Samstag, 3. Oktober 2009

Madame ist erkältet

Morgens stehe ich also auf und friere. Das an sich überrascht mich nicht, ich friere meistens in den letzten Tagen, seit der Sommer letzten Montag schlagartig vorbei war, aber heute friere ich auch in der heißen Dusche weiter, und als ich mich anziehe, fühle ich mich auch irgendwie komisch an. Weil sich zudem auch noch das Verhältnis zwischen Schädel und Schädelinhalt so nachteilig verschoben hat, wie es für Erkältungen charakteristisch ist, lege ich mich nach einigem Hin und Her wieder ins Bett. Alles dreht sich.

Als ich wieder aufwache, so ungefähr drei Stunden später, ist mir wieder warm. Dafür fühle ich mich irgendwie schwach, so schwach, dass ich fürchte, nicht aufrecht bis in Bad zu kommen, aber dann geht es doch. Tee kochen kann ich auch. Den trinke ich dann so nach und nach aus und nehme insgesamt und über den Tag verteilt fünf Grippostad. Ab und zu rufen Leute an und wollen, dass ich etwas sage oder kaufe.

Als ich so gegen drei beschließe, etwas zu essen, ist leider kaum etwas da. Das Brot, das ich vorgestern gekauft habe, enthält zu meinem Ärger Leinsamen. Den habe ich nicht gesehen beim Kauf. Ich hasse Leinsamen, deswegen esse ich ein Stück Käse ohne Brot und schiebe mir einen Löffel Marmelade so in den Mund. Dann schlafe ich weiter.

Als der J. heimkommt, wird es betriebsam. Der J. will nach Düsseldorf, einen Freund besuchen, und eigentlich soll ich mit. Weil das aber gerade gar nicht geht, schnappt sich der J. seinen Koffer und meine Boarding-Karte und verschwindet allein. Eine Stunde später werde ich nach München umgebucht, im Dezember. Ich bin ganz gern in München, das ist okay. Ich könnte irgendwo ins Umland fahren, beschließe ich. Dann schlafe ich wieder ein.

Im Traum reite ich einen sehr, sehr großen, schwarzen Hund, der wild wirkt und schrecklich kläfft. Der Hund ist überaus furchterregend und hat wirklich große Zähne, aber ich finde den Hund gut. Sogar ein bißchen stolz bin ich auf das geifernde Tier. Erst als das Telephon klingelt, wache ich wieder auf.

Diesmal ruft ein Bekannter von mir an, den der Wahlsieg vom Sonntag mächtig enthusiasmiert zu haben scheint. Das deutsche Volk, verkündet er mir, habe es den trägen und ängstlichen Politikern gezeigt und ein klares Mandat für entschlossene Reformen erteilt. Man dürfe das deutsche Volk nun nicht enttäuschen. Ich greife nach dem Tee neben meinem Bett und höre ihm schweigend zu. Erst als er das vierte Mal "das deutsche Volk" sagt, verweise ich auf meine fiese Erkältug und lege auf. Dann schlafe ich weiter.

Diesmal taucht der schwarze Hund nicht ein einziges Mal auf. Statt dessen erscheinen verschwommene, glänzende und glitschige Wesen und rutschen auf heißen, farbigen Steinen umher. Leider darf ich nicht mitmachen. Bevor die Lage sich klärt, wache ich wieder auf. Es ist 0.35 Uhr.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Wirklich ziemlich schlechtes Essen

Das Schnitzel sieht trostlos aus. Ungefähr ebenso traurig wie die panierte Kalbfleischscheibe wirkt der J., und die irgendwie unakzentuierte Beleuchtung macht das Ganze nicht besser. Auf dem viel zu dicken Schnitzel klebt eine leicht flockige Panade gefleckt in viel zu hell und viel zu dunkel, und auch die Bratkartoffeln wirken nicht wie etwas, von dem man sich ernähren will. Auf der Unterseite des Schnitzels glänzt es fettig. Für so etwas - und das weiß ich genau - kommen Köche in die Hölle.

Auf der Bank in dem viel zu großen Raum sitzen vereinzelt ein paar Leute, die aus schwer zu benennden Gründen irgendwie unsympathisch wirken. Man soll Menschen ja nicht nach ihrem Aussehen einschätzen, aber wie wir alle wissen, erkennt man 99% der unangenehmen Menschen dieses Planeten auf den ersten Blick. Hier sitzen mehrere davon. Die Kellnerin ist freundlich, aber sieht aus, als heiße sie Mandy oder so, und mein Burger ist zwar okay, aber die Boulette zerfällt beim Hineinbeißen, und das Brot bröselt. Im Bird ist der Burger wesentlich besser, und auch im White Trash gibt es deutlich Besseres als hier. Teuer ist es auch.

"Das ist ja scheußlich.", stöhnt der J., als wir auf der Schönhauser stehen. Ein paar Fahrradfahrer kurven an uns vorbei, ein paar Häuser weiter gibt es bei der Fleischerei ein phantastisches Tartar mit Wachtelspiegelei oder Schweinsbraten, und ein wenig missmutig laufen wir nach Hause.

Ich werde hier nicht wieder essen, im Bio-Steakhaus auf der Schönhauser Allee.

Mittwoch, 30. September 2009

Andere Leute

Weil ich mich nicht dafür interessiere, wer einen Kilometer weiter südlich gerade wen in Stücke reißt, wähle ich mit Sorgfalt zwischen einem Perlhuhn mit Graupenrisotto und einer Seezunge in weißem Balsamicolack. Am Ende entscheide ich mich fürs Huhn.

Am Nachbartisch reden ein paar anzugjackerte Herren sehr aufgeregt aufeinander ein, und ab und zu schreibt der sichtlich Jüngste etwas auf einen Block. Lachend malen wir uns aus, was auf dem Block wohl stehen mag, probieren von unseren etwas übersichtlichen Portionen und erzählen uns von den besten Steaks der Stadt. Ich lasse mir vom Prinz von Homburg im DT berichten, der offenbar knöcheltief im Wasser stattfindet, und wir prosten uns auf den großartigen Umstand zu, dass alle diese Dinge, von denen die Zeitungen schreiben, uns nichts angehen, und uns niemand dazu bringen wird, aufgeregt in abgeschabte Blackberries zu schreien, nur weil gerade (einmal mehr) die deutsche Sozialdemokratie untergeht oder die neue Regierung vielleicht doch nicht alles will, was man sich andernorts ausgemalt hat.

Dann bestellen wir Sorbet.

Dienstag, 29. September 2009

Schmerzlos am Ende des Sommers

Sich eigentlich ganz gut fühlen. Die Vögel zählen, die auf dem Kollwitzplatz Brotkrumen picken, und den trüb-gelben Wein ganz langsam trinken. Es riecht schon nach Herbst. Irgendwann hat mich das alles mal an irgendetwas erinnert, aber der Himmel ist stumpf, blau und leer.

Den Kopf schütteln, wenn man gefragt wird, ob etwas nicht stimmt. Mir tut nichts weh, hake ich einen Körperteil nach dem anderen ab. Mein Bauch ist okay. Mein Rücken gerade. Mit meinem Kopf ist alles in Ordnung.

"Ich weiß nicht.", zu sagen. Es verläuft heute wie gestern alles nach Plan. Alles bleicht aus, sage ich, aber das ist nur der Sommer, und was bleibt von dem sinkenden Jahr weiß wohl keiner, und erst recht nicht: Von mir.

Donnerstag, 24. September 2009

Chef

"Dieses Jahr ist das Jahr der verliebten Vorgesetzten.", erzählt mir meine liebe Freundin B. und führt gleich mehrere Belege dieser These an. Am Nachbartisch schaut ein älterer Herr interessiert von seinem Hähnchencurry auf und überlegt - es ist ihm deutlich anzusehen - ob und welche Mitarbeiterin ihm am besten gefällt. Die B. beugt sich vor und spricht etwas leiser. Ihre Thesen klingen überzeugend: Nicht nur, dass der Herr, für den B. selbst seit Jahren tätig ist, seit vier Wochen auf einmal in amouröser Angelegenheit auf sie zukommt. Eine jüngst in fremde Lande versetzte Freundin teilte gleichfalls mit, dass ihr früherer langjähriger Vorgesetzte beim ersten Mittagessen nach Ende der Zusammenarbeit ihr seine Liebe gestand, und sogar die A. wird seit kurzem von ihrem Chef verehrt und überlegt derzeit ernsthaft zu kündigen. Künftig, so die A. arbeite sie nur noch für Frauen oder Männer ohne Mundgeruch.

Die B. selbst immerhin, erfahre ich, ist nicht grundsätzlich abgeneigt. Die B. verbringt ihre Tage und Nächte schon ziemlich lange allein, und ein mittelfrisch geschiedener Mann ist möglicherweise selbst dann eine amüsante Alternative zu abendlichen Gesprächen mit dem eigenen Kater, wenn er 52 und schon eher nicht so besonders temperamentvoll ist. Selbst der Umstand, dass ihr Chef ihr den Vorschlag für ein gemeinsames Abendessen per Outlook-Kalender (wenn auch als "privat" gekennzeichnet) übermittelt hat, und seinem Werben die kunstvoll verschlungene schriftliche Versicherung vorangestellt hat, dass Umstände gleichgültig welcher Art, die außerhalb der beruflichen Sphäre anzusiedeln sind, die Qualität der beruflichen Zusammenarbeit auf keinen Fall verkürzen, hat die B. nicht irritiert. Allerdings werde sie den Job wechseln, versichert sie mir, wenn es mit ihrem Chef etwas werde, und für einen Moment überlege ich, ob möglicherweise das Liebeswerben männlicher Vorgesetzter einer der Umstände sein könnte, die der weiblichen Karriere durch beruflich kontraproduktive Anstellungswechsel Steine in den Weg legen und so für die deutlich weniger entwickelten Werdegänge von Frauen verantwortlich sind. Vielleicht haben Gender-Forscherinnen dies bisher übersehen, weil an solchen Fachbereichen männliche Vorgesetzte nicht vorkommen, und ältere Anzugträger am Nachbartisch den Forscherinnen nie beim Aufbruch nach dem Mittagessen bei einem Thai in Mitte so demonstrativ zuzwinkern, dass sie sich bis zur U-Bahn fragen, wessen Vorgesetzter der ältere Herr denn nun gern wäre.



Benutzer-Status

Du bist nicht angemeldet.

Neuzugänge

nicht schenken
Eine Gießkanne in Hundeform, ehrlich, das ist halt...
[Josef Mühlbacher - 6. Nov., 11:02 Uhr]
Umzug
So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen....
[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
wieder einmal
ein fall von größter übereinstimmung zwischen sehen...
[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
Leute an Nachbartischen hatten das erste Gericht von...
[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
Allen Gewalten zum Trotz...
Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort....
[Modeste - 1. Apr., 22:41 Uhr]
Über diesen Tip freue...
Über diesen Tip freue ich mich sehr. Als Weggezogene...
[montez - 1. Apr., 16:42 Uhr]
Osmans Töchter
Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald...
[Modeste - 30. Mär., 17:16 Uhr]
Ich wäre an sich nicht...
Ich wäre an sich nicht uninteressiert, nehme aber an,...
[Modeste - 30. Mär., 15:25 Uhr]

Komplimente und Geschenke

Last year's Modeste

Über Bücher

Suche

 

Status

Online seit 7727 Tagen

Letzte Aktualisierung:
15. Jul. 2021, 2:03 Uhr

kostenloser Counter

Bewegte Bilder
Essais
Familienalbum
Kleine Freuden
Liebe Freunde
Nora
Schnipsel
Tagebuchbloggen
Über Bücher
Über Essen
Über Liebe
Über Maschinen
Über Nichts
Über öffentliche Angelegenheiten
Über Träume
Über Übergewicht
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren