Dienstag, 29. August 2006

Das Abgeordnetenhaus und ich

Ich persönlich interessiere mich ja dermaßen wenig für Politik, dass ich im Nachhinein nicht einmal werde behaupten können, keinerlei Verantwortung für was-auch-immer zu tragen. Statt dessen werde ich vermutlich den Frager, falls mal einer vorbeikommt, um herauszufinden, wie eigentlich alles so kommen konnte, wie es gekommen sein wird, aus großen Augen anschauen und ein wenig herumstottern, weil es mir in diesem Moment vermutlich ein bißchen peinlich sein wird, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet.

Vielleicht gebe ich auf bohrende Nachfragen sogar zu, dass ich nicht nur keinen Fernseher besitze, sondern auch kein Radio, die Tageszeitung aus Desinteresse abbestellt habe, und nur noch die ZEIT ins Haus kommt, die ich aber nicht lese. Nachrichten im Internet verfolge ich auch nicht, weil ich dazu nicht komme, und die wenige verfügbare Online-Zeit vollständig dabei draufgeht, nachzuschauen, was denn die virtuellen Nachbarn so treiben, wer umzieht oder wer sich mit wem trifft und so, und was Leute machen, die ich gar nicht kenne, also nicht einmal virtuell, das ist mir eigentlich – also so wirklich..... also das ist mir eigentlich egal.

"Aber Fräulein Modeste!", wird der politisch besorgte Frager sich die Haare raufen. Das könne doch nicht sein, dringende Probleme warten unruhig mit den Füßen scharrend darauf, bewältigt zu werden. Zum Beispiel wird die Welt immer wärmer, die Polkappen schmelzen die ganze Zeit, die Deutschen schicken ihre Kinder ohne Frühstück in die Schule, und auf den Stränden der Welt liegen japsende Wale. Unschuldige Ziegenhirten werden in ausländischen Kellerverliesen so lange an die Decke gehängt, bis sie demokratisch werden, während islamistische Maschinenbaustudenten eines Tages die U 2 in die Luft sprengen werden. – "Kann ich ja ohnehin nichts....ist auch nicht mein Job.", murmele ich dann und versuche, mich dem unangenehmen Gespräch zu entziehen. "Sollte man mal...habe ich aber keine Lust zu.", winde ich mich ein wenig, dann aber, dann wird die Macht der Erinnerung über mich kommen, und ich werde dem Frager die Wahl 2006 entgegenhalten. Denn die Politik und ich, trumpfe ich auf, das häte nur schiefgehen können, und er könne ganz froh sein, dass ich mein destruktives Potential rein privat auslebe.

Die Abgeordnetenhauswahl 2006 also. Als Friedbert Pflüger regierender Bürgermeister werden wollte. „Friedbert wer?“, wird der Frager insistieren. – „Nicht wichtig.“, winke ich ab, weil mein Gedächtnis auch nicht das Beste ist. - „Und was war mit der Abgeordnetenhauswahl?“, wird der Frager weiter fragen, und ich werde mich räuspern. „Hm.“, sage ich dann. Und dann murmele ich etwas vom Wahlomaten.

„Wahlomat?“, wird der Frager nachhaken, und ich erkläre, dass das so ein internetgestütztes...also so eine Website, da gibt man ein – also, man kann da seine Meinungen eingeben, und dann wirft der Wahlomat aus, was man wählen soll. – „Und?“, wird der Frager seinen Bleistift zücken, und ich druckse noch ein bißchen herum. „Tja.“, sage ich dann, und gebe zu, den Wahlomaten aus laiuter Langeweile bedient zu haben. Ein Ergebnis ist natürlich auch dabei herausgekommen, und ich hatte schon fast ernsthaft vor, doch mal wieder wählen zu gehen, wenn das nun doch so einfach geworden ist mit der politischen Meinung, aber dann, dann hätte ich auf dem Weg zur U-Bahn ein riesengroßes Plakat mit dem riesengroßen Kopf des Chefs der ganzen Truppe drauf gesehen, die ich wählen sollte, und es mir spontan anders überlegt.

"Die kriegen meine Stimme nicht!", schwor ich morgens um acht angesichts des zähnebleckenden Herrn und seiner parteibefreundeten Kollegen, und vergaß Wahlomat wie Abgeordnetenhaus auf der Stelle.

„Was ist denn nun dabei heraugekommen?“, wird der Frager eine letzte Frage stellen, aber da werde ich abwinken, und gehe schnell woandershin, denn einige Dinge - nicht wahr - sind und bleiben einem ja ein wenig peinlich.



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