Freitag, 21. April 2006

Golden in the heydays of his eyes

And as I was green and carefree, famous among the barns
About the happy yard and singing as the farm was home,
In the sun that is young once only,
Time let me play and be
Golden in the mercy of his means,
And green and golden I was huntsman and herdsman, the calves
Sang to my horn, the foxes on the hills barked clear and cold,
And the sabbath rang slowly
In the pebbles of the holy streams.

Dylan Thomas, Fern Hill

So lange, so viele Jahre habe ich auf keinem Pferderücken mehr gesessen, und doch einmal gern und sogar halbwegs gut geritten, mit acht, mit zwölf, 15, 18, aber mit zwanzig dann nicht mehr, weit weg vom Jacky, dem braunen Trakehnerwallach mit der weißen Blesse. Nachts aber, manchmal im Traum, vielleicht mit zuckendem Füßen wie ein schlafender Hund, nachts reite ich wieder vom Reitstall durchs offene Tor zwischen den Kastanien hindurch, und die Bäume werfen mir die letzten rot-weißen Blüten auf den Weg bis zur grauverputzten Mauer, deren Pforte stets geschlossen sein soll und es doch niemals ist, den ganzen Sommer nicht, und nie in meinen Träumen.

Sanft wölbt sich die Erde vor mir hinab zum See, und ich reite, reite, falle in den gestreckten Galopp, und rechts und links stäubt das Korn, und der Hopfen reckt sich dem Himmel entgegen, als könne er weiter wachsen, immer höher, und wie die Märchenbohnen seine Spitzen schließlich bis zur Himmelspforte ausstrecken. Träge von Wärme und Sommer atmet das Land in der Sonne und treibt einen vollblütigen, roten Saft in die Früchte, die in den Bäumen hängen. Sogar die Stallkatzen sind strotzend, stolz und gesund, und auch das ingwerfarbene Fell von Kater Archie fehlt nicht bei Nacht.

Unterhalb der Wiesen wird es steiler, enger der Pfad, und ein Wäldchen verdunkelt den sonnenbeschienenen Weg. Ich verlangsame noch vorm Märchenstein, auf dem in der Johannisnacht ein stummes Mädchen sitzen soll, das erlöst, wer sich traut, sie zu küssen, und keine Angst hat vor der blutigen Linie um ihren Hals. Reich belohnt würde, wer die arme Wiedergängerin erlösen könnte, denn das tote Mädchen bewacht einen Schatz, ihre Mitgift, und nur sie weiß, wo er zu finden ist, aber zum Küssen und Erlösen kommen nur Männer in Frage, und so reite ich weiter, vorbei an der Kuhkoppel, wo mehr Löwenzahn wächst als irgendwo sonst, und die kleinen Mädchen sich Kronen aus den gelben Blüten banden und Prinzessinnen waren, lauter Königskinder zwischen den sanften, riesengroßen Kühen.

Immer allein reite ich durch meine Träume, nie reitet die N. mit mir, nie die S., meine besten Freundinnen zu Schulzeiten, die sich gegenseitig nicht ausstehen konnten: Die extravagante, schöne N., die ihre Klugheit hinter mehr Verrücktheiten verbarg als irgendjemand in meiner Klasse, und sich alles und jeden nahm, den sie wollte, und die ernste, besonnene S., die viel las und noch mehr nachdachte und freundlich war, gütig und so nett, dass niemand bemerkte, dass sie auch hübsch war. Beide ritten oft mit mir, beide hatten eigene Pferde, und nur ich sollte kein eigenes Pferd bekommen, und hatte am Jacky nur eine Reitbeteiligung, auch wenn er eigentlich, redete ich mir ein, mir gehörte, denn wenn ich kam, erkannte er meinen Schritt schon im Hof und wieherte und scharrte mit den Hufen. Seine Eigentümerin erkannte er nie. Im Traum gehört Jacky natürlich ganz mir, und wer weiß, ob Jackys rechtmäßige Eigentümerin, meine Kieferorthopädin, noch so von ihm träumt, der zwei Jahre nach meinem Abi krank wurde und starb, oder ob er nicht inzwischen ganz mein ist, die seinen Schatten in ihren Träumen noch einmal mit glänzendem Fell bekleidet, noch einmal durch die schwarze Mähne greift, die Nüstern streichelt und dem toten Pferd einen Apfel reicht, der unter einem Baum auf dem Boden liegt hinter dem Wäldchen, wo das Land weit wird, weit und offen.

Streng verboten ist es, über die Äcker zu reiten, aber im Traum reite ich geradeaus, verlasse den Weg und setze hinweg über Brombeeren und Hagebutten, steige vom Pferd und gehe zu Fuß über die schweren, lehmigen Schollen. Ein paar Minuten sitze ich im Schatten einiger Weißdornbüsche und blinzele in die Sonne, bevor ich aufsteige und Jacky an den Schlehen vorbei dem See zutreibe, an dessen Ufern der Wind die Weiden wiegt. Aus dem trägen, grünschimmernden Wasser ruft mich der wilde Wassermann, um mich zu heiraten und mit mir zu leben in seinem Schloss aus Schlick und Muscheln, und golden leuchtet die Nachmittagssonne zwischen den Blättern hindurch und wirft lauter Sonnenmünzen durch meine Träume in meinen Schoß, die verschwunden sein werden, wenn ich erwache.



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