Montag, 1. November 2010

Journal :: 30.10.2010

Gegen 23.00 Uhr schwöre ich mir, nie wieder etwas anderes als höchstens eine völlig entfettete klare Suppe zu essen. Dazu ein lauwarmes Glas Wasser. Fachinger wäre gut. Sehe ich mich um, so sieht es bei den anderen nicht wesentlich anders aus. Der M. hängt mehr auf dem Sofa als er sitzt. Seine schwangere Freundin hat schon während des Essens kurz erwähnt, dass so langsam der Abschnitt der Schwangerschaft erreicht sei, in dem man ohnehin nicht mehr viel essen könne, weil das Kind den Magen so zusammendrücke. Der J. ächzt an meiner Seite ab und zu etwas, was wie "Mascarpone ..." klingt, und die Gastgeberin I. und ihr Mann bieten ab und zu Getränke an, aber selbst die übertreffen gerade mein Fassungsvermögen in nicht unwesentlichem Maße. Ich habe zu viel gegessen.

Weil man bei der I. immer gut und nie wenig zu essen bekommt, habe ich mittags nur einen Salat mit Weintrauben und Pinienkernen und ein paar gebackene Kürbisspalten gegessen. Nicht einmal Kuchen habe ich nachmittags gehabt, schon in der S 9 Richtung Schönefeld habe ich richtiggehend Hungergefühle gehegt, und bei der I. eingetroffen sofort in alle Töpfe geschaut. Das Essen sah fertig zubereitet aus. Ich war richtig erleichtert.

Auf dem Tisch stand ein geschnitzter Kürbis. In dem Topf war eine Kürbissuppe. Die Kürbissuppe enthielt Kastanien und war sehr gut. Nach der Kürbissuppe war ich quasi satt. Das Kalbsschnitzel und den Kartoffelsalat mit grünem Salat danach habe ich trotzdem gegessen und den Kaiserschmarrn habe ich auch nicht abgelehnt. Der Kaiserschmarrn - das habe ich noch nie gesehen - wurde mit Mascarpone zubereitet und war herrlich saftig und luftig und viel, viel besser als mein Kaiserschmarrn, der aus Mehl, Eiern, Vanille und Zucker und so einem MIlch/Sahnegemisch besteht.

Nach dem Essen hätte ich gern einen Magenbitter getrunken, wenn ich solche Getränke vertrüge. Auch eine Vollnarkose wäre nicht schlecht, aber statt dessen trinke ich ganz, ganz langsam eine Bionade nach der anderen und führe mit den gleichfalls mächtig übersättigten Gastgebern plus M. und M. kalorienbetäubte, etwa träge Gespräche mit langen Pausen, die Gisbert zu Knyphausen mit äußerst verlangsamten Gesängen füllt. Noch im Taxi nach Haus ist mir ein bißchen übel. Ich glaube, ich habe irgendetwas eher Sonderbares geträumt.

Sonntag, 31. Oktober 2010

Journal :: 29.10.2010

Freitag ist der Tag der Rituale. Ich kenne ein Paar, das geht jeden Freitag ins Kino. Ein anderes Paar holt sich auf dem Weg vom Büro heim einen Film, bei der Weinhandlung nebenan eine richtig gute Flasche Wein und setzt sich damit aufs Sofa. Eine Freundin von mir kauft jeden Freitag in der Mittagspause etwas Gutes zum Essen und einen Haufen Illustrierte ein, legt sich abends daheim sofort in die Badewanne, isst anschließend im Bett alles auf und blättert in den Journalen. Der J. und ich gehen jeden Freitag essen.

So richtig mit Reservierung und vorher nachschauen schaffen wir allerdings nie. Im engeren Sinne geplant sind die Abende auch nicht. Meistens telefonieren wir so gegen 17.00 Uhr. Ich teile dem J. dann mit, der Kühlschrank sei leer. Der J. antwortet, er habe jetzt auch keine Luft, einkaufen zu gehen, und gemeinsam beschließen wir, irgendwo etwas zu essen. Für eine sorgfältig erwogene Auswahl ist es dann zum einen zu spät, zum anderen wollen wir auch nirgendwo hin, wo man noch extra hinfahren muss, und deswegen waren wir jahrelang jeden Freitag (oder zumindest so jeden zweiten) im Pappa e Ciccia. Das ist ein Italiener im Prenzlauer Berg.

Das Pappa e Ciccia ist jetzt kein so besonderer Italiener. Es schmeckt ganz gut da, der Service ist auch nett und herzlich, alles schön, lässig, aber nicht unelegant, doch der größte, der entscheidende Vorteil des Pappa e Ciccia bestand eigentlich in dem Umstand, dass er nahezu nebenan gelegen war. Jetzt allerdings sind wir umgezogen und dass Pappa e Ciccia ist ziemlich weit weg. Bestimmt 15 Minuten Radweg.

Unstet sind seither unsere Freitage. Im Brot und Rosen an der Ecke waren wir mehrfach, auch ein Italiener, aber da fehlt es an der fröhlichen Quirligkeit des Pappa e Ciccia, die Gäste wirken alle ein bißchen gedämpft, etwas Herbstliches wallt durch die Räume - wir sind da nicht so heimisch geworden. Für das Chez Maurice um die Ecke gilt etwas Ähnliches. Man isst ziemlich gut da, das ist es gar nicht. Es ältelt halt so ein bißchen. Es isst da oft nicht die nette, etwas aufgekratzte Nachbarschaft, sondern so ein wenig getragene Menschen, keine so reizvolle Umgebung, und so essen der J. und ich uns nun am Freitagabend etwas unbehaust durch den Prenzlauer Berg. Diesen Freitag waren wir einmal wieder im großartigen Filetstück (oh, das göttliche Pommersch Rind!), auch wenn da jedesmal am Nachbartisch irgendwelche Hornochsen lautstark ihre Bedeutung in Kunst und Medien in die Welt posaunen. Den nächsten Freitag geht es vielleicht wieder ins Sasaya, wo man so großartig Sushi isst wie fast nirgendwo sonst, aber einen festen Hafen, einen Ankerplatz am Ende der Woche, einen Laden, den man nicht aushandeln oder wählen muss, kurz: Ein Pappa e Ciccia diesseits der Greifswalder Straße ist nicht in Sicht.

Samstag, 30. Oktober 2010

Journal :: 28.10.2010

Auf dem Weg heim dann ein perfekter Moment. Das weiche, gelbe Licht der alten Laternen. Die fast schon entlaubten Platanen. Das Rascheln von Laub. Ein einsamer Mann mit Hund, den Hände auf dem Rücken gefaltet, schaut auf und lächelt mir zu, als würden wir uns kennen, und umfangen von der sanften Schwärze der Nacht, auf der Brücke zwischen Westen und Osten für einen Herzschlag wunschlos und hingegeben an das fallende Jahr und die leisen Bässe vom Fluss bis weit in die einsamen Straßen.

Freitag, 29. Oktober 2010

Journal :: 27.10.2010

Tatsächlich Bowling. Ich bin dem Bowling ungefähr so zugetan wie dem Ku-Klux-Klan. Ich kann rein gar nichts, was mit Bällen zu tun hat, und ungefähr so ist dann auch das Ergebnis. Am besten funktioniert es noch, die Kugel sehr sacht mittig auf die Bahn aufzusetzen und zuzuschauen, wie sie dann ganz, ganz langsam Richtung Kegel rollt.

Ganz nett ist es trotzdem. Ich rede hier ein bißchen und da ein wenig. Ich trinke einen Liter Grapefruitschorle und frage mich, wieso sich dieses fabelhafte Getränk eigentlich nicht durchgesetzt hat. Irgendwann, nicht allzu spät, fahre ich heim.

Zu Hause Nudeln. Zwei Folgen West Wing und ein kurzer, unruhiger Schlaf.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Journal :: 26.10.2010

Neukölln also. Nicht der Wedding, der seit Jahren immer wieder hochgeschrieben wird, obwohl da keiner hinzieht. Das Problem an Neukölln: Es ist so weit weg wie nur irgend möglich. Zumindest, wenn man im Prenzlberg wohnt, fährt man am Alex vorbei, die Holzmarktstraße entlang und dann immer geradeaus. Moritzplatz. Prinzenstraße. Am Landwehrkanal links, an der Ankerklause vorbei und irgendwann ist man dann da.

Weil ich nie pünktlich bin, hat Frau Engl mich diesmal nicht in ein Lokal bestellt, sondern zu sich nach Hause. Erst als ich da bin, geht es los. Mariamulata heißt der Laden. Gemütlich ist es hier, wo erkennbar vor einiger Zeit noch ein Imbiss war, stehen jetzt Tische, warme Beleuchtung, eine Theke, es gibt spanischen und portugiesischen Wein und Tapas. Eine Tagessuppe gibt es auch, die lohnt sich aber nicht. Die Tapas sind ziemlich gut.

Wir bestellen, was das Zeug hält. Erst als ich gar nichts mehr essen kann, hören wir mit dem Bestellen auf. Vom netten Kellner bekommen wir noch einen Grappa aufs Haus. Schöne Augen hat er. Maximal 30 dürfte er sein, wie jeder in Neukölln, und kann so gut wie kein deutsch.

Bei Frau Engl bekomme ich noch einen Tee. Spät ist es geworden, als ich wieder heimfahre, durch den kalten, klaren Herbst. Auf dem Weg nach Hause wird es dunkel und still, und dort, wo fast schon am Park die Fenster schwarz sind und die Straßen leer, schließe ich mein Rad an. Ich bin zu Hause.

Journal :: 25.10.2010

Gegen drei Uhr nachts wache ich schlagartig auf. Auf meinem Brustkorb sitzt mein Kater und grinst wie die Cheshire Cat persönlich, nur dass in diesem Fall nicht nur das Grinsen anwesend ist, sondern auch die Katze selbst, und die Katze ist schwer. Ich kaufe doch wieder Diätfutter, ächze ich und schubse den Kater vom Bett.

Zwei Stunden später bin ich wieder wach. Mag sein, es ist der Vollmond. Vielleicht ist es aber auch einfach nur ein wüster Traum, in dem ein loser Bekannter vorkommt, der sich vor mir auszieht, erst den Mantel, dann den Anzug (ich habe ihn kaum jemals im Anzug gesehen), schließlich die Wäsche (American Apparel, rot) und am Ende die Haut. Rot, blutig und abgezogen strahlt er mich an, nicht ganz so grinsend wie der Kater, aber sichtlich vergnügt. Als er nach mir langt, weiche ich zurück. Er setzt nach. Heftiges Herzklopfen. Ich flüchte angstvoll und angewidert aus dem Traum in die Dunkelheit meines Schlafzimmers. Leicht benommen in meinem Bett sitzend erinnere ich mich an die ziemlich gute Musik im Traum, etwas basslastig, aber wirklich gut, und auf dem neuen Katzenbett sitzt der Kater, hellwach auch er. Er grinst nach wie vor, als sei er mir einen entscheidenden Schritt voraus.

Als ich wieder erwache ist es halb neun. Der Kater steht an der Bettkante, die Vorderpfoten auf dem Rahmen. Er blinzelt. Auch er scheint müde zu sein. Gegrinst, so viel steht fest, wird hier nur nachts.



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