
Wenn er im September noch aktuell sei, natürlich.