Freitag, 29. September 2006

Was auch nicht geht (4)

„Es sieht schlecht aus, meine Damen.“, resumiert die C. ein wenig vor sich hin und zerbröckelt einen dieser italienischen Kekse zwischen den Fingern, die man verpackt kaufen kann in herrlich bunt bedrucktem Papier. „Und ansonsten gibt das Angebot nichts her?“, frage ich, und versuche mich an andere Herren zu erinnern, die man bei Gelegenheit an öffentlichen Orten kennen zu lernen pflegt. „Naja...“, unterbricht die J. meine Gedanken. In weiten Kreisen der Bevölkerung erfreue sich eines gewissen Bekanntheitsgrades ja auch noch...

Die Canaille

Fragt man einen beliebigen netten Herrn nach demjenigen Freund, den er am meisten beneidet, so wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder den Wohlhabendsten nennen noch den Erfolgreichsten, und noch nicht einmal den, der am besten ausschaut. Der vielbeneidete, weil vielgeliebte Freund jedes Mannes entspricht vielmehr einem Typus, dessen Anziehungskraft auf Umständen beruht, die nur als wahrhaft dunkel zu bezeichnen sind: Es geht um die Canaille.

Der Erfolg der Canaille beruht zumindest teilweise zwar zweifellos auf seiner Unverschämtheit. Auf die Idee, irgendjemand wolle sich nicht mit ihm treffen, kommt die Canaille nicht einmal, und so spricht auch die arbeitslose, haarlose und übergewichtige Canaille nur diejenigen Frauen an, die jeder ansprechen würde, wenn er denn den Mut besäße. Die Canaille würde auch etwa Kate Moss zu einem gemeinsamen Bier auffordern, die Dame zahlen lassen, und sich nach erfolgreichem Treffen einfach so drei Wochen nicht melden.

Die Canaille hält vielleicht einer alten Dame die Tür auf, junge Damen jedoch, so nimmt es die Canaille an, seien auf seine Hilfe nicht nur nicht angewiesen – sie wären unverschämt, Hilfe zu erwarten, und so taucht die Canaille alle paar Monate auf, frisst den Kühlschrank leer, verschwindet mitten in der Nacht, weil das Telefon klingelt, und sagt nicht, wer angerufen hat. Vielleicht borgt sich die Camaille noch Geld, vielleicht lässt sie sich aber auch nur ein paar Hosen bügeln – jedenfalls ist von der Canaille außer Ärger nichts zu erwarten, und so nimmt es rein nach den Gesetzen der Logik wunder, dass das Telefon der Canaille trotzdem immerzu klingelt.

Frauen würden geradezu schlecht behandelt werden wollen, zieht so mancher Mann seine Schlüsse aus dem unglaublichen Erfolg der Canaille, und versucht es seinerseits mit ein wenig schlechtem Benehmen. Indes scheint außer Rücksichtslosigkeit und einem ungehobelten Wesen die Canaille noch über einen zusätzlichen, schwer zu benennenden und absolut imponderabilen Charme zu verfügen, denn nicht jedem ist es gegeben, von Frauen für sein mieses Betragen geliebt zu werden.

Dass von der Canaille vor diesem Hintergund nur abgeraten werden kann, versteht sich beinahe von selbst. Versuche, die Canaille zu bessern, aus einem solchen Herrn aufrichtige und nachhaltige Gefühlsbezeugungen, Geschenke, die von Herzen kommen oder ähnliche angenehme Dinge herauszupressen, sind daher schon vom Anfang an zum Scheitern verdammt.

Und selbst wenn es gelänge: Was unterschiede die Canaille dann noch von einem normalen Mann, und würde sich nicht vielleicht sein Reiz in diesem Moment ins Nichts verflüchtigen?

„Es sieht wirklich nicht gut aus“, knurrt die C., und öffnet eine letzte Flasche Wein.



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