An Deiner Gärten Tore
Am Morgen um halb acht eine Stunde vorm Wecker zu erwachen, die Katze zu füttern und auf dem Balkon zu sitzen, weil da die Sonne scheint. Ein braun-blaues Streifenshirt zu tragen, mit dem ich nie, nie vor die Tür gehen würde, weil ich in dem Ding aussehe wie eine Anstaltsinsassin, und untenrum eine alte Männerunterhose, weil das so verdammt bequem ist und es ja eh keiner sieht. Meine neue Sonnenbrille zu tragen, einen Strohhut von H&M, und Kaffee zu trinken aus einer völlig unmöglichen Tasse, die ich mal von meinem damaligen Chef geschenkt bekommen habe, als ich Referendarin war. Sieben Jahre ist das her. 2002.
Die Katze auf den Schoß nehmen und streicheln, die behaglich ihre Krallen ausstreckt und wieder einzieht und dabei rote Striemen auf meinen Oberschenkeln hinterlässt. Ich bin so weiß wie der Mond, fällt mir auf. Zwischen den Häusern explodieren gerade die Kastanien, als gelte es, an einem einzigen Tag zwischen morgens um sechs und abends um sieben alle Blätter auf einmal zu bekommen.
Auf einmal keine Lust mehr zu haben auf Ransmayrs Letzte Welt, obwohl das ein wirklich sehr, sehr großartiges Buch ist, aber nichts für diese betrunkenen, übermütigen Tage zwischen Winter und Wärme, in denen der Himmel voll der wehenden Girlanden zu hängen scheint in Grün, in Flieder und Gold, und der Sommer selbst im Hinterhof seine Geige stimmt. Hier ist nicht Tomi, lege ich das Buch beiseite, blinzele in die Sonne, und flüstere der Katze in die Ohren, dass dieser Sommer unser Sommer sein wird, und jeder Rittersporn, aller Raps und jeder Kirschbaum der Welt, jedes Weidekätzchen an fernen Bächen und jeder Korb voll Maigrün und Moos und roten Beeren für mich. Für mich.